Hörspiel "Echo. Burlesque":Am Klang lang

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(Foto: Stefan Dimitrov (Illustration))

Der Lyriker Jan Wagner gibt der Nymphe Echo in seinem feinsinnigen Hörspiel ihre eigene Stimme zurück.

Von Stefan Fischer

Auch sie hat der unbarmherzige Zeus auf dem Gewissen - dieser Harvey Weinstein des Olymp, dieser göttliche Ur-Frauenverschleißer und -missbraucher. Die Nymphe Echo hatte er einst engagiert, damit sie seiner Gattin Hera Geschichten erzählt und sie somit ablenkt, wenn er mal wieder anderen Frauen an die Wäsche gegangen ist. Hera ist ihm auf die Schliche gekommen, klar, doch die Leidtragende von Zeus' Übergriffen war Echo: Hera hat sie ihrer Stimme beraubt, damit sie niemanden mehr betören konnte mit ihren einnehmenden Erzählungen. Echo konnte fortan nur noch die jeweils letzten Worte nachplappern, die jemand an sie gerichtet hatte.

Bis sich der Lyriker Jan Wagner ihrer erbarmt hat. In seinem Hörspiel Echo. Burlesque findet die Nymphe ihre Stimme wieder - mühsam und nur ganz allmählich zwar, dabei zögerlich tastend, sich oftmals verhaspelnd, versprechend. Aber es wird eben doch ein Sprechen daraus. Wie schrecklich die Zeit, als ihre eigene Sprache versiegte und ihr Name zum Synonym für den schalen Nachhall des von anderen Gesprochenen und Gedachten wurde: "Die Wörter nicht mehr erinnern. Silben verlieren wie Kleingeld."

Irgendwann dann nur noch Laute. Mit einem Wasserplätschern, einem Donnergrollen, einem Säuseln des Windes beginnt dieses Hörspiel auch, das Leonhard Koppelmann inszeniert hat und zu dem Sven-Ingo Koch seine Kompositionen beigesteuert hat. Zusammen mit dem Autor Jan Wagner ein miteinander vertrautes Hörspiel-Trio.

Irgendwann kann Echo wieder klagen und zanken, kämpfen und zurückweisen

Ein Trio auch die Besetzung: Maren Eggert, Lou Strenger und Bettina Engelhardt "stammeln am Klang lang", wie es an einer Stelle heißt. Als Stottertante und Stammeltrine wird Echo einmal verunglimpft. Aber sowohl das geringe Selbstwertgefühl der Nymphe als auch der Spott anderer über sie verkennen, mit wie viel Kraft und Sinn für Poesie, mit welcher Liebe zur Sprache und mit welchem Bewusstsein für die Raffinesse von Bedeutung und Tonalität hier jemand sich eine Deutungshoheit zurückerobert.

Eggert, Strenger und Engelhardt spielen das auf eine ganze zarte, fein austarierte und doch bestimmte Weise, ihre Stimmen werden ein organischer Teil der sehr musikalischen und geräuschaffinen Inszenierung, Teil einer ganzheitlichen Komposition. Und irgendwann hat Echo so viel Ausdruckskraft zurückerlangt, dass sie klagen und zanken kann, kämpfen und zurechtweisen. Sie liebt Narziss, aber der liebt bekanntlich nur sich. Darf hier aber nichts sagen, ist nur existent in Echos Erinnerungen. Sie dreht also den Spieß um, ist wieder die, die bestimmt, wohin sich die Erzählungen entwickeln.

Ob sich ihr Sehnen nach Narziss erfüllt, ist unterdessen eine andere Frage. Die beantwortet Jan Wagner nicht in Echo. Burlesque, er deutet ein Happy End nicht einmal an. Aber allein, dass Echo nicht mehr anderen nach dem Mund reden muss, lässt zumindest möglich erscheinen, dass sie für sich gewinnen kann, was sie sich erhofft. Eines jedenfalls, das begreift man im Lauf dieser Geschichte, hat sie gelernt: berechnend zu sein. Speziell in Bezug auf Kerle.

Echo. Burlesque, DLF, 18. März 2023, 20.05 Uhr.

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