Kolumne: Vor Gericht:Vergebliche Stoßgebete

Kolumne: Vor Gericht: Der Angeklagte Enea B. vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht 2014. Wegen Gründung einer radikalislamischen Gruppierung und geplanten Attentaten wurde er später verurteilt.

Der Angeklagte Enea B. vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht 2014. Wegen Gründung einer radikalislamischen Gruppierung und geplanten Attentaten wurde er später verurteilt.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Radikale Islamisten werden oft von muslimischen Anwälten verteidigt. Was aber nicht unbedingt damit zu tun hat, dass sie der gleichen Glaubensgemeinschaft angehören.

Von Ronen Steinke

Der ägyptisch-amerikanische Komiker Bassem Youssef erzählt gerne, wie er sich immer bei einem kleinen Stoßgebet ertappe, wenn in den Nachrichten wieder ein Terroranschlag vermeldet werde. Er denke dann: "Bitte, Gott, lass es keinen Mohammed sein!" Gemeint ist: keinen Täter mit einem arabischen Namen.

Jedes Mal, wenn ein Anschlag von einem oder mehreren Islamisten verübt wird, spüren Muslime, wie das Misstrauen gegen sie wieder wächst, wie rechte Populisten versuchen, Hass mit Hass zu beantworten, wie mal wieder über eine Verschärfung der Regeln für alle Ausländer diskutiert wird. So gesehen ist es schon erstaunlich, dass sich in Deutschland immer wieder ausgerechnet muslimische Anwältinnen und Anwälte bereit erklären, diese Islamisten, die ihren Glauben so in den Dreck ziehen, vor Gericht zu verteidigen. Warum tun sie das?

Rechtsanwalt Tarig Elobied lehnt sich zurück, er sitzt in Sneakers in seiner Kanzlei in Berlin-Moabit. Er hat schon einige Islamisten verteidigt, zum Beispiel im Abu-Walaa-Verfahren am Oberlandesgericht Celle. "Szeneanwalt" kann man ihn nennen, ohne dass er widerspricht. "Ich weiß nicht, ob mich das jetzt stört", sagt er. Die Ideologie teilt er überhaupt nicht. Aber aus rein praktischen Gründen sei es für eine fachgerechte Verteidigung oft gut, wenn der Anwalt selbst Muslim sei, sagt er. Nicht nur, weil es hilft, zum Beispiel Arabisch zu können.

Wenn der Verteidiger Hans oder Jochen heiße, sei die Verständigung oft schwieriger. "Es gibt Kollegen, die können schon mit Religion überhaupt nichts anfangen. Da prallen Weltbilder aufeinander. Ich bin mir nicht sicher, ob die nicht aneinander vorbeireden." Die Aufgabe eines Verteidigers sei es nicht, eine Untat schönzureden - sondern darauf zu achten, dass die Rechte eines Beschuldigten gewahrt bleiben, selbst wenn ihm Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe vorgeworfen wird. "Meine Mandanten haben keine Lobby", sagt Rechtsanwalt Elobied. "Es muss irgendjemanden geben, der den Pöbel davor bewahrt, den Strick rauszuholen."

Es könne schon sein, überlegt er laut, dass Zuschauer ihm unterstellten, er stehe den Beschuldigten auch ideologisch nahe. Sei's drum. Das sei das Los der Strafverteidiger. Bei den Mandanten selbst erlebe er diesen Irrglauben nicht. Sie würden auch gar nicht erst versuchen, ihn als vermeintlichen "Bruder" auf ihre Seite zu ziehen. "Das Wort Bruder kommt meist erst, wenn's ums Geld geht", sagt Elobied. Denn: Islamistische Gruppen schieben zwar große Geldsummen um den Globus, aber für Kämpfer, die auffliegen, haben sie für gewöhnlich nichts übrig. Für ihren Anwalt zahlt meist niemand.

Der Satz mit "Bruder" geht also weiter wie folgt: "Wie wär's mit einem Freundschaftspreis?" Und die Antwort, die Rechtsanwalt Elobied darauf gibt, lautet dann: "Nein, es gilt die Rechtsanwaltsvergütungsordnung." Da hilft auch kein Stoßgebet.

Kolumne: Vor Gericht: An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten.

An dieser Stelle schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke im wöchentlichen Wechsel über ihre Erlebnisse an deutschen Gerichten.

(Foto: Bernd Schifferdecker)
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