Radsport:Contador gewinnt die Vuelta

Nach einer Vuelta mit der üblichen Doping-Verharmlosung feiert Spanien Contador als historischen Sieger.

Javier Cáceres

Als Alberto Contador am Sonntag auf Madrids Prachtboulevards einbog, das ihm nun nicht mehr zu nehmende, goldene Trikot des Führenden der Spanienrundfahrt Vuelta auf dem Leib, waren ihm die Huldigungen der spanischen Sportpresse schon gewiss. ,,Legende'' hauchte Marca ergriffen, das Konkurrenzblatt As taufte ihn um, in ,,Alberto Ganador'', Alberto Sieger. Dabei wäre der großartige Titel, würde nur der reine Tempovergleich zählen, nur äußerst knapp zustande gekommen. Brutto hatte Alberto Contador zwar nach dem letzten Bergzeitfahren 46 Sekunden auf den Zweitplatzierten, Astana-Teamkamerad Levi Leipheimer, herausgefahren. Doch rechnete man Contadors Zeitgutschriften für seine diversen Zielplatzierungen dieser Vuelta weg, so hätte der Vorsprung nach insgesamt 3133800 Metern 67 Hundertstel betragen. Nicht gerade viel. Aber letztlich genug, für einen Handstreich mit historischen Zügen.

Radsport: Küsschen für den Sieger: Vuelta-Champion Contador

Küsschen für den Sieger: Vuelta-Champion Contador

(Foto: Foto: AFP)

In einem Zeitraum von fünfzehn Monaten schaffte es Contador, die Tour de France, den Giro d'Italia und nun also auch die Vuelta zu gewinnen, zuvor hatten bloß Eddy Merckx, Jacques Anquetil, Bernard Hinault und Felice Gimondi einen solchen Rundumschlag landen können. Keiner von ihnen schaffte dies aber in einem solchen Tempo wie Contador: Hinault brauchte 26 Monate, um das Triple zu komplettieren, Anquetil sechs Jahre. Hinault und Gimondi bleibt immerhin der Trost, jünger gewesen zu sein als Contador jetzt (25 Jahre und 10 Monate), als sie den Hattrick vervollständigten. Auch Contadors Giro-Vuelta-Doppelpack ist nur zwei Menschen vor ihm gelungen, dem Italiener Giovanni Battaglin (1981) und dem Belgier Merckx (1973). ,,Das war alles unvorstellbar'', sagte Contador, zumal sein Saisonplan vorher anders aussah, ,,dieses Jahr wollte ich eigentlich nur die Tour fahren''. Doch die Tour wollte sein Astana-Team nicht dabei haben.

Wegen diverser Vorfälle, die mit einer Vokabel zusammenhängen, die während des Verlaufs der Vuelta wieder einmal keine Rolle spielte: Doping. Der Verlauf der Vuelta bleibt ja traditionell von imageschädigenden Enthüllungen verschont; wenn überhaupt, wird lange nach Beendigung des Wettbewerbs mal ein Pröbchen für positiv befunden. Zuletzt geschah dies 2004, als der frühere Armstrong-Helfer Tyler Hamilton des Blutdopings überführt wurde.

Immerhin wurde nicht enttäuscht, wer sich einen Begriff davon machen wollte, welche Schlüsse Spaniens Radsport aus dem (noch immer nicht aufgeklärten) Dopingskandal namens Operación Puerto gezogen hat. Denn am Vorabend der Vuelta-Zielankunft gab der Königliche Radsportverband bekannt, wen er zur WM im italienischen Varese mitzunehmen gedenkt, und siehe: auch Rubén Plaza darf die spanischen Farben vertreten.

Plaza war im Zuge der Puerto-Affäre als Kunde des Dopingarztes Eufemiano Fuentes identifiziert und mit Dutzenden weiteren Fahrern von der Tour de France im Jahr 2006 ausgeschlossen worden. Mittlerweile verdient er sein Geld in Portugal, beim Radsportteam von Benfica Lissabon, wo der frühere Arzt von Miguel Indurain, Sabino Padilla, wirken darf. ,,Wenn Erik Zabel (Deutschland) und Santiago Botero (Kolumbien) (ausgewiesene Dopingsünder, d. Red.) fahren dürfen - warum nicht Rubén Plaza?'', fragte Spaniens Nationalcoach Paco Anquetera. Und reihte sich damit nahtlos in die Argumentationskette ein, die Spaniens aktueller Radsportheld Alberto Contador schon vor der Vuelta vorgegeben hatte.

Die Sponsoren wandern ab

Natürlich habe es vor der Tour de France ein paar Dopingfälle von Spaniern gegeben. ,,Doch das bedeutet doch nichts. Diese Dinge kommen überall vor'', hatte Alberto Contador gesagt, dessen Initialen ,,A.C.'' in der Kundenkartei von Fuentes auch auftauchten. Was genau so wenig zu sagen haben soll wie der Umstand, dass die Doping-Parade-Sparte Radsport im Jahr 2008 fest in spanischer Hand ist. Ob beim Giro d'Italia (Contador), der Tour de France (Carlos Sastre), den Olympischen Spielen in Peking (Samuel Sanchez) oder eben der Vuelta - stets wurde am Ende ein Iberer auf dem höchsten Platz des Treppchens von den Hostessen abgebusselt und anschließend von Jaime Lissavetsky, dem Sportstaatssekretär der sozialistischen Regierung, innigst geherzt. ,,Es gibt Jahre, da passt eben alles'', sagte Contador. Que viva España!

Für Spaniens angeschlagene Radsportindustrie ist diese massive Präsenz nationaler Heroen natürlich Balsam. Die Vuelta ist gerade zu 49 Prozent in französischen Besitz übergegangen, und dass auch in Spanien das Geschäft mit dem Zweirad gebrandmarkt ist, zeigt sich vor allem an der massiven Abwanderung privater Sponsoren. Statt sich von Blutskandalen besudeln zu lassen, ziehen sie es vor, auf Basketball-Stars wie den NBA-Profi Pau Gasol, den Formel-1-Champion Fernando Alonso oder den Tennis-Held Rafael Nadal zu setzen.

Ob sich das auf mittlere Sicht ändert? An den Straßenrändern jedenfalls war wieder mehr Publikum zu sehen; es zahlte sich aus, dass die Etappenziele von den Dörfern wieder in die größeren Städte getragen wurden, die bis zu sechsstellige Summen für die Ehre einer Zielankunft investierten. Nichts erheischte freilich mehr Aufmerksamkeit als die Programm-Rückkehr der mörderisch spektakulären Kletterei am Angliru, nachdem die Veranstalter den asturischen Koloss mit seinen über 23-prozentigen Steigungen sechs Jahre lang umgangen hatten. Dort erzielte der staatliche spanische Sender TVE die zweitbeste Einschaltquote in der 25-jährigen Fernsehgeschichte der Vuelta. Und Contador einen Triumph, der ihm schließlich die Kontrolle über die 63. Vuelta sicherte.

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