Deutschlands größter Steuerskandal:Schweigen ist Gold

Beim Besuch in Berlin versucht der eher zurückhaltende Regierungschef Liechtensteins, Otmar Hasler, den ramponierten Ruf seines Landes wieder aufzupolieren. Den lange erbetenen Termin bei der Kanzlerin hat er nun umgehend bekommen.

Nico Fried

Liechtenstein ist ein sehr kleines Land. So klein, dass es auch nicht sehr viele Medien zu geben scheint. Angela Merkel jedenfalls muss einige Zeit suchen, ehe sie am Mittwochnachmittag während der Pressekonferenz im Kanzleramt auch einen Journalisten aus dem Fürstentum findet, der eine Frage stellen möchte.

Deutschlands größter Steuerskandal: Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler und Kanzlerin Angela Merkel:

Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler und Kanzlerin Angela Merkel:

(Foto: Foto: Reuters)

Es gelingt erst im zweiten Versuch, nachdem sie zunächst einen anderen interessierten Reporter mit dem Satz abgelehnt hat: "Sie sehen nicht sehr liechtensteinisch aus."

Der von Merkel schließlich auserwählte Journalist schreibt für das Liechtensteiner Vaterland.

Und er wird seinen Lesern möglicherweise berichten, dass ihrem Ministerpräsidenten Otmar Hasler in Berlin eine mediale Aufmerksamkeit zuteil geworden ist, wie er sie zuvor noch nicht erlebt haben dürfte. Sehr viel mehr Blitzlichter erleuchten auch andere, prominentere Staatsgäste nicht, wenn sie sich mit Merkel vor die blaue Wand im Kanzleramt stellen. Der Besuch von Otmar Hasler, dem Ministerpräsidenten von 35.000 Liechtensteinern, die zu einem Drittel Ausländer, also gar keine Liechtensteiner sind, ist in Berlin ein politisches Großereignis.

Zu Hause sitzt Hasler nämlich, vereinfacht gesagt, auf einer Menge Geld, das eigentlich dem deutschen Fiskus gehört. Nun aber steht er hier im Kanzleramt, Otmar Hasler, einer der obersten Raubritter Europas, wenn man zum Beispiel der Diktion des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck in etwa folgt. Der liechtensteinische Justizminister Klaus Tschütscher hat in Vaduz vorsorglich schon mal darauf hingewiesen, dass "diese teutonische Ausdrucksweise bei uns nicht gut ankommt."

Nicht nur die deutsche Presse hat den Ministerpräsidenten Hasler neu entdeckt. Wie in Berlin zu hören ist, war auch das Interesse der Kanzlerin in der Vergangenheit nicht sehr ausgeprägt. Der Regierungschef aus Liechtenstein soll schon längere Zeit um einen Termin gebeten haben und immer wieder vertröstet worden sein. Sein Besuch jetzt wiederum war jedoch verabredet, bevor Steuerfahnder vergangene Woche die Villa von Post-Chef Klaus Zumwinkel aufsuchten. Ein Zufall also. Ein trefflicher Zufall.

"Nicht hilfreich"

Der Streit, der sich in den letzten Tagen auf beiden Seiten in einer nicht mehr sehr diplomatischen Wortwahl artikuliert hat, handelt im Grunde davon, wer ein Ganove ist und wer nicht, und wer den Ganoven hilft und wer nicht. Am Dienstag hatte Liechtensteins amtierendes Staatsoberhaupt, Erbprinz Alois, den deutschen Behörden wegen der Annahme und Bezahlung der mutmaßlich von einem früheren Bank-Mitarbeiter entwendeten Datensätze "Hehlerei im großen Stil" vorgeworfen. Es handele sich um die Kampagne eines Großstaates gegen sein Land, wütete der Prinz in Vaduz. Deutsche Politiker aus verschiedenen Parteien wiesen diesen Vorwurf zurück und bezichtigten im Gegenzug Liechtenstein der Hilfestellung für strafbares Verhalten.

Angela Merkel, auf diese rhetorischen Gefechte angesprochen, sagt nun, sie wolle da lieber "nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen". Die Theorien des Erbprinzen allerdings, den sie freilich nicht ausdrücklich erwähnt, halte sie "nicht für tragfähig, nicht für richtig und auch nicht für hilfreich". Otmar Hasler könnte jetzt auch noch etwas dazu sagen. Aber er schweigt lieber.

54 Jahre ist Hasler alt, Lehrer, seit 2001 Ministerpräsident und schon sehr viel länger Mitglied der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FBP), von der man in Deutschland bislang wohl noch weniger gehört als von Liechtenstein selbst, was auch schon nicht viel war. Aufgefallen ist das kleine Fürstentum dem Normalbürger hierzulande in den vergangenen Jahren vielleicht allenfalls wegen seiner exzellenten Skifahrer. Aber auch mit den sportlichen Erfolgen Liechtensteins ist es nicht mehr so weit her.

An Hasler ist es nun also, die Reputation seines kleinen Landes ganz grundsätzlich wieder aufzupolieren, wozu, wie er wohl selbst ahnt, ein zweitägiger Besuch in Deutschland nicht ausreichen wird. Er freue sich auf sein Gespräch mit Angela Merkel, hat Hasler am Vorabend in einem Interview mit den Tagesthemen gesagt. Das Verhältnis zwischen Liechtenstein und Deutschland sei in Ordnung, abgesehen eben von der derzeitigen Problematik, was den Zuschauer dahingehend etwas ratlos zurückließ, worin eigentlich zwischen Deutschland und Liechtenstein überhaupt noch andere Probleme bestehen könnten.

In der derzeitigen Problematik jedenfalls geht es zwischen Berlin und Vaduz um Rechtshilfe, Bankgeheimnisse und das Stiftungsrecht, oder - simpler ausgedrückt - darum, ob das Fürstentum die Deutschen künftig unterstützt, wenn sie ihre Steuersünder aufspüren wollen, oder sogar schon dann, wenn die Hinterzieher in Liechtenstein auftauchen. Selbst wenn Hasler sich dazu gegenüber Angela Merkel generell ein bisschen bereit erklärt haben sollte, sollte man die Erwartungen mit dem lichtensteinischen Reformtempo abgleichen. Der schon erwähnte Justizminister Tschütscher hatte nämlich zuvor bereits auf die Renovierungsarbeiten am liechtensteinischen Stiftungsrecht hingewiesen, die, wie er mitzuteilen wusste, nunmehr acht Jahre dauern.

Ausgesprochen illustrativ fügte Tschütscher hinzu, es handele sich keineswegs um einen "Schnellschuss". Ein bisschen näher gekommen ist man sich offenbar im Kanzleramt, wobei in den Aussagen Merkels auch zum Ausdruck kommt, dass es sich um eine komplizierte Materie handelt: Ein Betrugsbekämpfungsabkommen soll schneller verhandelt, die dritte EU-Geldwäsche-Richtlinie umgesetzt und die liechtensteinische Zusammenarbeit mit der OECD bei der Eindämmung von unfairem Steuerwettbewerb verstärkt werden.

Was immer das genau bedeutet, Hasler sagt es alles mehr oder weniger zu, jedenfalls widerspricht er nicht. Merkel hat dann aber auch noch eine weitere Botschaft: Sie erwarte von den deutschen Staatsbürgern, dass sie ihre Steuern "nach Recht und Gesetz" in Deutschland entrichteten.

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