Prinzregententheater:Entlang der Bruchlinien

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Das Münchener Kammerorchester bringt mit der Pianistin Claire Huangci und dem Trompeter Jeroen Berwaerts das momentane Weltgefühl ins Prinzregententheater.

Von Rita Argauer

Die Welt ist in Aufruhr, die Brüche werden tiefer, die Sorgen auch. Das Münchener Kammerorchester spielt mit der Pianistin Claire Huangci und dem Trompeter Jeroen Berwaerts ein Programm im Prinzregententheater, das dieses momentane Weltgefühl spiegelt: eine epochenübergreifende Schau der Bruchlinien.

Es beginnt mit Schostakowitschs Adagio und Allegretto für Orchester. Der erste Teil tragisch um sich selbst gewunden. Tonal gespiegelt in der ersten Geige, die ihren Grund- und Ausgangston umkreist, umgarnt, aber nicht aus diesem Kreislauf herauskommt. Der Ausweg, das zeigt Schostakowitsch in Teil Zwei, ist ein zynischer. Eine Pizzicato-Polka wie von Johann Strauß, nur fahler, nur fratzenhaft grinsender. Noch enger erlebt man diese atmosphärischen Auffahrunfälle in seinem Konzert für Klavier und Trompete, op. 35. Die Trompete ist der zynische Kommentator eines virtuosen Klaviers.

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Jeroen Berwaerts spielt seinen Part mit kühler Präzision und lässt ihn so umso schneidender wirken. Claire Huangci setzt auf virtuose Energie, glitzernde Läufe und schnelle Tempi. Avo Pärts Concerto piccolo für Trompete und Klavier zeigt dann die klaren Schnittlinien einer Collage. Zwischen nervösen chromatischen Streichern tauchen Bachs "Air", dann ein wüstes Klavier, die Phrase B-A-C-H, von Berwaerts wunderbar mit einem Fragezeichen am Ende gespielt, und ein barockisierend verzierter Solopart auf. Doch spürt man mehr die Verbindungen und weniger die Brüche, eher Transzendenz als Politik.

In Bachs Konzert in f-Moll für Klavier und Orchester ignoriert Huangci dazwischen mit rasend dynamischen Läufen historisch informiertes Spiel zu Gunsten der Anbindung Bachs an die Moderne. Bach wird so mit Haydns "Feuer-Symphonie" am Schluss zum universal musikalischen Kitt. Und das MKO spielt diese musikalische Schleuderpartie durch die Epochen angetrieben von Konzertmeister Daniel Giglberger mit selbstsicherer Klarheit und großer Lust.

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