"Iran und die Bombe" im ZDF:Kernspaltung

"Iran und die Bombe" im ZDF: Hier bitte recht vorsichtig drücken: Schah Reza Pahlevi (rechts) startet 1967 Irans ersten Atomreaktor.

Hier bitte recht vorsichtig drücken: Schah Reza Pahlevi (rechts) startet 1967 Irans ersten Atomreaktor.

(Foto: Mehdi Saaram/ZDF)

Ein Doku-Zweiteiler von ZDFinfo dröselt die Geschichte des iranischen Atomprogramms auf. Ziemlich detailliert.

Von Carim Soliman

Nichts versorgt Albträume so zuverlässig mit Stoff wie Abgründe aus der eigenen Schulzeit. Prüfungsangst und Sportumkleide sind vielbeachtete Genreklassiker, unterschätzt hingegen: quälend dröge Geschichtslehrer. Typus Studienrat alter, nun ja: Schule, der Betroffene auch Jahrzehnte später nachts mit Overheadprojektionen des karolingischen Stammbaums heimsucht. Pippin, Ludwig, Karl, Pippin, Hilfe.

Man täte Klaus Wollscheid Unrecht, würde man ihn einfach in eine Reihe mit albtraumhaften Geschichtslehrern stellen. In der zweiteiligen Dokumentation Iran und die Bombe für ZDFinfo beleuchtet er die Geschichte des iranischen Atomprogramms und holt dafür weit aus: 1957, kalter Krieg, atomares Wettrüsten. Auch kleinere Staaten streben nach der Bombe. Ausgerechnet deshalb liefern ausgerechnet die USA, heute neben Israel erklärter Erzfeind Irans, buchstäblich das Grundgerüst für die nukleare Infrastruktur im Land.

Wollscheid leiert nicht einfach die Geschehnisse herunter. Er setzt sie in Kontext, erklärt Zusammenhänge: Was versprechen sich die Protagonisten von ihren Entscheidungen und warum? Gehen ihre Pläne auf? Das eindrucksvolle Archivmaterial tut sein Übriges für eine stimmungsvolle Erzählung: charismatische Machtmenschen hinter Hornbrillen (später auch unter Turbanen), Atompilze, das geschäftige Treiben der Straßen des alten Teheran.

Die Mullahs profitierten letztlich von der Unterstützung des Westens für den Schah

Die jüngere iranische Geschichte ist mit ihren Twists und nahezu überlebensgroßen Charakteren auch dankbarer Stoff. Die Westmächte sollten es bald bereuen, geopolitisch auf Iran und seinen Monarchen gesetzt zu haben, Mohammad Reza Schah Pahlavi. Einige früher als andere - Stichwort: aus der Geschichte lernen. Vor allem die USA hegten zunehmend Zweifel an der Absichtserklärung des Schah, Atomenergie nur zivil einzusetzen. Ganz anders Deutschland, das bis zum Sturz des Monarchen 1979 an der Unterstützung seines Atomprogramms festhielt. Dem Klerus um Ayatollah Chomeini, der anschließend die Macht in Iran übernahm, viel somit ein viel weiter fortgeschrittenes Programm in die Hände.

Im zweiten Teil der Doku kommen dann doch schlechtere Erinnerungen aus Schulzeiten hoch. Er widmet sich auf selber Länge nur den vergangenen zwei Jahrzehnten, zeigt, wie öffentlich wurde, dass Iran heimlich sein Atomprogramm weiterentwickelt und wie die Weltgemeinschaft damit umgeht. Obwohl er einen kürzeren Zeitraum abdeckt, wirkt dieser Teil gehetzter, verliert im Klein-klein den Blick für das große Ganze. Der Film springt von Diplomatentreff zu Diplomatentreff, rattert von einer Pressekonferenz zur nächsten. Washington, Wien, Isfahan, Wien, Hilfe.

Auf eindrucksvolle Bilder kann sich Wollscheid dann auch nicht mehr stützen. Die nachgestellte Übergabe eines brisanten Laptops erinnert an Stock-Footage aus einer der unteren Schubladen. Schon im ersten Teil kommen viele Expertinnen und Zeitzeugen zu Wort, um das Erklärte einzuordnen und den Film optisch aufzulockern. Aber im zweiten kommt man mit dem Bauchbindenlesen kaum noch hinterher. Hätte es wirklich so viel Off-Kommentar gebraucht? Etwa von Ali Asghar Soltanieh, einem iranischen Diplomaten, der lediglich die offizielle Linie Teherans wiedergibt?

Letzten Endes ist Iran und die Bombe mehr Chronik als Analyse, mehr Overhead als Powerpoint. Durchaus informativ und stellenweise packend geht der Dramaturgie irgendwann einfach die Puste aus.

Iran und die Bombe, am Mittwoch um 20.15 Uhr und 21 Uhr auf ZDFinfo oder vorab in der ZDF-Mediathek.

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