Energiewende:Digitaler Blick in die Glaskugel

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Größere Freiflächen-Photovoltaikanlagen wie hier in der Nähe von Markt Schwaben könnten auch in Kirchseeon zur Energiewende beitragen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kirchseeon lässt für sein Gemeindegebiet einen Energienutzungsplan erstellen. Grundsätzlich hat der Ort bereits eine gute Basis - in einem Bereich gibt es aber viel Nachholbedarf.

Von Andreas Junkmann, Kirchseeon

Einen Blick in die Zukunft werfen zu können, diese Fähigkeit würde man sich wohl in vielen Rathäusern im Landkreis Ebersberg wünschen. Mit Hilfe der Energieagentur Ebersberg-München hat die Marktgemeinde Kirchseeon dieses Kunststück nun fertiggebracht - zumindest theoretisch. Seit Ende 2021 nämlich basteln die Energieexperten zusammen mit der Rathausverwaltung an einem sogenannten digitalen Energienutzungsplan. Dieses strategische Planungsinstrument soll einen Überblick über die momentane, aber auch über die zukünftige Energiebedarfs- und Versorgungssituation in der Gemeinde geben. Nun wurden die ersten Ergebnisse daraus vorgestellt - und die fallen eher durchwachsen aus.

Grundsätzlich gehe es beim digitalen Energienutzungsplan darum, zu schauen, was es in der Marktgemeinde braucht, um Treibhausgas-neutral werden zu können, sagte Sabine Hillbrand von der Energieagentur in der jüngsten Gemeinderatssitzung am Montagabend. Dieses Vorhaben verfolgt nicht nur Kirchseeon, auch der gesamte Landkreis Ebersberg hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 frei von fossilen Energieträgern zu werden. Um das zu schaffen, muss sowohl die Energieerzeugung, als auch der Energieverbrauch nachhaltig werden. Die Energieagentur hat deshalb nun eine Berechnung aufgestellt, wie dieser Weg für Kirchseeon aussehen könnte.

Der Strombedarf der Gemeinde wird bis 2030 um 30 Prozent steigen

Laut Sabine Hillbrand müsse man den Fokus vor allem auf den Wärmebereich und die Stromversorgung legen. "Wir wissen, dass die Nachfrage stark steigen wird", sagte die Energieexpertin über den letzteren der beiden Punkte. Das liege nicht zuletzt am Ausbau der E-Mobilität und der Elektrifizierung der Wärmeenergie. Für Kirchseeon jedenfalls hat die Energieagentur berechnet, dass die Nachfrage nach Strom bis 2030 um 30 Prozent steigen wird. Die gute Nachricht ist aber, dass die Marktgemeinde in diesem Bereich bereits jetzt recht gut aufgestellt ist. "Wir sehen grundsätzlich die Möglichkeit, die Stromerzeugung komplett regenerativ zu decken", so Hillbrand.

Dafür müssen jedoch möglichst viele der Maßnahmen umgesetzt werden, die die Energieagentur im Rahmen ihrer Analyse als besonders effektiv herausgearbeitet hat. Allen voran steht dabei natürlich die Nutzung der Windenergie. Zwar gibt es im Gemeindegebiet Kirchseeon derzeit noch keine entsprechende Anlage, das Potenzial dafür ist aber durchaus gegeben. Vor allem im Süden des Marktes könnte sich die Energieagentur den Bau mehrerer Windräder gut vorstellen. Und auch im Rathaus ist man dem Thema durchaus zugetan und hat bereits eigene Planungen angestoßen, um die Windenergie künftig nutzbar zu machen.

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Auch den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen treibt man in der Marktgemeinde bereits voran. Jüngst hatte der Gemeinderat entschieden, eine solche Anlage auf ein Feld zwischen Neukirchen und der Nachbargemeinde Zorneding zu errichten. Doch es gibt noch mehr Potenzial, wie eine Karte der Energieagentur zeigt. Vor allem im Süden und im Osten der Gemeinde wären weitere Anlagen denkbar, ebenso entlang der Bahnstrecke. Dafür gibt es seit Anfang dieses Jahres sogar eine Privilegierung, die Gemeinde müsste also keine Bauleitplanung mehr durchführen. "Wir bekommen deshalb jetzt schon vermehrt Anfragen", sagte Sabine Hillbrand.

Die Energieexpertin legte der Marktgemeinde auch ans Herz, sich an die Besitzer größerer Gebäude zu wenden, um die Möglichkeit auszuloten, auf deren Dächern großflächige Photovoltaikanlagen zu installieren. Auch auf die Betriebe solle das Rathaus aktiv zugehen, um um über die Möglichkeit von alternativen Energiekonzepten zu informieren.

Im Wärmebereich dürfte es für Kirchseeon schwer werden, fossilfrei zu werden

Während es im Strombereich also zahlreiche Stellschrauben gibt, an denen man in Kirchseeon in den kommenden Jahren drehen kann, sieht es bei der Wärme eher schlecht aus. "Für Kirchseeon dürfte es schwierig werden, im Wärmebereich fossilfrei zu werden", sagte Hillbrand. Dennoch dürfe man dieses Thema deshalb nicht einfach zu den Akten legen. Möglichkeiten wären hier etwa der Aufbau eines Fernwärmenetzes, der Einsatz von oberflächennaher Geothermie oder der Plan, bei Neubaugebieten gleich auch nachhaltige Wärmelösungen mitzudenken. Hillbrand spielte dabei vor allem auf die geplante Entwicklung des ehemaligen Bahnschwellengeländes an.

Unterm Strich ergeben sich durch den digitalen Energienutzungsplan eine ganze Menge an Hausaufgaben für den Markt Kirchseeon. Dass sich diese einfach so erfüllen lassen, sah der ein oder andere im Gremium kritisch. "Ich halte diese Ausbauziele für völlig unrealistisch", sagte etwa Peter Kohl (CSU), der die Pläne deshalb als "Luftschloss" bezeichnete. Die Ausbaugeschwindigkeit müsste sich dafür um ein Vielfaches erhöhen, so der CSU-Gemeinderat, der deshalb dafür plädierte, sich vor allem auf Freiflächen-Photovoltaik zu konzentrieren. "Da können wir als Gemeinde noch am besten eingreifen."

Dass sich der Energienutzungsplan nicht von alleine umsetzen wird, ist auch Bürgermeister Jan Paeplow (CSU) klar. Es gehe nun darum, die einzelnen Punkte nach und nach abzuarbeiten. Man sei zwar auf einem guten Weg, aber es gebe eben noch einiges zu tun, so der Rathauschef. "Wir müssen auch schauen, wo wir eventuell ein bisschen Kreativität walten lassen müssen."

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