Klimaschutz:Salto rückwärts

Klimaschutz: "Rechtsverbindliche Lösung": Die FDP will Autos mit Verbrennungsmotoren weiter zulassen, wenn die Abgase "klimaneutral" sind.

"Rechtsverbindliche Lösung": Die FDP will Autos mit Verbrennungsmotoren weiter zulassen, wenn die Abgase "klimaneutral" sind.

(Foto: imago, Collage: SZ)

Deutschland hatte dem Aus für Autos mit Verbrennungsmotoren im Jahr 2035 schon zugestimmt. Verkehrsminister Volker Wissing will davon nichts mehr wissen. Das sorgt jetzt in der EU für Streit und Unmut.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Als die Berliner Regierungskoalition vergangene Woche zu ihren Friedensverhandlungen auf Schloss Meseberg zusammentraf, stand ein Elefant im Raum. Es war Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der diese Metapher mit Blick auf die deutsche Blockade des EU-Verbots für Autos mit Verbrennungsmotor bemühte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war angereist und saß mit am Tisch, was die Möglichkeit bot, das Thema noch einmal auf höchster Ebene zu platzieren. Schließlich drängt die Zeit. Von der Leyens Antwort aber fiel knapp aus, so schildert es einer, der dabei war: Da brauche man jetzt einen "Prozess", soll die CDU-Politikerin bloß gesagt haben. Und das unterstütze sie.

Dieser Prozess läuft nun seit zwei Wochen, und leider ist er komplizierter als erhofft. Eine für Anfang März im EU-Ministerrat terminierte Schlussabstimmung über ein De-facto-Verbot von Verbrennungsmotoren in Neuwagen war in letzter Minute am Widerstand Wissings und der FDP gescheitert. Sehr zum Ärger der Brüsseler Institutionen - und des von der Grünen Steffi Lemke geführten Bundesumweltministeriums. Dessen Beamte hatten den Kompromiss bis zur Einigung im vergangenen Herbst federführend ausgehandelt. Die Verordnung, nach der Neufahrzeuge innerhalb der EU von 2035 an im Betrieb keine Treibhausgase mehr ausstoßen dürften, ist Kernbestandteil einer Reihe von ambitionierten Klimaschutzgesetzen der EU. Die sollen bis zur Europawahl im kommenden Jahr möglichst vollständig verabschiedet sein. Mit dem Streit um das Verbrenner-Aus steht auf einmal der gesamte Zeitplan für den "Green Deal" infrage.

Gespräche zwischen Beamten des sozialdemokratischen EU-Umweltkommissars Frans Timmermans und der Bundesregierung verliefen einstweilen ohne Ergebnis. Stattdessen wuchs die Allianz gegen das Verbrenner-Aus unter den EU-Mitgliedstaaten, mit einem Treffen der Verkehrsminister aus gut einem Dutzend EU-Staaten am Montag als vorläufigem Höhepunkt. In der Gruppe der Widerständler macht Deutschland gemeinsame Sache mit Italien, Polen, Bulgarien und Tschechien; zuletzt gesellte sich auch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer dazu. Gemeinsam können sie das zwischen Kommission, EU-Parlament und Rat fertig verhandelte Aus des Verbrenners weiter blockieren. Denn in der Schlussabstimmung im Rat braucht es eine qualifizierte Mehrheit - 55 Prozent der EU-Staaten, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren, müssen zustimmen.

Klimaschutz: "Wir wollen was Konkretes sehen": Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verweigert dem Aus für Verbrenner seine Zustimmung.

"Wir wollen was Konkretes sehen": Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) verweigert dem Aus für Verbrenner seine Zustimmung.

(Foto: Carsten Koall/Getty Images)

Man benötige jetzt eine Antwort der Kommission darauf, wie klimaneutrale Autos technologieoffen weiterbetrieben werden könnten, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach dem Treffen in Straßburg: "Wir wollen was Konkretes sehen, damit sind wir uns auch mit anderen einig." Die bisherigen Vorschläge der EU-Kommission seien zu weich, heißt es aus FDP-Kreisen. Reine Absichtserklärungen reichten nicht. Man brauche eine "rechtsverbindliche Lösung", wie klimaneutrale Autos technikoffen weiterbetrieben werden könnten. Erst, wenn so etwas auf dem Tisch liege, könne Deutschland zustimmen. "Wir wissen, wo jetzt noch Hürden zu nehmen sind, und ich bin zuversichtlich, dass wir vielleicht diese Woche schon weiterkommen", sagte Wissing.

Der Wunsch der schwedischen Ratspräsidentschaft, das Thema an diesem Donnerstag in der Sitzung des Umweltministerrats abzuräumen, ist kaum noch zu erfüllen. Wissings tschechischer Kollege Martin Kupka ließ am Montag in Straßburg wissen, man werde der Kommission in den kommenden Tagen einen Forderungskatalog zukommen lassen. Der soll gleich drei strittige Verkehrsgesetze adressieren. Neben den Emissionsgrenzwerten für Autos geht es auch um die neue Abgasnorm Euro-7 und Effizienzvorgaben für Lkw und schwere Nutzfahrzeuge. Zu beiden Themen stehen auf EU-Ebene ebenso schwierige Verhandlungen an.

Während die Anti-Verbrenner-Aus-Allianz nun Druck auf die Kommission macht, spielen EU-Abgeordnete den Ball zurück an die Bundesregierung. Sollte es nichts werden mit einer Abstimmung im Umweltrat diese Woche, müsse das Thema in den Koalitionsausschuss in Berlin, heißt es aus den Reihen der Grünen im Europäischen Parlament.

Als Advokat des umstrittenen Gesetzes präsentiert sich auch Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Er könne den großen französischen Autokonzernen, Stellantis und Renault, nicht sagen, sie müssten auf E-Mobilität umstellen und anschließend erklären, man halte dennoch ein bisschen an der Verbrennertechnik fest, sagte er. "Wirtschaftlich ist das widersprüchlich, industriepolitisch ist das gefährlich, das ist nicht in unserem nationalen Interesse, das ist nicht im Interesse unserer nationalen Hersteller, und vor allem ist es nicht im Interesse des Planeten."

Klimaschutz: "Das ist nicht in unserem nationalen Interesse": Frankreichs Finanzmister Bruno Le Maire macht sich für das Verbrenner-Aus stark.

"Das ist nicht in unserem nationalen Interesse": Frankreichs Finanzmister Bruno Le Maire macht sich für das Verbrenner-Aus stark.

(Foto: Yves Herman/REUTERS)

Nach der heftigen Kritik an Deutschlands Last-minute-Blockade tritt damit eine zusätzliche Konfliktlinie zutage: noch ein Thema, bei dem Frankreich und Deutschland über Kreuz liegen, eine zusätzliche Last für das ohnehin unterkühlte Verhältnis zwischen Berlin und Paris. Auf der Seite der Befürworter in Sachen Verbrenner-Aus stehen außerdem Spanien, Belgien und die Niederlande sowie Schweden, Dänemark und Irland.

All diese europäischen Partner hat die Bundesregierung mit der späten Umkehr irritiert, und die EU-Institutionen sowieso. Aus Sicht der FDP hat sich Deutschland zwar spät, aber gerade noch rechtzeitig zum Retter des Verbrennungsmotors und der Technikneutralität aufgeschwungen. Aus Brüsseler Perspektive hat Wissing mit seiner Blockadehaltung die Grundlagen der EU-Gesetzgebung beschädigt, mit ungeahnten Folgen für künftige Verhandlungen vor allem über Klimaschutzgesetze. Italiens postfaschistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wusste schon zu triumphieren: Man habe die Deutschen umgedreht.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels war von einem "EU-Verbot für Verbrennungsmotoren" die Rede. Tatsächlich geht es in dem Gesetz um Verbrennungsmotoren in Pkws und Kleintransportern. Das haben wir nachträglich präzisiert.

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