Schweiz:Ein Knacks im Selbstbewusstsein

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(Foto: imago, Collage: sted/SZ)

Die Swissair-Pleite, die UBS-Beinahe-Pleite, jetzt die Credit Suisse: Erneut muss sich eine Schweizer Institution retten lassen. Bezahlen dürften das Tausende Menschen mit ihren Jobs - und wohl auch die öffentliche Hand.

Von Isabel Pfaff, Bern

Mindestens zwei Tage haben sich ins kollektive Gedächtnis der Schweizerinnen und Schweizer eingegraben: Der 2. Oktober 2001, als die nationale Fluglinie Swissair am Boden bleiben musste, und der 16. Oktober 2008, als die Schweiz ihre Großbank UBS vor der Zahlungsunfähigkeit rettete. In beiden Fällen waren es Ikonen der Schweizer Wirtschaft, die am Ende waren. Das rührte ans Selbstverständnis der Schweiz als trotz ihrer geringen Größe mächtige Wirtschaftsnation.

Nun sieht es so aus, als warte auf die Schweizer Bevölkerung das nächste Trauma: In nur zwei Wochen ist die zweite Schweizer Großbank, Credit Suisse, von einer schwer angeschlagenen Bank zu einem praktisch hoffnungslosen Fall geworden. Wie am Sonntagabend bekannt wurde, wird die UBS ihre Rivalin übernehmen. Die Schweizer Behörden hatten auf eine solche Lösung gedrungen.

Die Credit Suisse, geschichtsträchtiger als die UBS, außerdem Wegbereiterin der Industrialisierung und Geburtshelferin zahlreicher mächtiger Unternehmen der Schweiz, dürfte also in ihrer bisherigen Form Geschichte sein. Oder wie es das Zürcher Finanzportal Inside Paradeplatz formuliert: "Die Schweiz erlebt ihr Grounding 2.0. Wie die Swissair verschwindet eine Ikone über Nacht." Was bedeutet das für das Land - neben einem weiteren Knacks im wirtschaftlichen Selbstbewusstsein?

Ziemlich sicher dürfte das Image des gesamten Finanzplatzes Schaden nehmen. Der litt zwar schon vorher unter den Skandalen der Credit Suisse, die offenlegten, dass die Bank neben Altlasten aus den Zeiten des Bankgeheimnisses auch jetzt noch massive Probleme in Sachen Compliance und Risikobewertung hat.

Doch auch die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma macht aus heutiger Perspektive keine gute Figur, schließlich war schon länger klar, dass bei der Bank einiges schiefläuft. Verfahren wegen Korruption, Geldwäsche, sogar wegen der Bespitzelung eigener Mitarbeiter: Mehrmals sprach die Finma, die keine Bußen verhängen kann, Rügen aus und stellte neue Regeln für die Bank auf. Doch an der problematischen Geschäftskultur der Credit Suisse konnte sie damit offenbar nichts ändern. Doch wer, wenn nicht die Aufsicht, soll derlei Fehlverhalten stoppen?

Zum Ruf der Schweiz gehören Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Solidität. Der Skandal um die Credit Suisse legt nahe, dass die wichtigen Finanzmarkt-Akteure, also neben der Finma auch die Nationalbank und das Finanzministerium, all diese Eigenschaften vermissen ließen. Ob sich unter diesen Umständen die Vermögenden dieser Welt auch künftig an Schweizer Banken wenden werden, ist fraglich.

Einschneidend werden die Folgen des Niedergangs auch für die aktuell knapp 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Credit Suisse sein. Die UBS, die selbst gut 74 000 Personen beschäftigt, dürfte wohl kaum das gesamte Personal der Rivalin übernehmen, auch weil sich die Geschäftsbereiche der beiden Banken überlappen. In der Schweiz hat die Credit Suisse etwa 17 000 Angestellte. Wie die Agentur Reuters unter Berufung auf Insider berichtet, könnten bei einer Fusion in der Schweiz 10 000 Jobs wegfallen.

Neben dem Jobabbau dürfte sich die Schweizer Öffentlichkeit auch dafür interessieren, wie sehr es der taumelnden Bank gelingen wird, die Kosten ihrer jahrelangen Misswirtschaft letztlich der Allgemeinheit aufzubürden. Aus den Gesprächen am Wochenende war schon vorab herausgedrungen, dass die UBS staatliche Garantien in Milliardenhöhe verlangen würde, für den Fall, dass aus Altlasten der Credit Suisse Kosten für die derzeit gut aufgestellte UBS erwachsen. Was grundsätzlich verständlich ist - immerhin müsste die UBS dann für Dinge geradestehen, die sie nicht verantwortet hat -, wäre faktisch aber die Umlegung der Verluste aus der gesamten Affäre auf die Bevölkerung.

Zum Vergleich: Die Manager der Credit Suisse haben im Verlauf der vergangenen zehn Jahre 32 Milliarden Franken Boni eingestrichen. Wie der Tages-Anzeiger ausgerechnet hat, schrieb die Bank im gleichen Zeitraum 3,2 Milliarden Franken Verlust.

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