Erding:Was eine Scherbe verraten kann

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Zerbrechlich und sorgsam geborgen: Geschirr aus einem Grab der endneolithischen Glockenbecherkultur circa 2500 vor Christus. Im Lehmboden bleiben nur selten Knochen und Gebeine erhalten. (Foto: Singularch/oh)

Die Gesellschaft für Archäologie in Bayern präsentiert ihren Jahresbericht im Museum Erding. In dem Band finden sich Entdeckungen der vergangenen Jahre aus Erding, wie etwa eine tausende Jahre alte Grabanlage und ein Bruchstück mit interessanter Gravur.

Von Johannes Lesser, Erding

Seit 2019 finden im Westen Erdings, südlich der Erdinger Straße, archäologische Ausgrabungen statt. Die Ergebnisse sind außergewöhnlich, umfassen gleich mehrere Epochen und waren so ein Grund, warum das Buch "Das archäologische Jahr in Bayern 2021" von der Gesellschaft für Archäologie in Bayern am vergangenen Dienstag im Erdinger Museum vorgestellt wurde. Zu Gast waren unter anderem Oberbürgermeister Max Gotz, Nicolai Greiner als Vertreter des Investors und Professor Bernd Päffgen, Vorsitzender der Gesellschaft für Archäologie in Bayern.

Wenn man von der Innenstadt aus die Dachauer Straße Richtung Westen stadtauswärts entlangfährt, fällt einem nach kurzer Zeit das Gewerbegebiet Erding-West auf der rechten Seite auf. Eine moderne Anlage, bei deren Anblick schnell vergessen werden könnte, den Blick auch auf die linke Seite der Straße schweifen zu lassen. Zwei bereits fertig gebaute Treppenhäuser stehen als einsame Türme in dem Areal, in dem die Archäologen der Münchener Firma Singularch seit 2019 Ausgrabungen durchführen, die die Wissenschaftler einen Blick bis in die weite Vergangenheit werfen lassen.

Immer wieder stoßen Archäologen bei Ausgrabungen im Landkreis Erding auf interessante Fundstücke, einige seiner Projekte stellt der Archäologische Verein beim Neujahrsempfang vor. (Foto: Renate Schmidt)

Etwa 19,5 Hektar Fläche wurden in drei Kampagnen an bislang 360 Arbeitstagen untersucht, wobei dieses Jahr noch vereinzelt weitere Arbeiten im Süden des Areals angekündigt sind. Die Funde stammen aus unterschiedlichen Epochen und Kulturen wie der Glockenbecherkultur oder den Kelten. Das älteste Fundstück im Westen des Areals lässt sich auf das 4. Jahrtausend vor Christus zurückführen und markiert laut Bericht den Beginn einer "mit Unterbrechungen andauernden Besiedlung in Erdings Ortsteil Altenerding beziehungsweise Klettham".

Der größte und außergewöhnlichste Fund stammt aber aus der Frühbronzezeit, etwa 2200 Jahre vor der Zeitenwende: Ein Bestattungsareal, das 96 Gräber in vier Grabgruppen umfasst und eines der größten seiner Art in Süddeutschland darstellt. Für die Forschung ebenfalls von großer Bedeutung sind die, in sieben Gräbern gefundenen Beigaben aus Edelmetall. Dabei handelt es sich um Gold- und Silberringe sowie einen Silberschmelzrest. Insbesondere Silber hatte in dieser Epoche einen hohen Stellenwert, was die Bedeutung der gefundenen Gräber zusätzlich unterstreicht.

Experten erkennen hier den Grundriss eines keltischen Tempels oder eines Brandbestattungsplatzes aus der Zeit um 100 bis 200 vor Christus. (Foto: Harald Krause/oh)

Schon seit 2005 wurden nördlich der Dachauer Straße bei Ausgrabungen regelmäßig Funde gemacht, die sich auf die römische Kaiserzeit zurückführen ließen. Bei den Grabungen im Süden nahm die Anzahl dieser Funde aber deutlich ab. Jedoch konnte mit Hilfe von Scherben der Name eines Bewohners aus der damaligen Zeit herausgefunden werden. Dieser lautet vermutlich Sereninus oder Serenianus und ist damit der älteste erhaltene Name einer Person im heutigen Erdinger Stadtgebiet.

Im Bericht nimmt der Artikel über Erding mit insgesamt vier Seiten eine große Rolle ein. Die vier Autoren Stefan Biermeier, Sabrina Kutscher, Ken Massy und Harald Krause, zugleich Leiter des Erdinger Museums, gaben bei der Vorstellung Hintergrundinformationen zu den Grabungen, den Erkenntnissen und dem weiteren Vorgehen. Den Forschern geht es dabei insgesamt auch darum, ein Bewusstsein für die im Boden verborgenen Schätze zu schaffen. Für die menschlichen Überreste geht es jetzt zunächst zur anthropologischen Untersuchung in der Nähe von Bamberg.

Die dunkel-humos verfüllten Pfostenlöcher eines frühbronzezeitlichen Hauses um 2000 vor Christus zeichnen sich im Lehmboden deutlich ab. (Foto: Harald Krause/oh)

Zu Beginn der Präsentation ging Landeskonservator Walter Irlinger auf die Entwicklung der Forschung in den vergangenen Jahren ein, ergänzte, dass es sich nun auch lohne, bereits Bekanntes mit den neuen Methoden zu untersuchen und nannte Beispiele aus dem Bericht. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) betonte die Bedeutung der Funde für die Erdinger Stadtgeschichte und kündigte an, den Bericht in allen Schulen der Stadt auslegen zu wollen. Außerdem wies er darauf hin, wie wichtig die gute Zusammenarbeit von Wissenschaft, Stadt und Investoren sei. Nicolai Greiner unterzeichnete zum Abschluss den Schenkungsvertrag mit der Stadt Erding, der die archäologischen Funde der Stadt zusichert. Innerhalb der nächsten Jahre sollen einige davon Teil der Dauerstellung im Erdinger Museum werden.

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