Datenkrake Google:Rasterfahndung nach Treulosen

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Größer, schneller, höher! Das sind die Maximen, für die Google steht. Doch erstmals schrumpft die Belegschaft. Der Datenkrake reagiert typisch.

Paul Katzenberger

Auf den ersten Blick steht Google da wie immer: makellos. Selbst im Krisenjahr 2009 steigerte der Suchmaschinenbetreiber seinen operativen Gewinn um satte 25 Prozent auf 8,3 Milliarden Dollar und erzielte damit eine Umsatz­ren­dite von traumhaften 35 Prozent.

Doch es gibt auch Entwicklungen, die selbst Google leicht verunsichert erscheinen lassen: Tief vergraben in der Jahresmeldung an die US-Börsenaufsicht SEC legte der Suchmaschinenbetreiber erstmals Zahlen offen, die einen Rückgang signalisieren. Demnach schrumpfte 2009 die Belegschaft - das hatte es in der Unternehmensgeschichte bislang nicht gegeben.

Google-Personalchef Laszlo Bock wiegelt ab. Der Stellenabbau von 20.222 auf 19.835 Mitarbeiter innerhalb eines Jahres sei der Finanzkrise geschuldet. Da die wirtschaftlichen Aussichten zu Beginn des vergangenen Jahres sehr unübersichtlich gewesen seien, habe Google weniger neues Personal eingestellt als zuvor. "Die geringere Belegschaftsgröße im Jahr 2009 wurde deutlich stärker durch unsere verhaltene Einstellungspolitik verursacht als durch Abgänge", sagte er zu sueddeutsche.de.

Befürchteter brain drain

Typisch für ein Krisenjahr betrafen die Kürzungen in der Tat in erster Linie Vertrieb und Marketing. Doch für das Jahr 2010 sei Google entschlossen, wieder aggressiv einzustellen, versichert Bock.

Doch nicht alle Abgänge des vergangenen Jahres lassen sich so leicht kompensieren. Kopfzerbrechen bereitet den Google-Personalverantwortlichen vor allem die Abwanderung von hochqualifizierten Beschäftigten, der brain drain.

Google verlor im vergangenen Jahr nicht nur Vertriebschef Tim Armstrong, sondern auch Anzeigenchef David Rosenblatt, Chefdesigner Doug Bouwman und weitere wichtige Figuren. Zuletzt wurde publik, dass der Strategiemanager der Google-Tochter YouTube, Daniel Maloney, die Segel streichen will.

Google hat damit die typischen Probleme rasch wachsender Firmen. Gerade kreative Köpfe wollen nicht eine kleine Nummer in einer riesigen Maschinerie sein, sondern häufig in einem überschaubaren Laden arbeiten, in dem sie Dinge bewegen können.

Zudem haben sich inzwischen im oberen Managementbereich des Konzerns feste Strukturen gebildet - für den eigentlich fälligen nächsten Schritt auf der Karriereleiter müssen viele talentierte Mitarbeiter zu anderen Unternehmen wechseln. Im einflussreichen Branchenblog Silicon Alley Insider kritisiert ein anonymer Ex-Mitarbeiter das Unternehmen dafür, inzwischen sehr vertikal zu entscheiden. Übersetzt bedeutet dies: Selbst Mitarbeiter im mittleren Management haben wenig Entscheidungsspielraum weil die Chefetage alles unter Kontrolle behalten möchte.

Auch Google ist inzwischen zu groß dafür, um als Spielwiese von EDV- und Technikfreaks zu dienen, doch in Reaktion auf diese Sachlage behielt das Unternehmen die Grundsätze der Gründerzeit bei: Es versuchte dem Personalproblem mit einem mathematischen Algorithmus beizukommen. Rein quantitative Ansätze, bei denen etwa Merkmale wie Alter, Bildungsstand, Berufserfahrung oder Dauer der Firmenzugehörigkeit in einen funktionalen Zusammenhang zur Arbeitszufriedenheit gebracht werden, sind für Personaler etwas Neues, doch passen zu Google. Schließlich gehört es zu den zehn goldenen Unternehmensregeln, Entscheidungen von Googles wichtigster Resource abhängig zu machen: Möglichst große Datenmengen, gepresst in eine mathematische Formel.

Keine Details zur Formel

Von offizieller Seite sei wenig über die Formel zu erfahren, schrieb das Wall Street Journal. Bekannt sei lediglich, dass die Gleichung bereits Mit­ar­beiter identifiziert habe, die sich unausgelastet fühlten. Unterbeschäftigung gilt bei Personalern als wichtiges Motiv bei Kündigungen.

Doch immerhin tönt Bock, dass der quantitative Ansatz Google helfe, "in die Köpfe der Menschen zu kommen, bevor sie überhaupt wissen, dass sie das Unternehmen verlassen wollen."

Dass Google bereits mehr über seine Mitarbeiter weiß als diese über sich selbst, will Bock nicht bestätigen: "Wir versuchen in groben Zügen herauszufinden, welche typischen Eigenschaften Mitarbeiter aufweisen, die das Unternehmen wahrscheinlich verlassen wollen", so der Personalchef zu sueddeutsche.de. Mit jenen Kollegen, die in dieses Raster geraten seien, würden dann "produktive Gespräche" geführt.

Fürsorglicher kann ein Unternehmen zu seinen Mitarbeitern kaum sein.

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