Kritik:Hypnotiseur auf der Gitarre

Ausnahme-Gitarrist Thurston Moore, hier beim Nova Festival in Bologna 2022, hat jetzt auch das Münchner Publikum höchst kunstvoll belärmt. (Foto: Carlo Vergani/imago/Pacific Press Agency)

Thurston Moore, einstiges Sonic Youth-Mastermind, zelebriert sein Können im Münchner Strom.

Von Dirk Wagner

Behutsam hält der Gitarrist Thurston Moore den Ton, der sich über mehrere Sekunden mit seiner eigenen Rückkopplung paart. Seine Bandkollegen, darunter die My Bloody Valentine-Bassistin Debbie Googe, halten ihrerseits mit Feedbacks dagegen. Fasziniert jubeln die Konzertbesucher im Strom über solches Spiel mit der Klang gewordenen Elektrizität einer über die Jahrzehnte verbesserten Veranstaltungstechnik. Im Strom selbst sorgt diese übrigens dafür, dass die Besucher wirklich überall im gesamten Club einen gleichbleibend guten Sound genießen.

Dann klingeln plötzlich wieder diese typischen Gitarrenfiguren des einstigen Sonic Youth-Masterminds, der vor allem Songs seines siebten Solo-Albums "By The Fire" darbietet. Weil Alex Ward, der den wegen Krankheit ausgefallenen Gitarristen James Sedwards auf der Europatournee ersetzt, auch ein großartiger Klarinettist ist, erfährt die experimentelle Rockmusik von Thurston Moore zudem nun eine wunderbare instrumentelle Erweiterung. Elektronisch unterstützt wird das Ensemble vom Klangkünstler Jon Leidecker, der unter anderem vor drei Jahren zusammen mit der Komponistin Jennifer Walshe das Hörspiel "Limitless Potential" über künstliche Intelligenz für den Deutschlandfunk produziert hatte.

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Mit diesem hochkarätig besetzten Ensemble verneigt sich Thurston Moore im Strom nicht zuletzt vor seinem Vorbild Lou Reed, als er dessen erst Mitte der Achtzigerjahre, also nach Auflösung der Band veröffentlichten Velvet Underground-Song "Temptation Inside Your Heart" aus dem Jahr 1968 anstimmt. Wie auch in Thurston Moores eigenen Kompositionen wirken die Repetitionen in jenem Lou Reed-Klassiker geradezu hypnotisierend, derweil die Gesangsmelodie darüber die Musik als Popsong fasst. Aber natürlich öffnet sich solcher Pop-Begriff schnell wieder einem anderen Pop-Verständnis aus der Kunst, etwa der Popart eines Andy Warhols.

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