Türkei:Erdoğan öffnet sich den Finnen

Türkei: Finnlands Präsident Sauli Niinistö reiste zur Einigung über den Nato-Beitritt seines Landes zu Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan in den Istanbuler Regen.

Finnlands Präsident Sauli Niinistö reiste zur Einigung über den Nato-Beitritt seines Landes zu Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan in den Istanbuler Regen.

(Foto: Murat Cetinmuhurdar/Reuters)

Der türkische Präsident gibt seine monatelange Blockade gegen Finnlands Nato-Beitritt auf. Schweden lässt er weiter zappeln.

Von Raphael Geiger, Istanbul

Am Freitagnachmittag sprach der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die magischen Worte: "Mit Finnland wird die Nato stärker", sagte er. Das türkische Parlament werde die Ratifizierung des finnischen Beitritts zur Nato beginnen. Damit geht ein monatelanges Ringen zwischen der türkischen Regierung und dem Militärbündnis zu Ende, das neben Finnland auch Schweden aufnehmen will. Den schwedischen Beitritt blockiert die Türkei weiterhin.

Erdoğans finnischer Amtskollege Sauli Niinistö war schon am Donnerstag in die Türkei gereist, zunächst nach Kahramanmaraş im Erdbebengebiet. Tags darauf stand er im Präsidentenpalast in Ankara neben Erdoğan und lobte diesen als "einen der wenigen, wenn nicht den einzigen" Staatschef, der mit allen Seiten in Kontakt sei - also mit dem Westen wie auch mit Russland.

Schweden und Finnland, bisher neutral, hatten sich vergangenes Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zu einem Nato-Beitritt entschlossen. Dem müssen alle 30 Nato-Mitglieder zustimmen. Dagegen kam Widerstand aus Ungarn und aus der Türkei. Der ungarische Premierminister Victor Orbán nimmt den nordischen Ländern übel, dass sie seinen autoritären Regierungsstil kritisieren. In der Türkei ging es vor allem um die Haltung der Skandinavier gegenüber den Kurden, in Schweden leben viele kurdische Dissidenten.

Von Schweden verlangt die Türkei, einige Kurden auszuliefern

Die Türkei forderte nicht nur, dass Schweden und Finnland sich klar gegen die kurdische PKK stellen. Sie verlangt von Schweden auch nach wie vor die Auslieferung einiger Personen. Etwa eines Journalisten, dem Ankara vorwirft, am Putschversuch im Jahr 2016 beteiligt gewesen zu sein. Das oberste schwedische Gericht hat die Auslieferung abgelehnt.

Erdoğan hatte zuletzt signalisiert, dass er sich zunächst den finnischen Beitritt vorstellen könnte. Den Finnen hatte er dabei zu verstehen gegeben, dass er gerne Präsident Niinistö persönlich in Ankara empfangen würde, um, wie es hieß, die Sache unter vier Augen beizulegen. Als die beiden nun im Palast vor die Presse traten, gab sich Erdoğan gönnerisch. Finnland habe "konkrete Schritte" unternommen, man habe die türkischen Sicherheitsbedenken ernst genommen.

Erdoğan kann die Einigung mit Finnland im beginnenden türkischen Wahlkampf als Sieg verkaufen. Er macht damit klar, dass er seine Blockade nur bei echten Zugeständnissen aufgibt. Solchen, die er von der schwedischen Seite nicht sieht. Er wird die nächsten Wochen immer wieder darauf hinweisen, dass sich Stockholm nicht genügend bewege und den "Terroristen" gegenüber zu nachsichtig sei.

Auch Ungarn dürfte seine Blockade aufgeben - zumindest teilweise

Daneben zeigt Erdoğan der Nato mit dem Finnland-Deal, dass er grundsätzlich zum Einlenken bereit ist. Damit erhöht er auch den Druck auf Schweden, auf die Türkei zuzugehen. "In Schweden demonstrieren die Terroristen noch immer frei auf der Straße", sagte Erdoğan. Man habe den Schweden eine Liste mit 124 Personen übergeben, die man ausgeliefert haben wolle. Ohne eine positive Antwort darauf nütze es auch nichts, so Erdoğan, wenn der schwedische Premierminister "ein netter Kerl" sei.

In Stockholm und bei der Nato in Brüssel hofft man, dass sich Erdoğans Widerstand nach den türkischen Wahlen von alleine erledigt. Erdoğan hat in der Vergangenheit oft gezeigt, dass er flexibel sein kann, wenn sich die Gegenseite zumindest ein wenig bewegt.

Die türkische Opposition hat angekündigt, dass sie im Fall eines Wahlsiegs nichts gegen den schwedischen Beitritt einzuwenden hätte. Dieser würde der Sicherheit der ganzen Nato dienen, sagte der außenpolitische Berater des Präsidentschaftskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu. Der positioniert sich damit pro-westlich, während Erdoğan im Ukraine-Konflikt die Balance hält: zwischen Unterstützung für Kiew und einem weiterhin freundschaftlichen Verhältnis mit Wladimir Putin.

Die Türkei beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Russland, das Land ist nach wie vor für russische Flüge geöffnet. Erdoğans Blockade gegen den Nato-Beitritt der nordischen Länder konnte man immer auch als Signal an Putin verstehen, dass die türkische Position nicht deckungsgleich mit der des Westens ist. Auch deshalb hat der Kreml ein Interesse daran, dass Erdoğan im Mai wiedergewählt wird.

Der hatte am Donnerstag schon Besuch von Victor Orbán. Der Ungar war offiziell zu Gast beim Gipfel der Organisation der Turkstaaten. Erdoğan dürfte dabei seine Finnland-Entscheidung mit Orbán abgestimmt haben. Das ungarische Parlament soll am 27. März über Finnlands Beitritt abstimmen. Der Fraktionschef von Orbáns Fidesz-Partei gab am Freitag bekannt, dass seine Leute geschlossen dafür stimmen würden. Über Schweden werde später entschieden.

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