Nahverkehr in Bayern:Junge Leute fahren bald für 29 Euro

Nahverkehr in Bayern: Junge Leute, die studieren, in Ausbildung sind oder einen Freiwilligendienst leisten, können von Herbst an das 29-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

Junge Leute, die studieren, in Ausbildung sind oder einen Freiwilligendienst leisten, können von Herbst an das 29-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr nutzen.

(Foto: Jürgen Ritter/imago images)

Ab Herbst können Studenten, Azubis und Freiwilligendienstleistende in Bayern ein vergünstigtes ÖPNV-Ticket kaufen, das bundesweit gültig ist. Ein Sozialticket wird es aber nicht geben. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Melissa Dennebaum, Andreas Glas und Lisa Schnell

Am 1. Mai soll es kommen, das Deutschlandticket im Nahverkehr, für 49 Euro pro Monat. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat im Wahljahr noch eins drauf gesetzt: Von diesem Herbst an soll es in Bayern ein zusätzlich verbilligtes Ticket für junge Leute geben, Preis: 29 Euro. Eine "sinnvolle Ergänzung" zum Deutschlandticket, findet Söder. Aber wie soll das 29-Euro-Ticket genau funktionieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Für wen und ab wann gilt das bayerische 29-Euro-Ticket?

Das Ticket sollen neben Auszubildenden und Studierenden auch diejenigen lösen können, die einen Freiwilligendienst leisten. Zum Beispiel Absolventinnen und Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder eines Freiwilligen Ökologischen Jahres. Startdatum ist am 1. September, wenn Azubis üblicherweise ihre Berufsausbildung beginnen. Für Studierende heißt das: Sie können das 29-Euro-Ticket nicht schon im Sommersemester kaufen, sondern erst zum Wintersemester 2023/24. Die Fahrkarte soll monatlich kündbar sein und nicht nur in Bayern gelten, sondern überall in der Bundesrepublik.

Warum kommt das bayerische 29-Euro-Ticket nicht schon im Mai, wenn das Deutschlandticket startet?

Bayerns Verkehrsministerium bezeichnet das Deutschlandticket als "Grundlage für das bayerische Ermäßigungs-Ticket". Den späteren Start des 29-Euro-Ticket begründet das Ministerium entsprechend damit, dass sich auch das Deutschlandticket verzögert hat, dessen Einführung mal für den 1. Januar 2023 geplant war - und auch jetzt sind noch nicht alle Details geklärt. Darüber hinaus ist von einer nötigen "Vorbereitungszeit vor Ort" die Rede, die einem früheren Start im Weg stehe.

Gibt es die Vergünstigung für junge Leute nur in Bayern?

Nein. Ähnliche Pläne gibt es zum Beispiel im Saarland, in Niedersachsen und Thüringen. Im Saarland übrigens soll das Ticket für junge Menschen nicht erst im September gelten, sondern schon zum 1. Mai.

Wie ist die Finanzierung des bayerischen 29-Euro-Tickets geregelt?

Die Kosten der Ermäßigung für Studierende, Azubis und Freiwilligendienstleistende wird der Freistaat tragen. Man werde "erhebliche Mittel in die Hand nehmen", sagt Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU). Konkretere Kostenschätzungen nennt sein Haus derzeit nicht.

Wird das 29-Euro-Ticket mit dem örtlichen Semesterticket verrechnet?

Das ist offenbar geplant, aber die Studierendenwerke verhandeln noch mit den Verkehrsverbänden. Vereinfacht gesagt gibt es wohl zwei Modelle, abhängig davon, wie das Semesterticket erhoben wird. Modell Nummer eins, wie es etwa die Uni Augsburg umsetzen will, erklärt Michael Noghero vom Studierendenwerk so: Die Studierenden zahlen das Semesterticket als Teil ihres Semesterbeitrags. Alle müssen zahlen, alle können den ÖPNV nutzen. In der Regel handelt es sich um kleinere Verkehrsverbünde, das Semesterticket ist meist nicht allzu teuer, in Augsburg kostet es derzeit 13,10 Euro im Monat. Wer dazu das 29-Euro-Ticket haben möchte, kann sein Semesterticket "upgraden", die schon bezahlten 13 Euro werden ihm angerechnet. Ähnlich soll von Mai an mit dem Deutschlandticket verfahren werden. So die Theorie. In der Praxis gibt es noch einige Fragen zu klären, etwa wie der Datenaustausch zwischen Verkehrsverbänden und Unis rechtlich einwandfrei laufen kann.

Modell Nummer zwei betrifft vor allem größere Verkehrsverbünde wie München oder Nürnberg. In Nürnberg gibt es etwa eine Basiskarte, die alle Studierenden zahlen müssen und die dazu berechtigt, abends oder am Wochenende zu fahren. Um Bus oder Bahn auch tagsüber zu nutzen, kann eine Zusatzkarte erworben werden, in Nürnberg für 222 Euro. Nur wer eine solche Zusatzkarte besitzt, bekommt einen Gutschein für ein Deutschlandticket, erklärt Uwe Scheer vom Studierendenwerk Nürnberg-Erlangen. Die Basiskarte wird nicht angerechnet. Wie mit dem angekündigten Jugendticket verfahren wird, sei noch nicht klar.

Was sagen die Studierenden?

Thorsten Utz, Sprecher der bayerischen Landesstudierendenvertretung, wünscht sich das, was wohl eh geplant ist: Das 49- und das 29-Euro-Ticket müssten auf die Semestertickets angerechnet werden, sagt er. Auch solle das Ticket freiwillig sein. "Ein überall verpflichtendes Solidarmodell ist etwas, was aus unserer Sicht nicht passieren darf. Das würde die Ausbildung an vielen Hochschulstandorten dramatisch verteuern." Außerdem stelle sich für die Studierenden die Frage, wie sich 49- und 29-Euro-Ticket langfristig entwickeln. Bleiben sie? Verteuert sich das 29-Euro-Ticket automatisch, wenn etwa das 49-Euro-Ticket teurer wird?

Utz schätzt, dass Studierende in großen Ballungszentren das 29-Euro-Ticket sehr stark nutzen werden, weil der Differenzbetrag nicht hoch wäre. Bei kleineren Hochschulen, deren Semesterbeiträge wesentlich unter dem Preis für die Tickets liegen, sei die Meinung gemischt. Hier geht er davon aus, dass vor allem Studierende das Ticket kaufen, die häufig pendeln und eine Strecke haben, die aus dem Geltungsbereich ihres Semestertickets herausgeht.

Hat ein Azubi bereits ein 365-Euro-Jahresticket gekauft, bekommt er den Differenzbetrag zum 29-Euro-Ticket erstattet?

Offenbar ja. Für Inhaberinnen und Inhaber des 365-Euro-Tickets werde man "gemeinsam mit den kommunalen Aufgabenträgern eine passgenaue Wechselmöglichkeit" erstellen, heißt es aus dem Verkehrsministerium.

Andere Bundespläner planen zusätzlich ein günstigeres Sozialticket. Bayern nicht. Warum?

Wieso nur Auszubildende und Studierende verbilligt reisen sollen, aber nicht etwa Arbeitslose oder alleinerziehende Mütter, ist Sozialverbänden wie der Arbeiterwohlfahrt nicht einsichtig. "Angesichts der aktuell für viele Bevölkerungsgruppen finanziell schwierigen Lage ist der Verzicht auf ein solidarisches Ticket, wie es beispielsweise Hessen zu planen scheint, schlichtweg ein sozialpolitischer Sündenfall", schreiben die Awo-Landesvorsitzenden Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl. Dabei hätte Bayern die Chance, selbst aktiv zu werden, "statt wie üblich mit dem Finger auf Berlin zu zeigen". Das geplante Modell in Hessen sieht von 1. Mai an ein 31-Euro-Ticket für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld, Wohngeld und Sozialhilfe vor. Kein Vorbild für Bayern? Die Antwort aus dem Verkehrsministerium fällt knapp aus. "Ein generelles Sozialticket", heißt es dort, "ist ohne weitere Beteiligung des Bunds finanziell nicht darstellbar."

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