Busse und Bahnen:Eine GmbH übernimmt den Nahverkehr

Um Konkurrenten abzuwehren, lagert die Stadt den MVV-Betrieb in die neue Verkehrsgesellschaft aus

Dominik Hutter

(SZ vom 29.3.2001) - Im MVV-Netz wird voraussichtlich noch in diesem Jahr ein neues Verkehrsunternehmen an den Start gehen: die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG.

Sie übernimmt sämtliche U-Bahn-, Tram- und Buslinien der Stadtwerke - mit deren Segen: Die MVG ist als Tochter des kommunalen Unternehmens geplant und soll schwarze Zahlen schreiben.

Die Gründung der Verkehrs-Tochter ist Thema in der Aufsichtsrats-Sitzung am kommenden Mittwoch. Wenn das Konzept abgesegnet wird, könnte der Stadtrat noch vor der Sommerpause über die MVG abstimmen.

Unternehmen ohne Personal

Das neue Unternehmen soll vorerst weder über Personal noch über Fahrzeuge oder Gleise verfügen - dies alles verbleibt im Besitz der Stadtwerke München (SWM) und wird angemietet. An die MVG überschrieben werden jedoch die Konzessionen der MVV-Linien: Die Stadtwerke betreiben heute 138Kilometer U-Bahn, 98 Kilometer Tram und 575Kilometer Bus.

Hintergrund ist der zunehmende Wettbewerb im Nahverkehr. Die Stadtwerke haben schlicht Angst, ihre Linien-Konzessionen zu verlieren. Rund 50Prozent aller Bus-Lizenzen bestätigt Verkehrsbetriebe-Geschäftsführer Herbert König, laufen in den nächsten Jahren aus.

Das bedeutet nach geltendem Recht: Falls das Verkehrsunternehmen rote Zahlen schreibt, muss die Stadt die Strecken öffentlich ausschreiben.

Bislang konnten die Stadtwerke ihre Nahverkehrs-Defizite durch den so genannten Querverbund ausgleichen: Überweisungen aus dem Energiesektor sorgten für eine ausgeglichene Bilanz. Doch die Energie-Gewinne bröckeln - der Querverbund ist am Ende.

Damit aber, befürchtet König, könnten bald auch die kommunalen Verkehrsbetriebe am Ende sein.

Falls einzelne Konzessionen verloren gehen, gilt ein Domino-Effekt als wahrscheinlich - "Global Players" könnten die Stadtwerke zumindest aus dem Bus-Sektor komplett verdrängen. Also müssen schwarze Zahlen her - und das geht nur ohne Altlasten: Rund 85Millionen Mark pro Jahr etwa müssen für Pensionszahlungen aufgewendet werden - ein Relikt aus der Zeit, als die Stadtwerke noch Teil des öffentlichen Dienstes waren.

Sonderbelastungen bleiben bei den Stadtwerken

Dazu kommen die Instandhaltung der U-Bahn-Tunnel, das hohe Lohn-Niveau und ein Verwaltungsapparat, der ebenfalls optimiert und abgespeckt werden muss. Sämtliche Sonderbelastungen sollen daher bei den Stadtwerken verbleiben - das Verkehrsunternehmen MVG mietet nach marktüblichen Preisen Personal, Organisation, Fahrzeuge und Infrastruktur an. Gewünschtes Ergebnis: schwarze Zahlen bei der MVG - und damit Erhalt der Konzessionen.

Was wie ein Taschenspielertrick aussieht, ist König zufolge durchaus üblich und wird sogar von der EU empfohlen. Für den Wettbewerb auf einem ganz liberalisierten Nahverkehrs-Markt allerdings reicht das noch lange nicht aus. Der aber steht in den nächsten Jahren bevor: Die EU bastelt bereits seit einiger Zeit an entsprechenden Konzepten.

Für die Fahrgäste ändert sich nichts

Da noch nicht klar ist, nach welchen Regeln der Bus-und-Bahn-Markt organisiert wird, wollen sich die Stadtwerke alle Türen offen halten - der jetzige erste Schritt dient erst einmal dem Konzessions-Erhalt. Wie der zweite Schritt aussieht, hängt dann von den EU- Richtlinien ab - möglicherweise ist später eine Übernahme auch von Fahrzeugen und Personal sinnvoll.

Für die Fahrgäste ändert sich vorerst nichts - außer dass sie nicht mehr SWM-, sondern MVG-Kunden sind. Möglicherweise würde auch eine Übernahme der SWM-Linien durch ein anderes Verkehrsunternehmen nicht sonderlich auffallen. Nur: Die Stadt hätte plötzlich ein Pleite-Unternehmen am Hals - und einige Arbeitslose mehr zu versorgen.

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