Wie Personaler Hochstapler entlarven:"Die meisten Bewerber tragen zu dick auf"

Das frühere Gehalt, die tollen Englischkenntnisse: Bewerber neigen zum Hochstapeln. Personalberater Sven Hennige kennt ihre Lügen.

Jutta Pilgram

In jedem Karriere-Ratgeber kann man nachlesen, wie man seinen Lebenslauf frisiert, wie man Lücken in der Ausbildung ausbügelt und unangenehmen Fragen ausweicht. Trotzdem ist Sven Hennige, Senior Regional Director Central Europe bei Robert Half Finance & Accounting, überzeugt: Ehrlich währt am längsten. Der Personaldienstleister im Bereich Finanz-, Rechnungs- und Bankwesen hat 1210 Führungskräfte befragt, wie sie mit Hochstaplern im Vorstellungsgespräch umgehen.

Stuttgart 21 - Demonstration

Stuttgart 21 - Demonstration Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 halten am Samstag (09.10.2010) in Stuttgart während eines Protestzuges durch die Innenstadt ein Banner mit der Aufschrift 'Lügen haben kurze Beine' in die Höhe. Die Demonstration steht unter dem Motto 'Baustopp sofort - dann Gespräche!'. Das Projekt Stuttgart 21 sieht den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an die geplante ICE Neubaustrecke nach Ulm vor. Foto: Uwe Anspach dpa/lsw +++(c) dpa - Bildfunk+++

(Foto: dpa)

SZ: Die Personalmanager in Ihrer Studie klagen, dass viele Bewerber im Vorstellungsgespräch übertreiben. Wobei?

Hennige: Die meisten tragen zu dick auf, wenn es darum geht, was sie in ihrem alten Job gemacht haben. Dabei vergessen sie, dass der Titel gar nicht so wichtig ist wie die Beschreibung der Tätigkeit. "Finance Manager" klingt toll, aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man in einem kleinen Betrieb die Buchhaltung gemacht hat oder in einem Konzern. Auch was Verantwortung und Managementkenntnisse angeht, überschätzen sich Bewerber gerne. Und schließlich bei den Sprachkenntnissen: Wer angibt, in Englisch verhandlungssicher zu sein, sollte im Vorstellungsgespräch locker in die Fremdsprache wechseln können.

SZ: Wie ist es beim Gehalt? Wird das auch aufgebauscht?

Hennige: Jeder zehnte Bewerber idealisiert, was das frühere Gehalt angeht. Da werden sämtliche Boni zusammengenommen und alles mitgezählt, was man eventuell sonst noch hätte bekommen können - aber nicht unbedingt bekommen hat.

SZ: Warum übertreiben Bewerber? Ist es Angst, sich unter Wert zu verkaufen?

Hennige: Die wenigsten Bewerber sind 100-prozentig ehrlich zu sich selbst. Oder sie schätzen sich einfach anders ein, als ehemalige Vorgesetzte es tun. Wir nutzen daher als Personaldienstleister stark die Form des Referenzgebens und vermitteln niemanden, der nicht wenigstens zwei oder drei Referenzen mitbringt, die wir natürlich überprüfen.

SZ: Welchen Fragen weichen Bewerber am liebsten aus?

Hennige: Fragen nach den Gründen für den Jobwechsel, vor allem wenn es zum Beispiel am Vorgesetzten oder am Team lag. Noch weniger gern sprechen sie über ihre eigenen Schwächen. Dabei sind Schwächen ja menschlich. Nur wenn Sie die Wahrheit sagen, wirken Sie authentisch und können mit Rückfragen souverän umgehen.

SZ: Aber jeder Bewerber weiß auch: Klappern gehört zum Handwerk.

Hennige: Das stimmt. Ich empfehle trotzdem: Bleiben Sie sich treu. Das geschulte Auge des Interviewers merkt, ob Sie ehrlich sind oder nicht. Wer sich im Vorfeld zu gut verkauft, hat spätestens im Team das Problem, dass die Kollegen ihn als Hochstapler entlarven. Viele Bewerber unterschätzen, dass es letztlich auf etwas ganz anderes ankommt: nämlich darauf, ob man ins Team passt. Daher ist es sinnlos, sich zu verstellen.

SZ: Wenn es gar nicht so sehr auf die Fähigkeiten ankommt: Worauf achten Personaler denn sonst?

Hennige: Die Qualifikation spielt nur zur Hälfte eine Rolle. Die zweite Hälfte entscheidet etwas ganz anderes: das Auftreten des Bewerbers. Personaler achten darauf, ob der Kandidat sympathisch ist und zum Unternehmen passt. Statt die Bewerbung auf Hochglanz zu trimmen, sollten sich Bewerber daher besser mit der Frage auseinandersetzen: Passe ich vom Typ her in dieses Unternehmen?

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