Kriminalstatistik 2022:Immer mehr Kinder und Jugendliche werden zu Tätern

Kriminalstatistik 2022: Die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022.

Die polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Münchner Polizei präsentiert die Kriminalstatistik des vergangenen Jahres: Wie viele Verbrechen es gab, wie die Stadt im deutschlandweiten Vergleich abschneidet - und welche Entwicklungen den Beamten Sorge bereiten.

Von Joachim Mölter

"Es ist jetzt zum 47. Mal so, dass München die sicherste Großstadt Deutschlands mit mehr als 200 000 Einwohnern ist" - dieses Fazit zog Polizeipräsident Thomas Hampel am Freitag bei der Vorstellung des Sicherheitsreports für das Jahr 2022. Seine Freude trübte auch nicht, dass die Gesamtzahl der Straftaten im Vergleich zu 2021 um 5,1 Prozent auf 91 532 gestiegen ist (ohne Verstöße gegen das Ausländerecht). Es sei ja abzusehen gewesen, dass die Deliktzahlen nach der Corona-Pandemie und der Aufhebung aller Einschränkungen wieder zunehmen, erklärte Hampel. Deshalb sei bei der Einordnung der Kriminalstatistik vor allem das Jahr 2019 als Referenzgröße herangezogen worden, das letzte vor der Pandemie.

Auch bei diesem Vergleich schneidet das für die Stadt und den Landkreis zuständige Münchner Polizeipräsidium gut ab: Die Zahl der Straftaten ist im Vergleich zu 2019 (97 628) um 6,2 Prozent zurückgegangen. Die sogenannte Häufigkeitszahl der Straftaten je 100 000 Einwohner liegt aktuell bei 4951 Vergehen in Stadt und Landkreis. Selbst wenn man nur die Häufigkeitszahl für die Stadt zugrunde legt (5413), kommt München weitaus besser weg als Hamburg (10 633), Köln (11 538) und Frankfurt (12 018). Berlin hat seine Kriminalitätsstatistik für 2022 noch nicht veröffentlicht, 2021 lag die Häufigkeitszahl bei 12 803.

Die Aufklärungsquote in München liegt dabei weiter auf einem hohen Niveau: 56 380 gelöste Fälle bedeuten 61,6 Prozent. In den besonders öffentlichkeitswirksamen Deliktfeldern wurden im vergangenen Jahr 26 versuchte und elf vollendete vorsätzliche Tötungsdelikte registriert, neun weniger als 2021. Bis auf ein versuchtes Tötungsdelikt konnten in allen Fällen Tatverdächtige ermittelt werden. "Mit Blick auf unsere Gesamtbilanz bin ich sehr zufrieden und stolz", resümierte Hampel.

Allerdings gibt es auch Entwicklungen, die dem Polizeichef Sorgen machen. So hat die Gewaltkriminalität deutlich zugenommen: Im vergangenen Jahr registrierte die Münchner Polizei 4510 Straftaten wie Mord, Totschlag, Körperverletzung, Raub und sexuelle Übergriffe - eine Zunahme von 16,6 Prozent im Vergleich zu 2019.

Innerhalb der Gewaltkriminalität haben die Raubdelikte mit 703 Taten sogar ein Zehn-Jahres-Hoch erreicht. Auch die Altersstruktur der Täter und Tatverdächtigen habe sich seit 2013 auffallend gewandelt, führte Hampel aus: Kinder und Jugendliche nehmen einen immer größeren Anteil ein.

In der Gesamtstatistik ist die Zahl der tatverdächtigen Kinder unter 14 Jahren im Vorjahresvergleich um 28 Prozent und im Vergleich zu 2019 sogar um 48 Prozent auf 1310 gestiegen. Bei den Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren stieg die Zahl vom Stand 2021 aus um acht Prozent bzw. von 2019 aus um knapp drei Prozent auf 3709 Verdächtige. Bei der Beteiligung an Raubdelikten und Körperverletzungen haben diese Altersgruppen die höchsten Werte der vergangenen zehn Jahre erreicht.

Erwin Frankl, der Leiter der Verbrechensbekämpfung, hat beobachtet, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Taten häufig filmen und auf digitalen Plattformen verbreiten. "Damit scheint sich eine gewisse Machtdemonstration zu verbinden", vermutet Frankl. Offenbar inspiriert von Musikvideos "inszenieren sie sich als Gangster, die ihre Hood verteidigen". Die genaue Ursachenforschung wollte Frankl den Kriminologen überlassen, von Jugendeinrichtungen hat er jedoch gehört, dass die Einschränkungen während der Corona-Pandemie durchaus eine Rolle spielten.

Ungebrochen war laut Hampel auch der Trend zur Verlagerung von Straftaten ins Internet, wo es gegenüber 2019 teils drastische Steigerungen gab. In Sachen Cyber-Kriminalität verzeichnete die Münchner Polizei einen Anstieg um rund 64 Prozent. Beim Trickbetrug mittels Callcentern oder Nachrichtendienste ist im vorigen Jahr ein Vermögensschaden von fast zehn Millionen Euro entstanden.

Besonders extrem stiegen im Internet jedoch die Verfahren wegen der Verbreitung (kinder-) pornografischer Inhalte: Da gab es während der Corona-Pandemie gleich ein Plus von 131,4 Prozent gegenüber 2019. Die diesbezüglichen Verfahren (348) übertrafen 2022 sogar die Delikte Vergewaltigungen, sexuelle Nötigung und sexuelle Übergriffe (308) - obwohl auch deren Zahl nach der Corona-Pandemie deutlich zugenommen hat, so wie generell die der Sexualdelikte.

Was bei der Präsentation der Kriminalstatistik noch auffiel: Nachdem wieder weniger zu Hause gearbeitet wird, nahmen die Wohnungseinbrüche wieder zu - vom historischen Tiefststand 415 im Jahr 2021 auf 553 im vergangenen Jahr. Im Vergleich zu 2019 ist das freilich immer noch bloß die Hälfte.

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