Münchnerin fertigt Tierköpfe aus Filz:Trophäe ohne Todesschuss

Filz und Nadel statt Gewehr: Miriam Stark bastelt Jagd-Trophäen, für die kein Tier sterben muss. Die Kreationen der früheren Tierärztin sind sehr begehrt - vor allem Frauen sind interessiert.

Steve Przybilla

Wenn bei Miriam Stark das Telefon klingelt, geht es mitunter skurril zu. "Neulich rief mich eine Kundin an, die bei mir eine Wildsau bestellt hat", erinnert sich Stark. Ohne es zu ahnen, sollte dieser Schritt der Dame bald beim Bekämpfen von Gewissensbissen helfen: "Die Frau hat kurze Zeit später einen Keiler überfahren und hofft nun, dass seine Seele in den Tierkopf übergeht, den ich ihr gebastelt habe."

Was nach einer verrückten Geschichte klingt, hängt mit Miriam Starks beruflicher Tätigkeit zusammen. Die 35-Jährige fertigt lebensgroße Tierköpfe aus Filz. Betritt man ihr Wohnzimmer, macht man als erstes mit einem Hirsch Bekanntschaft, der wie in einer Kneipe an der Wand thront.

"Ich fand es schon immer interessant zu filzen", beschreibt die gelernte Tierärztin, wie sie ihre außergewöhnliche Tätigkeit begann. "Als mein Sohn vor zweieinhalb Jahren auf die Welt kam, habe ich angefangen, ihm einen Bauernhof aus Filz zu basteln." Wie ein Tierkopf aufgebaut ist, musste sich Stark dank ihres Studiums nicht lange anlesen. "Real-anatomisch" nennt sie ihre Kreationen, Spezialität: Jagdwild.

Aktuelle Projekte sind ein junges Reh, das noch vollendet werden muss, außerdem wartet eine halb fertige Wildsau auf letzte Stiche mit der Filznadel. Wolle, Knöpfe, Geweihe, Glasaugen: In ihrem Haus in Putzbrunn hat sich Miriam Stark ein kleines Dach-Atelier als persönliches Revier eingerichtet.

"Nach der Geburt meines Sohnes habe ich aufgehört als Tierärztin zu arbeiten und nach etwas Neuem gesucht", sagt die gebürtige Nürnbergerin. "Jetzt kann ich mich um ihn kümmern und zwischendurch in Ruhe an den Tierköpfen arbeiten." Als Hobby wollte sie die Bastelarbeit nicht betreiben: "Ich suche die Herausforderung, also habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, die Köpfe zu vertreiben."

Moralisch korrekte Trophäe

Die gibt es inzwischen. Auf dem Internetportal "Dawanda", auf dem selbstgebastelte Geschenke verkauft werden, kann man seit einiger Zeit die Werke der jungen Mutter erstehen. "Eine wahre Marktlücke", freut sich Miriam Stark, "denn die meisten Tierköpfe, die irgendwo hängen, sind echt. Und das ist nicht jedermanns Sache."

Bei ihren flauschigen Rehen und Wildschweinen müsse dagegen niemand moralische Hemmungen haben. Fünfzig von ihnen hat die ehemalige Tierärztin inzwischen schon verkauft. "Viele Frauen bestellen einen Tierkopf für ihren Mann", sagt Stark, "aber auch die Männer selbst holen auf."

Ein Optiker hat erst kürzlich ein Modell bestellt, auch bei vielen Jägern kommen die Tiere, die nicht erst erlegt werden müssen, immer besser an. Miriam Stark behandelt ihre Tiere liebevoll, fast so, als seien sie lebendig. "Der sieht noch gar nicht gut aus", sagt sie zu einem halb fertigen Wildschwein, das ihr Atelier in ein knalliges Orange taucht - vor allem gewerbliche Kunden bestellen oft Modelle in den Farben ihrer Firmenlogos.

Nicht nur das Filzen ist Handarbeit: "Die Augen kann man bei Ebay bestellen. Die Geweihe bekomme ich von Leuten, die noch eins im Zimmer hängen oder geerbt haben." Auch die Wildköpfe aus Filz zieren also echte Jagdtrophäen. Jetzt, in der Vor-Oster-Zeit, muss die junge Künstlerin Gas geben.

"Das Ganze steht mittlerweile an der Grenze zu einem richtigen Job", sagt Stark, deren Lieblingsschöpfung bisher ein Zebra war. Drei bis vier Wochen braucht sie für einen Elch oder einen Hirsch, größere Objekte können auch schon mal doppelt so lange dauern. Nur "Kleinkram" mag die Künstlerin nicht - was sie bastelt, sollte die Größe von Jagdwild haben.

Es muss aber nicht immer gleich ein Koloss sein: Während eine Wildsau um die 750 Euro kostet, stellt Miriam Stark einen Hasen für 160 Euro her. Handarbeit hat eben ihren Preis.

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