Josef Mengele und der Mossad:"Ben Gurion wollte nur einen Prozess"

Dr. Josef Mengele, 1956

Dieses Bild legte Josef Mengele 1956 den argentinischen Behörden vor, als er unter seinem richtigen Namen einen Personalausweis beantragte. Nach dem Krieg hielt sich Mengele bis zu seinem Tod 1979 in Südamerika verborgen.

(Foto: AP)

Sie wussten, wo er ist, aber griffen nicht zu: Die israelischen Ermittler nahmen den KZ-Arzt und Massenmörder nicht fest - der Sekretär von Staatsgründer Ben Gurion hat eine Erklärung dafür.

Oliver Das Gupta

Seit Kriegsende wird nach untergetauchten Nazi-Kriegsverbrechern gefahndet, mal erfolgreich, oft ohne Ergebnis - wie bei Josef Mengele. Der SS-Mann war Arzt im Konzentrationslager Auschwitz, "selektierte" Neuankömmlinge für die Gaskammer und nahm unfassbar grausame Menschenversuche vor.

Josef Mengele und der Mossad: Josef Mengele alias Wolfgang Gerhard auf einer undatierten Aufnahme

Josef Mengele alias Wolfgang Gerhard auf einer undatierten Aufnahme

(Foto: Foto: AP)

Der gebürtige Schwabe Mengele lebte nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst unerkannt in Westdeutschland. Bald avancierte er zu einem der meistgesuchten NS-Verbrecher. Mengele flüchtete 1949 nach Argentinien und wurde 1959 Bürger von Paraguay.

Der israelische Geheimdienst Mossad konnte ihn im Jahre 1960 in Argentinien lokalisieren, erzählte nun Rafi Eitan der Jerusalem Post.

Der heutige Kabinettsminister und damalige Mossad-Agent sagte, man habe damals bewusst darauf verzichtet, Mengele festzunehmen - weil man eine andere Aktion nicht gefährden wollte: den Zugriff auf den Holocaust-Organisator Adolf Eichmann.

Eitan, der inzwischen 81 Jahre alt ist, war damals Mitglied des Mossad-Teams, das Eichmann in Buenos Aires entführte und nach Israel brachte. Dort wurde der Planer der systematischen Judenvernichtung vor ein Gericht gestellt.

Das Verfahren endete mit dem Todesurteil und der Hinrichtung des SS-Mannes 1962.

Für Ex-Agent Eitan ist es auch aus heutiger Sicht damals die richtige Entscheidung gewesen, sich nur auf Eichmanns Entführung zu konzentrieren und die Causa Mengele zurückzustellen.

"Die Frage war, ob wir beide Operationen gleichzeitig durchführen sollten", so Eitan. "Ich sagte: 'Danke, aber ich habe Eichmann in der Hand und will ihn nicht verlieren'".

Eichmann sei für die Israelis die wichtigere Person gewesen. "Mengele war der brutale Doktor, ein Tier", so Eitan, "doch als Teil der Nazi-Maschinerie nur eine kleine Schraube."

Offenbar gab es noch einen zweiten Grund, um bei Mengele anders als bei Eichmann zu verfahren. Der Eichmann-Prozess habe solch eine "Wucht" gehabt, dass Israels Premierminister David Ben Gurion es dabei belassen wollte, erzählt Ari Rath im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Jede Wiederholung hätte diese Wirkung geschwächt. Ben Gurion wollte nur einen Prozess."

Rath, zeitweise Sekretär Ben Gurions und danach Chefredakteur der Jerusalem Post, sagt, der legendäre Staatsgründer habe sich indirekt für eine Liquidierung Mengeles ausgesprochen.

Eine Woche nach Eichmanns Entführung reiste ein Mossad-Team nach Argentinien, um nach Mengele zu suchen. Doch der "Todesengel von Auschwitz" war inzwischen verschwunden.

Der KZ-Arzt ließ sich schließlich in Brasilien nieder, er nannte sich Wolfgang Gerhard. 1979 ertrank der Schnurrbartträger beim Schwimmen vor der Küste, nachdem er einen Schlaganfall erlitten hatte. Seinen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen zufolge war er bis zuletzt ein überzeugter Nazi.

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