Afghanistan-Veteran Charlie Wilson:Hallodri mit Hang zur Außenpolitik

Wie der verstorbene Charlie Wilson einst durchsetzte, dass die USA die Mudschaheddin in Afghanistan gegen die Sowjets unterstützten.

Von Reymer Klüver

Dieser Text ist erstmals in der SZ vom 12. Februar 2010 erschienen.

Charlie Wilson Afghanistan AP

Gemeinsam mit Kriegern im von den Sowjets besetzten Afghanistan: Charlie Wilson

(Foto: Foto: AP)

Es gibt kaum einfache Kongressabgeordnete, aus deren Leben der Stoff für einen Hollywood-Film geworden ist. Der legendäre Mr. Smith vielleicht - aber der aufrechte Senator, den einst James Stewart spielte, war eine komplette Erfindung. Das kann man von Charlie Wilson nicht behaupten.

Im Gegenteil: Nicht wenige sagen, dass der Film Der Krieg des Charlie Wilson mit Tom Hanks in der Hauptrolle das pralle Leben des Titelhelden noch sehr zurückhaltend darstellt.

In jedem Fall hat der Streifen aus dem Jahr 2007 dem früheren demokratischen Kongressabgeordneten Charles Nesbitt Wilson aus der Kleinstadt Lufkin in Texas spät, aber verdient den Ruhm verschafft, der ihm gebührt: Nur ihm war es in den achtziger Jahren zu verdanken, dass die USA die Mudschaheddin in Afghanistan aufrüsteten und so in die Lage versetzten, die sowjetischen Besatzer in einem zähen Krieg aus ihrem Land zu vertreiben.

"Das hat er allein geschafft", sagte damals der pakistanische Präsident Zia-ul-Haq.

Am Mittwoch ist Wilson gestorben. Er wurde 76 Jahre alt.

Tatsächlich verhält es sich mit seiner Lebensleistung so, wie es der Film schildert. Nach einem - durch eine Freundin vermittelten - Besuch Wilsons in einem afghanischen Flüchtlingslager in Pakistan nutzte er seine Position im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses, der für Rüstungsausgaben zuständig ist, um den Mudschaheddin im Laufe der Jahre Milliarden Dollar an geheimer Waffenhilfe zu verschaffen.

Als besonders wirkungsvoll erwiesen sich damals die Stinger-Raketen, die er den Kämpfern gegen den Widerstand des militärischen Establishments in Washington besorgte.

Die texanische Sicht auf Ereignisse

Das Argument, dass die Aufrüstung der Widerstandskämpfer in Afghanistan das Erstarken der islamischen Fanatiker dort erst ermöglicht habe, wischte Wilson stets beiseite: Die Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjets alleinzulassen, "wäre so gewesen, als hätten wir die Sowjets im Zweiten Weltkrieg nicht mit Waffen gegen Hitler versorgt".

Tatsächlich setzte sich Wilson nach dem Abzug der Sowjets - vergeblich - für massive Wiederaufbauhilfe in Afghanistan ein.

Wilson war gewiss kein strategischer Kopf, er hatte eine eher texanische Sicht der weltpolitischen Ereignisse: "Ich glaube, wir sind den Russen was schuldig", antwortete er auf die Frage, warum er sich so für den Kampf der Mudschaheddin stark machte. Schließlich hatten die Russen die Nordvietnamesen im Vietnamkrieg mit Waffen versorgt.

Ehe er daran ging, die Weltpolitik zu verändern (aber auch noch danach), beruhte Wilsons Ruhm mehr auf Erfolgen in anderen Gebieten. In der US-Hauptstadt und in seiner texanischen Heimat war er allgemein unter seinem Spitznamen Good Time Charlie bekannt, was seinen Hang zu Partys mit reichlich Alkohol und deutlich jüngeren Frauen vornehm umschrieb.

Wilson ließ es ein Leben lang krachen. Erst gegen Ende seiner Laufbahn - 1996 verzichtete er auf eine neuerliche Kandidatur -, wurde es stiller um ihn. Wilson erkrankte schwer und bekam 2007 ein neues Herz.

Mit nackten Frauen im Whirlpool

In seinen wilden Jahren aber hat er mindestens zwei Autos in nächtlichen Unfällen zerlegt. Die Sekretärinnen in seinem Büro im Repräsentantenhaus wurden im Kongress Charlie's Angels genannt, frei nach den Schönheiten in der damals bekannten Fernsehserie Drei Engel für Charlie.

Dass er den Einsatz von Wahlkampfspenden großzügig auslegte, hat ihm ein Strafgeld von 90.000 Dollar eingebracht. Seinen Freundinnen gab er mit Vorliebe Spitznamen: Schneeflocke etwa, Tornado oder auch Knallfrosch. In Las Vegas stieg er mit unbekleideten jungen Frauen in einen Whirlpool.

Und der Umstand, dass bei derlei Bacchanalien Kokain geschnupft wurde, hat ihm seinerzeit einen Staatsanwalt namens Rudy Giuliani, den späteren New Yorker Bürgermeister, auf den Hals gehetzt. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

All das sind Sünden, die - jede für sich genommen - heute einem Kongressabgeordneten den Job kosten dürften und anderen auch damals schon gefährlich geworden wären. Nicht so im Falle von Charlie Wilson.

Seine Eskapaden haben seinen Ruf bei seinen Wählern eher noch bestärkt. "Er war ein Hallodri", sagte der Bürgermeister seines Heimatortes Lufkin nun liebevoll, "aber er war unser Hallodri."

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