Klimaproteste:Verfassungsschutz-Präsident sieht "Letzte Generation" nicht als extremistisch an

Klimaproteste: Möglicherweise mit einzelnen Aktionen gegen das Gesetz, aber nicht extremistisch: Der Verfassungsschutz hat sich zur Gruppe "Letzte Generation" geäußert.

Möglicherweise mit einzelnen Aktionen gegen das Gesetz, aber nicht extremistisch: Der Verfassungsschutz hat sich zur Gruppe "Letzte Generation" geäußert.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

"Klima-RAF", "Taliban", "brandgefährlich": Teile der Klimabewegung werden mit harten Worten angegangen, nicht nur von der konservativen Opposition, sondern auch von Regierungsvertretern. Nun versucht Thomas Haldenwang die Debatte zu versachlichen.

Wie ist das Verhalten von Aktivistinnen und Aktivisten zu bewerten, die sich auf Straßen festkleben und den Verkehr aufhalten, sich an Werkstoren festketten, Bilder und Skulpturen mit Farbe überschütten - alles mit dem Ziel, die Politik dazu zu zwingen, auf ihre Forderung einzugehen, die da ist, die Klimakatastrophe abzuwenden?

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt etwa warnte angesichts der Proteste von dem Entstehen einer "Klima-RAF", die Mitglieder der "Letzten Generation" seien in der Gefahr, sich ähnlich zu radikalisieren und in Gewalt abzurutschen, wie damals die Terroristen um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof Anfang der siebziger Jahre. Dass oppositionelle Unionspolitiker sich gegen die radikalen Klimabewegung positionieren, um Punkte bei ihrer bürgerlichen Wählerschaft zu machen, überrascht wenig. Aber die Empörung über die "Letzte Generation" reicht weit ins Regierungslager. FDP-Chef Christian Lindner etwa nannte die Proteste "brandgefährlich". Und SPD-Politiker Michael Roth ging noch weiter in seiner Überspitzung und verglich die Methoden der Aktivistinnen und Aktivisten mit den Taliban in Afghanistan.

Nun hat sich ein Mann geäußert, der im Zweifel qua Amt befugt wäre, eine Einschätzung zu geben, ob das Verhalten der "Letzten Generation" als ziviler Ungehorsam zu bewerten ist oder eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung darstellt: Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang.

Haldenwang versucht in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Debatte zu versachlichen: Er sehe aktuell keine hinreichenden Anhaltspunkte, die Klimagruppe "Letzte Generation" als extremistisch einzuschätzen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Gruppe teilweise kriminell agiere.

Man sei jedoch wachsam und habe mögliche Radikalisierungen in der Klimabewegung im Blick. "Der Verfassungsschutz schaut täglich genau hin, wie sich die Situation weiterentwickelt", sagte Haldenwang. Der Spiegel hatte am Wochenende berichtet, das Bundesamt für Verfassungsschutz habe die "Letzte Generation" bereits vor einem halben Jahr zum "Prüffall" erklärt und ein entsprechendes Verfahren eingeleitet. Der Verfassungsschutzpräsident sagte dazu, es sei ihm "untersagt, über Prüffälle zu sprechen". Haldenwang wies ohne Bezug zur "Letzten Generation" jedoch darauf hin, dass ein Prüffall ein standardisiertes Verfahren sei, das eingeleitet werden müsse, damit der Verfassungsschutz überhaupt mit einer Prüfung beginnen könne. Damit sei nicht automatisch eine qualitative Einschätzung verbunden.

Die Ende 2021 gegründete "Letzte Generation" hatte am 24. Januar vergangenen Jahres erstmals in Berlin Autobahnzufahrten blockiert. Danach folgten mit Unterbrechungen fast täglich derartige Blockaden sowie Proteste in Museen, Stadien, an Erdölpipelines oder Flughäfen. Die Aktivisten fordern generell die Abkehr von fossilen Energien wie Öl, Gas und Kohle. Konkrete Forderungen in der aktuellen politischen Debatte sind ein Neun-Euro-Ticket für alle sowie ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen.

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