Wohnen in München:"Wir müssen alles tun, dass das Thema Mieten nicht aus dem Ruder läuft"

Wohnen in München: Innerhalb von zwei Jahren ist es noch einmal deutlich teurer geworden, in München zu leben.

Innerhalb von zwei Jahren ist es noch einmal deutlich teurer geworden, in München zu leben.

(Foto: Lorenz Mehrlich)

Es ist die höchste Steigerung in der Geschichte des Mietspiegels: Bewohner müssen im Durchschnitt 21 Prozent mehr bezahlen als noch vor zwei Jahren. OB Reiter kritisiert seinen Parteigenossen Bundeskanzler Olaf Scholz deutlich.

Von Sebastian Krass

Rekord-Anstieg der Mieten in München: Die Kosten für eine Wohnung sind binnen zwei Jahren um 21 Prozent gestiegen. Das haben Oberbürgermeister Dieter Reiter und Sozialreferentin Dorothee Schiwy bei der Vorstellung des neuen Mietspiegels am Mittwochvormittag bekannt gegeben. Es ist die höchste Steigerung in der Geschichte des Mietspiegels. Demnach liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete aktuell bei 14,58 Euro pro Quadratmeter, bei der jüngsten, nur bedingt aussagekräftigen Erhebung für den Mietspiegel 2021 waren es 12,05 Euro. Der letzte reguläre Mietspiegel 2019 hatte einen Wert von 11,69 Euro ergeben (im Vergleich zu 2023 ein Plus von 24,7 Prozent).

"Die Ergebnisse sind einigermaßen niederschmetternd, aber erwartbar", sagte OB Reiter auf der Pressekonferenz. Er verband seine Analyse mit deutlicher Kritik an der Bundesregierung, auch namentlich an seinem SPD-Parteifreund und Bundeskanzler Olaf Scholz. Er weise seit vielen Jahren darauf hin, dass der Bund die gesetzlichen Regelungen für den Mietspiegel verändern müsse, so Reiter.

Aktuell dürfen in die Erhebung nur Mietverträge einfließen, die in den vergangenen sechs Jahren abgeschlossen oder verändert wurden. Zudem dürfen geförderte Wohnungen nicht berücksichtigt werden. Damit bilde der Mietspiegel automatisch die Steigerung der Wohnkosten ab und befördere diese sogar noch, er sei in Wahrheit ein "Mieterhöhungsspiegel", so Reiter. "Wenn daraus ein richtiger Mietspiegel werden soll, müssen alle Wohnungen rein, auch die mit alten Verträgen für sechs, sieben oder acht Euro pro Quadratmeter."

Der Mietspiegel ist ein wichtiges Instrument für den Wohnungsmarkt, weil er einerseits Grundlage für Mieterhöhungen sein kann und andererseits Mieterinnen und Mieter damit hinterfragen können, ob eine Erhöhung etwa gegen die Mietpreisbremse verstößt. Der Mietspiegel gilt für etwa 500 000 Wohnungen in München. Der Sozialausschuss des Stadtrats wird darüber am 16. März diskutieren und den Mietspiegel dann vermutlich auch verabschieden, danach tritt er in Kraft.

Sozialreferentin Schiwy befürchtet eine Verdrängung von Menschen mit wenig Geld

Der drastische Anstieg sei "aus sozialen Aspekten eine Katastrophe", sagte Sozialreferentin Dorothee Schiwy. Man tue, was man könne, um bedürftigen Menschen bei den Wohnkosten zu helfen, aktuell etwa mit dem Wärmefonds. Dennoch befürchtet Schiwy eine weiter zunehmende Verdrängung von Menschen mit wenig Geld, insbesondere von Rentnerinnen und Rentnern.

Der Oberbürgermeister verwies darauf, dass er sich im Herbst 2022 bei der Bundesregierung dafür eingesetzt habe, dass der Mietspiegel wegen der gestiegenen Energiekosten und der Inflation eingefroren wird. Zudem habe er gefordert, dass in Ballungsräumen wie München die Geltungsdauer von Mietspiegeln um bis zu drei Jahre verlängert wird. "Leider hatte ich damit keinen Erfolg", so Reiter. Das zuständige Bundesjustizministerium sei ja in Person von Marco Buschmann FDP-geführt, diese Partei stehe "nun mal eher auf der Eigentümerseite".

Reiter griff in diesem Zusammenhang die Bundesregierung insgesamt an. Er habe sich von ihr beim Thema Bauen und Wohnen mehr erhofft. "Wir müssen alles tun, dass das Thema Mieten in den Ballungsräumen nicht aus dem Ruder läuft", sagte er. Seinen Parteifreunden im Kabinett warf er indirekt mangelnde Durchsetzungskraft vor: "Ich erwarte vom sozialdemokratischen Bundeskanzler und der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung mehr als die Erklärung, dass die FDP blockiert."

Einen neuen Mietspiegel erstellt die Stadt München alle zwei Jahre. Erhoben werden die repräsentativen Daten vom Marktforschungsinstitut Kantar gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Statistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Eine Ausnahme war der Mietspiegel 2021. Er wurde lediglich mit Hilfe des Verbraucherpreisindexes fortgeschrieben, da befürchtet wurde, dass die Ergebnisse der Befragung wegen der Corona-Pandemie zu wenig aussagekräftig sein könnten.

Für den Mietspiegel 2023 wurden im vergangenen Jahr 3185 Interviews mit Münchner Haushalten geführt und ausgewertet, zudem wurden 834 Wohnungen anhand der Angaben von Vermieterinnen und Vermietern analysiert.

Der Mietspiegel unterscheidet auch zwischen Bestandsmieten und Neuvermietungen. Die Miete im Bestand liegt in der aktuellen Erhebung bei 13,72 Euro pro Quadratmeter (2021: 11,31 Euro, 2019: 10,97 Euro). Für neue Verträge werden durchschnittlich 16,07 Euro fällig (2021: 13,90 Euro, 2019: 13,48).

Direkte Rückschlüsse auf einzelne Wohnungen lassen sich daraus aber nicht schließen. Die dafür relevante Größe ist die ortsübliche Vergleichsmiete, für die auf Basis des Mietspiegels Faktoren wie Lage, Baujahr und Ausstattung einer einzelnen Wohnung mit eingerechnet werden. Diese Vergleichsmiete darf zum Beispiel bei Neuvermietungen nur um maximal zehn Prozent überschritten werden, das sieht die Mietpreisbremse vor.

Der Vorsitzende von Haus und Grund nennt die Zahlen "überraschend realistisch"

Es gibt auch Kritiker des Mietspiegels, einer davon ist Rudolf Stürzer, Vorsitzender der Vermietervereinigung Haus und Grund. Der städtische Mietspiegel zeichne aus politischem Kalkül ein verzerrtes Bild mit Werten, die 30 Prozent unter dem wahren Geschehen lägen, so hat Stürzer seit Jahren argumentiert. Die neuen Zahlen nennt er "überraschend realistisch". Haus und Grund befrage auch die eigenen Mitglieder und komme für München auf Basis von 8000 Mietverträgen auf eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 15,90 Euro. Mit ihren 14,58 Euro habe die Stadt nur noch eine Abweichung von unter zehn Prozent.

Die Forderung von OB Reiter, nicht nur Verträge aus den vergangenen sechs Jahren zu berücksichtigen, lehnt Stürzer ab. Denn wenn auch jahrzehntealte Mietverträge einflössen, "dann entfernt sich der Mietspiegel von der ortsüblichen Vergleichsmiete", sagt Stürzer, und könne nicht mehr als Richtschnur für neue Mietverträge oder Mieterhöhungen dienen.

Zudem verweist Stürzer darauf, dass der Mietspiegel Jahr für Jahr an Bedeutung verliere: "Zwei Drittel der Neuabschlüsse sind Index-Mietverträge, für die der Mietspiegel nicht gilt." Diese Verträge, die Mieterhöhungen nach der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes ermöglichen, sind zu einem sozialpolitischen Problem geworden, seit die Inflation drastisch gestiegen ist.

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