Folgen des Bevölkerungszuwachses:Bald 13 000 Einwohner - und nur eine Grundschule

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Schon jetzt beklagen Eltern die schwierige Betreuungssituation, mit dem zu erwartenden Zuzug dürfte sich die noch weiter verschlechtern - sofern nicht gegengesteuert wird. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Lochhausen wird bis in zehn Jahren seine Bevölkerungszahl fast verdoppelt haben. Vor Ort befürchtet man, dass spätestens dann die ohnehin angespannte Betreuungssituation eskaliert und mancher Unterricht nicht mehr möglich sein wird. Die Stadt sieht das anders.

Von Ellen Draxel

Münchnern, die in der Innenstadt leben, erscheint Lochhausen wie ein Dorf. Ein Ort mit vielen Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften, nur wenige Hundert Meter von der Gemeinde Gröbenzell entfernt. Doch in dem Stadtteil im Westen von München entstehen derzeit mehrere urban anmutende Siedlungen - mit der Folge eines entsprechenden Bevölkerungszuwachses. Bis in zehn Jahren wird sich die Einwohnerzahl in Lochhausen und Langwied nahezu verdoppelt haben, auf dann knapp 13 000 Menschen. Den Lochhausenern ist durchaus bewusst, dass München mehr bezahlbaren Wohnraum braucht. Doch an einer adäquaten Infrastruktur hapert es.

Vorreiter der Kritik ist, flankiert von der Lokalpolitik, die Bürgervereinigung Lochhausen-Langwied. Acht Jahre ist es her, da forderte die Bürgervereinigung von der Stadt eine neue Dreifachturn- und Mehrzweckhalle. Zugleich wurde die Verwaltung gebeten, angesichts der steigenden Schülerzahlen eine zweite Grundschule im Stadtteil zu errichten. Bis heute gibt es in Lochhausen nur eine kleine Einfachturnhalle und lediglich eine einzige Grundschule.

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In puncto Grundschulversorgung legen die Eltern daher jetzt nach. In einem offenen Brief an Stadtschulrat Florian Kraus (Grüne) äußern sie ihre "große Sorge über die Situation unserer Grundschulkinder in den kommenden Jahren". Es sei an der "Zeit, die Grundlagen der Berechnungen für einen Grundschulbedarf an die Realität anzupassen". Unterzeichnet haben das Schreiben die Bürgervereinigung, der Elternbeirat der Grundschule am Schubinweg sowie Vertreter sämtlicher Betreuungseinrichtungen im Stadtteil.

Derzeit gibt es in der Grundschule am Schubinweg nur eine einzige Ganztagesklasse. (Foto: Florian Peljak)

Aufgesetzt hat den Brief Kathrin Gobitz-Pfeifer von der Bürgervereinigung. Als Mutter eines Sohnes in der vierten Klasse und einer Tochter, die im September in die Schule kommt, kennt sie die Nöte der Eltern in Lochhausen. Die Voraussetzungen, von denen die Stadt ausgehe, betont sie, seien falsch. Von den angeblich 20 verfügbaren Klassenzimmern stünden lediglich 18 tatsächlich zur Verfügung. "Sollte die Schule in eine volle Fünfzügigkeit kommen, so könnte aus Platzmangel und wegen fehlender Räume ein Fachunterricht etwa für Musik, Religion, Werken/Gestalten, Kunst oder Sport gemäß Lehrplan für Bayern nicht mehr gewährleistet werden."

Für 220 der 400 Schulkinder gibt es Plätze in der Nachmittagsbetreuung

Auch eine Zukunftsperspektive vermisst sie. So böten einige Räume lediglich Platz für 25 Kinder, nicht für eine maximale Klassenstärke von 28 Schülerinnen und Schülern. Von 2026 an werde es einen Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung geben, dafür müssten schon "jetzt die Weichen gestellt werden". Derzeit gibt es am Schubinweg nur eine einzige Ganztagesklasse.

Im Bildungsreferat relativiert man die lokale Sichtweise. "Die Grundschule", sagt Sprecher Andreas Haas, "hat kurzfristig sowohl im Falle von Klassenmehrungen als auch für den Ausbau des gebundenen Ganztags die erforderlichen Kapazitäten." Er bleibt bei der Anzahl von 20 Klassenzimmern, die den derzeit 13 Klassen zur Verfügung stünden. "Selbst bei fünf Zügen", erklärt Haas, sei "erfahrungsgemäß ein lehrplanmäßiger Unterricht möglich, wenn dann Textiles Gestalten im Werkraum oder in den Klassenzimmern" stattfinde - was "oftmals der Fall" sei.

In ihrem Schreiben weisen die Eltern außerdem auf die schwierige Betreuungssituation hin. Schon jetzt müssten einige Eltern "einen fast unmöglichen Spagat zwischen beruflichen Verpflichtungen und Kinderbetreuung über die Mittagszeit bewerkstelligen". Die Mittagsbetreuung "Mitti" bietet vom kommenden Schuljahr an 145 Plätze an, der städtische Hort an der Schussenrieder Straße 50 und der Hort PariKita Schubidu 25 Plätze. Von den 400 Schulkindern könnten nach Schulende also 220 versorgt werden. Der Bedarf, sagen die Eltern, liege aber bei rund 300 Plätzen - ein Defizit von 80 Nachmittagsbetreuungsplätzen.

Spätestens 2030 brauche es eine zweite Grundschule, lautet die Forderung

Im Referat für Bildung und Sport hält man sich mit Prognosen zur Nachmittagsbetreuung zurück, da das Ergebnis der Schuleinschreibung noch nicht vorliege. Eines kann Haas aber bereits sagen: "Das Haus für Kinder mit Hort an der Henschelstraße wird voraussichtlich erst im ersten Quartal 2024 fertiggestellt sein." Dort entsteht derzeit eine Kita mit Hort für 50 Kinder.

Aus Eltern-Sicht wäre vieles übergangsweise lösbar. Aber spätestens von 2030 an, prognostizieren sie, genüge auch das nicht mehr. Dann brauche es eine zweite Grundschule. Damit diese rechtzeitig fertig werde, müsse "jetzt schon mit der Standortwahl und Planung begonnen werden". Auch der Bezirksausschuss fordert "mit aller Dringlichkeit, die Mangelsituation zu beheben".

Haas verweist auf das Strukturkonzept für Lochhausen und Langwied, in dessen Rahmen ein neuer Grundschulstandort berücksichtigt werden soll. Diese neue Schule "würde eine vollumfängliche Ganztagesversorgung gewährleisten" und bekäme auch die "erforderlichen Sportkapazitäten". Doch bis dahin dauert es noch Jahre - weshalb man im Bildungsreferat "zusätzliche Überlegungen für mögliche Interimsmaßnahmen zur Bedarfsdeckung" anstelle. Die Planungen dazu laufen noch, Details nennt der Sprecher nicht.

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