Weltfrauentag Moosach:Waldpflegerinnen auf dem Vormarsch

Weltfrauentag Moosach: Walpflege live: Forstwirtschaftsmeister Thomas Hobmeier demonstriert, wie man überzählige Bäumchen entfernt und sie zugleich als Verbissschutz gegen Wild wiederverwendet werden - indem man sie liegenlässt.

Walpflege live: Forstwirtschaftsmeister Thomas Hobmeier demonstriert, wie man überzählige Bäumchen entfernt und sie zugleich als Verbissschutz gegen Wild wiederverwendet werden - indem man sie liegenlässt.

(Foto: Christian Endt)

Mehr noch als Kraft, braucht der Wald Zeit und Wissen. Das erfahren die Teilnehmerinnen einer Führung der Waldbesitzervereinigung Ebersberg/München-Ost nur für Frauen.

Von Alexandra Leuthner, Moosach

Zuerst mal geht es steil bergauf. Nicht so ein bisschen, gemütlich, auf einem bequemen Weg, gekiest und aufgeräumt. Nein. Ein Abhang, locker mit hohen Fichten und ein paar Buchen bestanden, Zapfen und Gestrüpp auf dem Boden, mit einer Steigung, die so manchen Skianfänger aus den Stiefeln kippen würde. Das ist die erste wirkliche Hürde. Doch keine der Frauen, die sich bei Baumhau am Waldrand versammelt haben, meckert, als die Niederseeoner Revierförsterin Kirsten Joas ankündigt: "Da müssen wir rauf." Wo sie hindeutet, ist hinter dem Grat der Böschung, die einst der Urtelbach ins Tal zwischen Grafing und Moosach gegraben hat, gerade noch ein bisschen graublauer Himmel hinter den Stämmen zu erkennen. So ein bisschen Klettern aber darf schließlich kein Hindernis sein, wenn man höhere Ziele verfolgt: Die Emanzipation von der männlichen Vorherrschaft im eigenen Wald.

Weltfrauentag Moosach: Sobald der Baum größer ist als der Mensch, wird die Waldpflege anstrengend, sagt die Niederseeoner Revierförsterin.

Sobald der Baum größer ist als der Mensch, wird die Waldpflege anstrengend, sagt die Niederseeoner Revierförsterin.

(Foto: Christian Endt)

Etwa zehn Frauen sind es, die einer Einladung der Waldbesitzervereinigung Ebersberg-München-Ost anlässlich des Weltfrauentags gefolgt sind, sich über Waldbewirtschaftung speziell für Frauen zu informieren. Dass es letztlich egal ist, ob sich Männlein oder Weiblein um den Wald kümmert, liegt zwar auf der Hand, zumal dann, wenn es nicht ausschließlich um Krafteinsatz geht - dass Waldarbeit lange Zeit ausschließlich Männersache war, ist aber eine Tatsache. Die Frau mit der Kettensäge ist nicht unbedingt ein gängiges Geschlechterstereotyp. Genau das aber wollen die Teilnehmerinnen ändern - und tatsächlich sei diese Wandlung schon im Gang, erklärt Forstwirtschaftsmeister Thomas Hobmeier - der sich die Steigung gespart hat und mit dem Auto an den vereinbarten Treffpunkt im Moosacher Kommunalwald gekommen ist. Der Förster hat aber auch eine Menge gefährlich aussehender Ausrüstung wie Sägen und Schlagwerkzeuge dabei, die an Ort und Stelle befördert werden mussten, daher das Auto.

Weltfrauentag Moosach: Die Auswahl an Werkzeug zur Waldbearbeitung ist groß, die Vorlieben verschieden, aber aufpassen muss man immer.

Die Auswahl an Werkzeug zur Waldbearbeitung ist groß, die Vorlieben verschieden, aber aufpassen muss man immer.

(Foto: Christian Endt)

Apropos Sägen, er erlebe immer mehr Frauen, die an Motorsägekursen teilnähmen, berichtet Hobmeier, der später an diesem Vormittag auch noch viel dazu zu sagen weiß, was man mit so einem Ding alles anrichten kann.

Doch zurück zu den Teilnehmerinnen der kleinen Vormittagsexkursion. Schnell wird klar, dass sie überwiegend aus der Landwirtschaft kommen, der Besitz und die Nutzung des Waldes gehört zur Familientradition. Aber eben zur männlichen. Eine Försterin wie Kerstin Joas oder ihre Kollegin bei der Waldbesitzervereinigung Lisa Beckert repräsentieren weniger als zehn Prozent aller Förster im Revierdienst. Wobei 25 Prozent aller Studierenden, die ein Studium im Forstbereich abschlössen, inzwischen Frauen seien, erläutert Forstingenieurin Beckert. Immerhin 40 Prozent des Privatwaldes in Bayern seien im Besitz von Frauen, die Prozentzahl der weiblichen Mitglieder in der Waldbesitzervereinigung liege sogar bei 60 Prozent. Kein Wunder, dass das Interesse, selbst in der Pflege und Sicherung des Eigentums aktiv zu werden, wächst.

Weltfrauentag Moosach: Nicht erst jetzt wird die Frau als Pflanzerin gesehen, erläutert Försterin Lisa Beckert anhand der Prägung einer 50-Pfennig-Münze, sie zeigt die Malerin und Kunstlehrerin Johanna Werner.

Nicht erst jetzt wird die Frau als Pflanzerin gesehen, erläutert Försterin Lisa Beckert anhand der Prägung einer 50-Pfennig-Münze, sie zeigt die Malerin und Kunstlehrerin Johanna Werner.

(Foto: Christian Endt)

"I mog mir nimmer ois erzählen lassen", sagt Monika Glonner auf die Frage, warum sie hier sei, während eine andere Teilnehmerin ihren Mann nicht mehr länger allein in den Wald schicken will. Eine Dritte hat schon einen Motorsägenkurs hinter sich, ist, wie etliche Teilnehmerinnen, mit professioneller Schutzkleidung ausgerüstet, und bringt ihre Motivation auf den Punkt: "Mir gefällt's einfach."

Einen Craskurs in Sachen Pflanzung, Jungwuchspflege, Durchforstung und Holzernte verabreichen die beiden Förster anschließend ihren Zuhörerinnen. Das Stückchen Wald, das die Förster ausgesucht haben und das zum Gebiet der Gemeinde Moosach gehört, bietet Anschauungsmaterial für eine Vielzahl von Entwicklungsstadien, vom kniehohen Bürstenwuchs dicht an dicht stehender Minikiefern, über mannshohe Baumgruppen, mehrere Meter hohe waldpflegerisch behandelte Schonungen mit Laubholzanteil aus Birken und Ahorn, einem seit der Neupflanzung nach Jahrhundertsturm Wiebke sich selbst überlassenen Stück Nadelwald, sowie einigen ungepflegten Fichtenschonungen mit oder ohne Unterholz - der schwarzen Wand, in der man sich schwertue, wirklich noch selbst pflegerisch tätig zu werden, erläutert Hobmeier, egal ob Frau oder Mann. Wenn es mal so weit gekommen sei, könne eigentlich nur noch eine Firma mit schwerem Gerät tätig werden - mit Kosten von 3500 bis 4000 Euro pro Hektar müsse man dann aber rechnen.

Weltfrauentag Moosach: Wenn die Spitze der Fichte nicht länger ist als die Seitentriebe, bekommt der Baum zu wenig Licht.

Wenn die Spitze der Fichte nicht länger ist als die Seitentriebe, bekommt der Baum zu wenig Licht.

(Foto: Christian Endt)

"Nichts tun, ist das Schlimmste, das ich dem Wald antun kann", erklärt Joas, dagegen "die Jungwuchspflege das Allerwichtigste. Wenn der Baum größer ist als ich, dann wird's richtig anstrengend." Und für den privaten Waldbesitzer nicht nur körperlich schwieriger, sondern auch gefährlicher. Ein Aspekt, der Thomas Hobmeier besonders am Herzen liegt. Er wisse allein von drei "Horrorunfällen" in diesem Jahr, von den vielen weiteren Verletzungen, die bei der Holzarbeit passierten, ganz zu schweigen. Was in erster Linie damit zusammenhänge, dass gerade von Männern, die seit Jahren ihren Wald selbst bearbeiteten, Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten würden - so wie Schnittschutzhosen, Sicherheitshelme, Ohrenschutz. Eine gewisse Beratungsresistenz habe er gerade bei jener Gruppe ausgemacht, die am meisten bei der Waldarbeit anzutreffen sei: Männer zwischen 45 und 70. Kaputte oder gar keine Schnittschutzhosen, abgelaufene Schutzhelme, ihm werde es ganz anders, wenn er so etwas sehe. "Mia kenna des guat", bekomme er dann zu hören. "Die Männer geben ihr Wissen oft über Generationen weiter, aber halt auch ihre Fehler", resümiert Hobmeier.

Weltfrauentag Moosach: Schutzausrüstung eines Waldarbeiters - ein Muss für jeden, der mit Waldwerkzeug arbeitet.

Schutzausrüstung eines Waldarbeiters - ein Muss für jeden, der mit Waldwerkzeug arbeitet.

(Foto: Christian Endt)

Grund genug für einen Exkurs in Auswahl und Gebrauch des geeigneten Werkzeugs. Kapitel eins: Baumbearbeitung per Hand. Eine ganze Strecke von durchaus martialisch wirkenden Ausrüstungsgegenständen breitet Hobmeier vor der Runde aus. Alles gut für die Jungwuchspflege, zur Herausnahme kleinerer Bäume, um Platz zu schaffen für jene Bäume, die groß werden sollen, die nur dann Standfestigkeit bekommen, wenn sie genug Licht und dann auch Wasser haben. Hämmer, Sägen und Zangen nimmt Hobmeier hoch, erklärt, warum er den Schweizer Gertel weniger mag - der Schwellungen wegen, die er nach acht Stunden Auslichten am kleinen Finger hat -, und warum die Schweizer Räumaxt, ein armlanges Holzgerät mit Kuhfuß sein "Favorit" ist. Es lasse sich gut halten und das scharfe Metallblatt könne man austauschen. Die vorwitzige Frage, ob man stattdessen nicht auch mit einer Machete arbeiten können, quittiert Hobmeier mit einem Seitenblick auf die beiden Vertreter der Berufsgenossenschaft, die den Ausflug in den Wald begleiten und den Worten. "Könnte sein, dass das dann unter das Waffengesetz fällt."

Weltfrauentag Moosach: Moritz fühlt sich recht wohl im Wald, zumindest, solange er Brotzeit machen kann.

Moritz fühlt sich recht wohl im Wald, zumindest, solange er Brotzeit machen kann.

(Foto: Christian Endt)

Definitiv auch als Waffe verwendbar, aber doch als Arbeitsmittel zugelassen, ist die Motorsäge, Kapitel zwei: Gleich mehrere Exemplare haben Joas und Hobmeier mitgebracht, wobei selbst das harmloseste Gerät, eine Säge mit Akku, noch seine Tücken hat. "Niemals den Akku drinlassen", mahnt Försterin Joas, vor allem nicht, wenn Kinder in der Nähe sind. Nur ein kleiner Knopf hemme das Sägeblatt, wenn der entsprechende Hebel gedrückt werde. Noch viel schlimmer aber ist die Motorsäge mit Benzin. Als Hobmeier sie anlässt, indem er wie bei einem alten Außenbordmotor mit zackigem Schwung den Zug bedient, wird der Kreis um ihn gleich ein Stückchen größer. Der kleine Moritz, der bisher tapfer mit durch den Wald gestapft ist, weint - aber nur kurz -, als das Ding mit knatterndem Lärm loslegt. Vertrauenerweckend ist anders, und außerdem: "Wenn du jedes Mal deinen Mann holen musst, um die Motorsäge anzuschmeißen", sagt Kirsten Joas mit Blick auf die kraftfordernde Startprozedur, "dann ist das entwürdigend." Und so gar nicht im Sinne des Weltfrauentags.

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