Mitten in Erdweg:Alles fließt

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Die Schule Erdweg, aufgenommen vor der Sintflut. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dass der Unterricht ausfällt, ist man im Zeitalter des Lehrermangels schon gewohnt. In Erdweg bleibt die Schule am Montag ganz zu. Der Grund diesmal: ein Wasserrohrbruch.

Glosse von Gregor Schiegl, Erdweg

In einer Zeit, als man für seine Mails noch kein WLAN benötigte, nur Papyrus sowie Gummiarabikum, Holzkohle, Ruß und kaltes Wasser, um daraus schwarze Tinte anzurühren, schrieb Seneca einen bildungspolitischen Brief an seinen Freund Lucilius. "Kinderspiele sind es, die wir da spielen", mäkelte er, an überflüssigen Problemen stumpfe sich "die Schärfe und Feinheit des Denkens ab". Was der kleine Römer im ersten Jahrhundert lernte, erschien dem antiken Bestseller-Autor praxisfern, sogar schon ein bisschen dekadent. Er diagnostizierte eine "unmäßige Sucht nach Gelehrsamkeit" und schloss mit der berühmten Formel: "Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir."

Diese bildungskritische Haltung kulminierte knapp zwei Jahrtausende später bei den spätgermanischen Pop-Philosophen der Achtzigerjahre. "Nie mehr Schule, keine Schule mehr", trällerte der österreichische Denker Falco, "denn der Umstand ist bekannt, zu viel Schule macht dich krank." Die Band Extrabreit aus der NDW-Fakultät ließ die Bildungseinrichtung gleich ganz abfackeln und jubilierte: "Hurra, hurra, die Schule brennt!" Es war eine andere Zeit damals, Schule war die Regel, daher auch der Begriff Regelschule. Heute kann es Wochen dauern, bis ein Schüler einen echten Lehrkörper zu Gesicht bekommt.

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In Erdweg lernten die Schüler am Montag wieder nur fürs Leben, die Schule blieb geschlossen. Bürgermeister Christian Blatt postete auf Instagram ein Foto eines breiten Stroms, der sich über den Schulhof wälzt. "Ein Wasserrohrbruch in der Pater-Cherubin-Straße lässt heute leider keinen Unterricht zu", teilte er mit. "Der Wasserzweckverband Sulzemoos-Arnbach arbeitet an der Behebung, so dass es morgen wieder gehen sollte." Das ist nur zu hoffen, denn woher soll der Wasserzweckverband Sulzemoos-Arnbach in Zukunft seine Fachkräfte herbekommen, wenn ständig der Unterricht ausfällt?

Diese Frage reicht man am besten weiter an den Philosophen Heraklit, dessen Flusslehre möglicherweise selbst durch einen Rohrbruch an der Philosophenschule inspiriert wurde. Seine Lehre besagt, dass alles fließt und nichts bleibt, wie es ist, es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln. Und darin liegt die beruhigende Botschaft: Es wird auch wieder eine Zeit kommen, in der ausfallender Unterricht so selten vorkommt wie ein Rohrbruch.

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