Klimaerwärmung:Beschleunigte Gletscherschmelze

Der Meeresspiegel könnte erheblich schneller steigen als es der Klimabeirat der Vereinten Nationen vorhergesagt hat - und zwar um bis zu 70 Zentimetern.

Axel Bojanowski

Der Meeresspiegel könnte als Folge der Klimaerwärmung schneller steigen als es der Klimabeirat der Vereinten Nationen IPCC im Februar vorhergesagt hat. Gletscher, die ins Meer münden, würden schneller tauen, prognostizieren Experten um Mark Meier von der University of Colorado im Magazin Science (online). Gletscher außerhalb der Antarktis und Grönlands könnten deshalb doppelt so stark zum Anstieg der Meere beitragen als bislang vermutet.

Klimaerwärmung: Der Columbia-Gletscher im kanadischen Jasper National Park.

Der Columbia-Gletscher im kanadischen Jasper National Park.

(Foto: Foto: AP/Travel Alberta, HO)

Diese Eismassen hätten - obgleich sie nur ein Hundertstel des Eises weltweit enthalten - in den vergangenen Jahren mehr als die Hälfte des Schmelzwassers abgeführt, das in die Ozeane gelangt sei, schreiben Meier und seine Kollegen.

Allein das Tauen dieser Gletscher könnte die Weltmeere in diesem Jahrhundert um einen Viertelmeter anschwellen lassen. Der IPCC kalkuliert lediglich mit einem halb so großen Beitrag. Insgesamt müsste die Prognose für den Meeresspiegelanstieg in diesem Jahrhundert demnach von 18 bis 59 Zentimeter auf bis zu etwa 70 Zentimeter angehoben werden.

Die neue Studie stützt sich auf Beobachtungen, die in den vergangenen Jahren an einzelnen Gletschern gemacht wurden. So habe der Columbia-Gletscher an der Pazifikküste Alaskas in den vergangenen Jahren sein Abschmelzen deutlich beschleunigt. Gletscher, die ins Meer ragen, sind an ihrem unteren Ende instabil, weil ihre Zungen häufig auf dem Wasser schwimmen. Die Erwärmung könnte das Abbrechen der Zungen bei vielen Küsten-Gletschern beschleunigen, meinen Meier und seine Kollegen.

Die Prognose sei jedoch "gewagt", findet der Gletscherforscher Heinrich Miller vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Aus wenigen Beobachtungen lasse sich kaum eine Gesamtprognose ableiten, zumal da unbekannt sei, wie viele Küsten-Gletscher es überhaupt gebe.

Zudem sei das Verhalten der Eispanzer ungenügend bekannt. "Nachdem Gletscher sich beschleunigt haben, verlangsamen sie sich meist wieder", sagt Miller. Warum sie eigentlich ihre Geschwindigkeit verändern, bleibe häufig unklar. Gleichwohl, so räumt auch Miller ein, müsse das schnellere Schrumpfen mancher Küsten-Gletscher noch genauer erforscht werden.

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