Schädliche Nahrungsergänzung:Vorsicht, Vitamine!

Am besten greift man zu Apfel und Banane. Denn eine neue Analyse bestätigt, dass Ergänzungsmittel riskant sind.

Werner Bartens

Der Ruf von Vitaminzusätzen ist unverwüstlich. Sie gelten als gesund und unbedenklich. Ihnen wird nachgesagt, dass sie vom schweren Krebsleiden bis zur banalen Erkältung fast jede Krankheit verhindern können.

Nahrungsergänzungsmittel; iStockphotos

Gut tun Nahrungsergänzungsmittel einzig der Vitamin-Industrie.

(Foto: Foto: iStockphotos)

Keine andere Substanzgruppe verfügt über ein ähnlich positives Image - irgendwo zwischen Allheilmittel und Jungbrunnen. In jüngster Zeit mehren sich allerdings Hinweise darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht gesund sind, sondern eher schaden als nutzen. Forscher vom Cochrane-Zentrum Kopenhagen kommen jetzt in einer großen Übersichtsstudie zu dem Ergebnis, dass Vitaminzusätze sogar die Sterblichkeit erhöhen (Cochrane Library, Bd. 2, 2008).

Die Cochrane-Forscher, die für methodische Genauigkeit bekannt sind, hatten für ihre Meta-Analyse 67 hochwertige Fachartikel ausgewählt, in denen mehr als 230.000 Teilnehmer untersucht wurden. Die Probanden bekamen entweder ein Scheinmedikament oder antioxidatives Beta-Karotin, Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E und Selen.

Höhrere Sterblichkeit

Während in der Plazebo-Gruppe 10,5 Prozent der Teilnehmer im Beobachtungszeitraum starben, kamen 13,1 Prozent der Probanden, die Vitaminzusätze nahmen, ums Leben. Die Forscher unterteilten ihre Analyse in Studien an gesunden und kranken Teilnehmern. In beiden Gruppen waren Vitaminzusätze eher schädlich als nützlich.

"Regulierungsbehörden sollten sich endlich trauen, die Vitamin-Industrie stärker zu kontrollieren - ohne abhängig von ihr zu sein", sagt Christian Gluud, der das Kopenhagener Zentrum leitet. "Hier ist die Politik dringend gefragt." Um Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen, muss nicht ein Hauch von Nutzen nachgewiesen, sondern nur der hygienische Standard eingehalten werden. Im Jahr 2006 wurde allein in Deutschland ein Umsatz von 465 Millionen Euro mit Vitaminzusätzen erwirtschaftet - Umsätze von Discountern nicht mitgerechnet.

Schon 2007 hatte das dänische Autorenteam einen Extrakt der Daten im angesehenen Journal of the American Medical Association publiziert. Seinerzeit gab es einen empörten Aufschrei von Vitamingläubigen und industrienahen Forschern. "Auch nach gründlicher Überarbeitung dieser zusammenfassenden Studie zeigt sich, dass Vitaminzusätze im Mittel eher schaden als nutzen", sagt Gerd Antes, der das deutsche Cochrane-Zentrum in Freiburg leitet. "Die Kritik vom Vorjahr hat nichts an dieser Aussage geändert."

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