Heizungen:"Niemand rennt in den Keller und reißt das raus"

Heizungen: Robert Habeck geht auf dem Gelände der Firmengruppe Max Bögl auf einer schwimmenden PV-Anlage.

Robert Habeck geht auf dem Gelände der Firmengruppe Max Bögl auf einer schwimmenden PV-Anlage.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Wirtschaftsminister listet die Baustellen auf dem Weg zur Klimaneutralität auf. Hausbesitzer will er bei der Modernisierung der Heizung besonders unterstützen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Robert Habeck weiß, wie man Scheinwerfer anknipst. An diesem Donnerstag nutzt er dafür einen "Werkstattbericht". Kein Gesetz und keine Verordnung schreibt solche Berichte vor, aber so ein Blick in die Werkstatt zeigt doch zumindest, was noch zu tun ist. Habecks Werkstatt, das nur vorweg, ist zwar relativ gut aufgeräumt, aber alles darin ist unfertig. In seinen Schubladen fehlt noch einiges an Werkzeug, und ob alle, die hier ans Werk gehen sollen, das am Ende wirklich tun, ist auch noch nicht klar. Klar ist für Habeck an diesem Donnerstag nur eins: Nicht anfangen geht auch nicht. "Wenn wir wieder in die Bequemlichkeit zurückfallen, Dinge nicht zu tun, weil sie kompliziert sind", sagt der Grüne, "werden wir nicht nur die Klimaziele verfehlen, sondern auch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren." Und ja, kompliziert sind die Werkstücke.

42 Seiten umfasst der Bericht, er fasst noch einmal alles zusammen, was in nächster Zeit auf den Weg zu bringen ist auf dem Weg zur Klimaneutralität - oder, wie Habecks Ministerium schreibt: zur Erneuerung. Schnell wird deutlich: Diese Erneuerung geht an nichts und niemandem spurlos vorüber. Ein Überblick.

Klimafreundliche Wärme: Frühere Bundesregierungen schauten beim Thema Heizen zu allererst auf die Sanierung der Gebäudehülle. In Habecks Werkstatt dagegen liegen nun vor allem Pläne für die Hardware im Keller - die Öl- und Gasheizungen. Dass deren Austausch zwar einerseits unumgänglich, andererseits auch nicht billig sein wird, schwant auch dem Wirtschaftsminister. "Wenn man eine Villa für zehn Millionen saniert, wird man auch eine Wärmepumpe einbauen können", sagt er. Bei einem kleinen Häuschen und knappen Ersparnissen sehe das anders aus. "Da muss die Differenz weitgehend überbrückt werden. Daran arbeiten wir." Denn: "Niemand rennt in den Keller und reißt das raus", sagt Habeck mit Blick auf alte Öl- oder Gasheizungen. Es solle daher "zahlreiche Ausnahmen, Übergangslösungen und -fristen" geben. Woher das Geld kommen soll, ist allerdings noch unklar.

Ausbau des Ökostroms: Er steht im Zentrum der Habeck'schen Werkstatt. Schließlich sei die "ausreichende Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom" die Bedingung, um Verkehr, Gebäude und Industrie zu elektrifizieren - und zwar CO2-frei. Dazu muss sich die Ökostrom-Erzeugung binnen sieben Jahren mehr als verdoppeln. Diesen Freitag trifft sich Habeck dazu mit Vertretern der Solarbranche. Ziel ist ein "Solarpakt", der es der Photovoltaik leichter macht, sei es in Solarparks, auf Dächern oder an Balkongeländern. Knapp zwei Wochen später soll ein "Windgipfel" klären, wie sich der Ausbau der Windkraft weiter erleichtern lässt. Auch die zugehörigen Hersteller sollen in Deutschland wieder wachsen.

Umbau des Strommarktes: Weil Sonne und Wind nicht zuverlässig und jederzeit Energie schicken, braucht es ein neues Stromsystem. Es muss in der Lage sein, schnell einzuspringen, wenn die Erneuerbaren schwächeln. Bis zum Sommer soll eine "Kraftwerksstrategie" stehen, die diese Reserve ausbuchstabiert. Bis 2030 müssten zwischen 17 und 25 Gigawatt so genannte "steuerbare Leistung" entstehen. Wo dazu etwa Gaskraftwerke gebaut oder modernisiert werden müssen, sollen die schon bereit sein für die Verbrennung von Wasserstoff. Noch in diesem Jahr sollten erste Ausschreibungen für derlei Kraftwerke erfolgen, sagt Habeck. Wie weit der Weg noch ist, zeigen am Donnerstag allerdings auch Zahlen des Statistischen Bundesamts: Im Gaskrisen-Jahr 2022 stieg der Anteil der Kohle am deutschen Strommix auf ein Drittel - anstatt weiter zu schrumpfen. Wie das deutsche Stromsystem der Zukunft aussieht, daran werkelt derzeit ein Expertenzirkel.

Umbau der Infrastruktur: Neue Energien brauchen neue Netze. Und das betrifft nicht mehr nur den lange Jahre schleppenden Ausbau neuer Stromleitungen, sondern zunehmend auch den Wasserstoff. Noch in diesem Jahr soll ein "Wasserstoffbeschleunigungsgesetz" kommen, das Produktion und Transport des Gases vorantreibt. "Alles muss jetzt ein bisschen im Zeitraffer gehen", sagt Habeck. Gespräche über eine staatliche Unterstützung liefen derzeit mit der EU-Kommission. Allerdings ist bisher noch umstritten, wer das neue Netz stemmt, und ob es auf dem bisherigen Gasnetz aufbaut oder nicht. Sinnvoll, sagt Habeck, könnte eine Art "Gesamtentwurf" für das Wasserstoffnetz sein, um keine Region zu vernachlässigen.

Umbau der Industrie: Hier gibt es stapelweise Pläne und Ideen, viele kreisen um das Thema Wasserstoff. So soll die Stahlindustrie, in der deutschen Industrie der größte Klimasünder, von Koks auf Wasserstoff umsteigen, während in der Chemieindustrie mehr biobasierte Produkte zum Zuge kommen sollen - etwa Kunststoffe, die aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden. Die Autoindustrie wiederum will das Ministerium auf dem weg zum elektrischen Autoverkehr begleiten. Einzelne Branchen sollen Klimaschutzverträge abschließen können und so Mehrkosten erstattet bekommen. Andere sollen ihr Kohlendioxid abscheiden und unterirdisch speichern können, etwa in der Nordsee. Und damit alles seinen Rahmen bekommt, will Habeck noch in diesem Jahr eine neue Industriestrategie vorlegen. Da geht es zwar auch um Lieferketten und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, an erster Stelle allerdings um die "Transformation hin zur Klimaneutralität".

Ökostrom für die Industrie: Viele Unternehmen interessiert derzeit allerdings vor allem eins: günstiger Strom. Sie verlangen einen vergünstigten Industriestrompreis - doch in Habecks Werkstatt soll auch der in Richtung Umbau gedreht werden. So sollen Industrieunternehmen künftig Ökostrom zu vergünstigten Konditionen bekommen, und zwar zu dem Preis, den ein Windmüller für jede Kilowattstunde erlöst. Das allerdings erfordert ein neues Vergütungssystem und dauert noch. Für die Zwischenzeit gibt es noch weiter zu werkeln, an einer Übergangslösung.

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