Die Unverwechselbaren: Dean Martin:Swingen und Wanken

Eiswürfel im Glas, eine Stimme aus dem Himmel, Blitzen in den Augen: That's Amore. Über Dean Martin und die Kunst, einen Drink zu halten.

Christoph Gröner

Jetztzeit: Robbie Williams geht golfen, und er geht auseinander. 2001, als er noch nicht seinen Zenit überschritten hatte, beschwor er die Vergangenheit - und eine Art zu Singen, die dem Dasein jede Schwere nimmt. Er nannte seine Scheibe "Swing when you're winning", und er gab Interviews. Wieso das "Rat Pack"? Wieso der Vegas-Sound von Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr.? Was bewundert er an dieser Truppe, die das Show-Business damals beherrschte? "Die Kunst, einen Drink zu halten", war die trockene Antwort. Cheers.

Die Unverwechselbaren: Dean Martin: Der ewige Stenz, American Way.

Der ewige Stenz, American Way.

(Foto: Foto: Getty)

Der beiläufige Glamour - darin liegt auch heute noch die Wirkung der Vegas-Clique. Das lange Highball-Glas schräg in der Hand halten, ohne etwas zu verschütten. Aber solche Leichtigkeit muss man erst einmal aushalten. Für Williams waren die Auftritte mit den Evergreens Glückskonserven, die ihn fast ins Koma gestürzt hätten: Bei "My way" heulte er schon mal. Danach ging es abwärts mit der Karriere.

Der schöne Preisboxer aus Steubenville

Dean Martin dagegen blieb lange Jahre locker, (über)lebte die Leichtigkeit mit allen Konsequenzen - und wie kein anderer: abends keine zwei Stunden Gags und Songs. Mehr arbeiten wollte er nicht. Vormittags ging er lieber Golfen statt zu proben. Und er zeigte damit auch den anderen Jungs vom "Rat Pack", wie man den Drink richtig hält, die Zigarette scheinbar ewig glühen lässt, und wie man die Bühne zum gemütlichen Wohnzimmer macht.

Denn seine Show, mit der Dean Martin zum bestbezahlten Mann des US-Fernsehens wurde, war eingerichtet wie daheim bei Gutbürgers.

Damals: Scheinbar mühelos wird aus Dino Paul Crocetti, geboren 1917, ein Star, die Bühnenfigur Dean Martin - und die Presse wird sich zeitlebens das Maul zerreißen, weil er scheinbar nichts tut, und seine Songs nur so hinschmalzt. Der Sohn eines italienischen Barbiers aus Steubenville, Ohio, hat einfach zu viel Talent, um sich anzustrengen. Das Alkohol-Schmuggeln mit der örtlichen Mafia ist ihm nicht genug, er wird kein Gangster; er ist zu schön für das Preisboxen; er singt sich über den Alltag hinweg und lässt sich die Nase richten; er schaut sich - wie Sinatra - seine Art zu singen von Bing Crosby ab: das Crooning. Bei diesem Gesang werden dann Steine weich, denn die Sängerstimme kommt irgendwo aus der Tiefe, die Zuhörer werden mit Big Band ganz nah an ein warmes Lagerfeuer der Emotionen gerückt.

Diese Art zu singen findet ganz natürlich zu ihm. Deans Stimme klingt irgendwo unter einem künstlichen Sternenzelt aus - und nimmt dabei den Umweg über das bebende Dekolleté mancher Frau. Dean schienen sie auf der Bühne egal zu sein - er machte stattdessen zynische Witzchen, die ihn mit den Männern im Publikum verbrüderten. Er wusste, wer die Drinks zahlt.

Und die Frauen kamen trotzdem: drei Ehen, sieben Kinder, zahllose Ladies. Dieses Lächeln, die verschatteten Augen - irgendwie muss dieses Geheimnis zu lüften sein. Und doch sagte seine zweite Frau nach zwei Jahrzehnten Ehe, er sei ein Geheimnis geblieben.

Ohne diese Kühle, seine Ironie wäre es auch nicht möglich gewesen, Gaga-Texte wie den von "That's Amore" zu Welthits zu machen. Kostoprobe: "Bells will ring /ting-a-ling-a-ling /ting-a-ling-a-ling /And you'll sing /Vita bella".

Ting-a-ling: Mit seiner Verweigerung, sich oder das Business zu ernst zu nehmen, kam der Erfolg. Als der Italiener den Juden Jerry Lewis Mitte der Vierziger traf, kamen die Millionen - und zehn Jahre Film und Blödelei als stoischer Gegenpart der Clowns. Ohne ihn wäre Lewis nicht so groß geworden: Martin gab ihm die Einsätze und wusste ihn zu stoppen. Sie trennten sich im Streit, aber seinem Buch über die gemeinsame Zeit gab Lewis einen passenden Untertitel: "Eine Liebesgeschichte".

Später verliebte sich Frank Sinatra in ihn. Er war der bessere Buddy als Lewis: Mit Jerry, dem Abstinenzler konnte man schließlich nicht saufen gehen. Und der Erfolg wurde größer in Vegas. In den Sechzigern, auf dem Höhepunkt seiner Karriere hatte Martin im Fernsehen eine Dreistunden-Woche. Eine proben, dann kamen die Gäste. Die Zuschauer schalteten ein, obwohl er sich versang, obwohl er sich versprach, obwohl er wankte.

Auf der nächsten Seite: Wanken und Lallen - das angetrunkene Crooning nach Dean-Martin-Rezept.

Swingen und Wanken

Denn keine Biografie kommt ohne Verweis auf einen Erfolgsfaktor aus: Seine ständige Angetrunkenheit, Ting-A-Ling. Vita Bella. Er pfiff auf Political Correctness, und übernahm den ständigen Suff als Stilform von erfolgreichen Bühnentieren wie W.C.Fields (der wiederum einmal gesagt haben soll, er trinke vor dem Frühstück nichts Härteres als Gin).

Der angetrunkene Crooner, das ist Dean-Martin-Domäne, in "When You're Drinking" schuf er sogar die passende Hymne. Die Augen blitzten, der Gang wurde weich wie die Stimme - und das Abbrechen mitten im Lied gehörte zum Programm. Sollten doch die Leute die Alben kaufen, wenn sie ganze Stücke wollten.

Selbst eine Biografie mit einem Titel wie "Martini Man" beeilt sich aber, nicht von Alkoholismus zu sprechen, sondern auch von der Masche dahinter. Die eine Seite: Zum Mittagessen soll es oft Spiegeleier und Martinis gegeben haben, und mit dem "Rat Pack" abends stets zu viel Bourbon. Aber genau so wahr ist: Dean Martin hatte oft Apelsaft im Glas, wenn er sich auf die Bühne holen ließ mit den Worten "Straight from the Bar. Dean Martin." "Wäre ich, wo ich bin, wenn ich Alholiker wäre?", fragte er in einem späten Interview an der Kamera vorbei

Im Nichtstun der Größte

Dass diese Bühnenpersönlichkeit überhaupt funktionieren konnte, lag auch am Rausch ohne schlimmere Ausfälle: Auch ein torkelnder Dean Martin blieb der Gentleman. Daran konnte man sich orientieren und er verdiente damit Moneten ohne Ende.

In den Achtzigern dann wurde aus Dino langsam ein Show-Saurier, das Eis schmolz im Glas, er wirkte wie erstarrt dabei. War die Arroganz schon immer so ausgeprägt? Dean Martin langweilte sich, er hatte alles erreicht und mehr als Spaß wollte er nie.

Dass er sich leise verabschiedete, passt zu ihm. Wozu der Aufwand eines großen Abgangs? Essen im Lieblingsrestaurant, golfen, Scotch and Soda - es war einfacher. "Im Nichtstun", sagte seine zweite Frau, "ist Dean der Größte". 1995 kam der Tod.

Jetztzeit: Ohne ihn gebe es keine Ocean's Eleven - ohne ihn wäre George Clooney (die verlebten Augen in Venedig!) nicht möglich. Aber trotz aller Ableger bleibt Dean Martin auch heute noch eine Ausnahme. Der "amerikanische Buddha", wie ihn sein Biograf Nick Tosche nannte, ein Typ, der sich entspannte und sich nicht um Erfolg scherte, der keine zu süßen Cocktails trank, er fehlt. Nur im Himmel macht es Ting-A-Ling.

Die Dean-Martin-Ausstattung: Das Highball-Glas lässig in der Hand, ein anderes langes Cocktail-Glas am Tisch. Das kann (Glasmanufakturen wie Poschinger oder venezianische Firmen bieten ein Glas für 30 Euro und mehr), muss aber nicht teuer sein. Viel wichtiger: der richtige Drink, die richtige Aufmachung. Keine aufwändige Dekoration, wenige Zutaten, nicht viel Säure, nicht viel Süße. Drinks wie Manhattan oder Martini, oder Bourbon mit Soda, wie Dean Martin ihn bevorzugte, sind zu Unrecht aus der Mode geraten. Und nicht vergessen: zwischendurch Apfelsaft.

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