DIW-Chef Zimmermann:"Manch einer fühlt sich überfordert"

DIW-Chef Klaus Zimmermann über Vorwürfe der Misswirtschaft, seine Gegner - und die Expansion nach China.

Markus Balser und Marc Beise

Nach den Vorwürfen der Misswirtschaft gegen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geht dessen Präsident Klaus Zimmermann, 57, zum Gegenangriff über. Der umstrittene DIW-Chef räumt Fehler ein, geht aber auch mit seinen Kritikern ins Gericht: "Manch einer fühlt sich überfordert."

SZ: Herr Professor Zimmermann, der Krach um das DIW geht in die entscheidende Runde. Am Donnerstag berät das Kuratorium über die Zukunft des Instituts und Konsequenzen aus der Affäre. Werden Sie danach noch im Amt sein?

Klaus Zimmermann: Es gibt keine gegenteiligen Erkenntnisse und es hat keiner meine Abwahl beantragt. Am Donnerstag geht es nicht um Köpfe, sondern um die Strategie des DIW in den kommenden Jahren. Ich will der Entscheidung des Kuratoriums nicht vorgreifen. Aber ich bin mir ganz sicher, dass mein Bericht dort große Zustimmung erfahren wird.

SZ: Was der Berliner Rechnungshof auf 60 Seiten zusammengetragen hat, ist wenig schmeichelhaft. Das DIW soll es mit den Finanzen nicht so genau genommen haben. Der Vorwurf: Bis zu sieben Millionen Euro an Steuergeldern könnte das Institut verschwendet haben. Was ist schiefgelaufen?

Zimmermann: Der Vorwurf trifft mich und das Institut sehr, aber die wesentlichen Vorwürfe sind vom Berliner Senat widerlegt worden. Wir haben Fehler gemacht. Es hat eine Reihe formeller Fehlentscheidungen gegeben. Ein Beispiel: Wir haben einen Möbelkauf beim Umzug innerhalb Berlins nur bundes- und nicht europaweit ausgeschrieben. Auch wenn kein materieller Schaden entstanden ist, müssen die Abläufe verbessert werden. Und wir arbeiten daran. Aber die angeblichen Größenordnungen sind weit von der Realität entfernt.

SZ: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen Sie wegen Untreue aufgenommen. Sie fühlen sich zu Unrecht unter Verdacht?

Zimmermann: Die Staatsanwaltschaft muss solchen Fragen nachgehen - ein Routineakt. Der Berliner Senat selbst hat die meisten Vorwürfe klar entkräftet. Von den sieben Millionen, die als mögliche Schadenssumme vom Rechnungshof genannt wurden, sind noch 150000 Euro übriggeblieben. Ich würde jede Chance ergreifen, den Verdacht endgültig auszuräumen. Wir haben der Staatsanwaltschaft auch sofort jede mögliche Kooperation angeboten.

SZ: Kritiker werfen Ihnen Großmannssucht vor. Musste der Umzug ins neue, pompöse Berliner Domizil im Nobelviertel Mitte wirklich sein?

Zimmermann: Das ist mitnichten pompös. Der Umzug musste aus drei Gründen sein: Die zentrale Lage erleichtert uns die Arbeit. Es ist zeit- und kostensparender, kurzen und direkten Kontakt zu Politik, Wissenschaft, Verbänden oder der Presse zu haben. Zum anderen musste unsere eigene Immobilie in Dahlem ohnehin saniert werden, und wir hätten über kurz oder lang sowieso ausziehen müssen. Außerdem stehen das DIW und auch ich persönlich nach Terroranschlägen noch immer unter Polizeischutz. Der neue Standort ist deutlich sicherer und besser zu überwachen. Das spart Kosten bei der Polizei.

Zoff um Washington

SZ: Die Hauptkritik betrifft das DIW DC. Für drei Mitarbeiter hat Ihre Washingtoner Tochter ein 170-Quadratmeter-Büro in der Nähe des Weißen Hauses für 80.000 Dollar Jahresmiete bezogen. Nachbar: Ex-Außenminister Henry Kissinger. Wundert es Sie wirklich, dass sich Steuerzahler die Augen reiben?

Zimmermann: 80.000 Dollar sind für Washingtoner Mietpreise sehr günstig. Das Büro ist zweckmäßig und keineswegs zu groß. Es gibt drei Büros und einen Seminarraum für 14 Leute, den unser Doktorandenprogramm intensiv nutzt. Mehr nicht.

SZ: An deutschen Unis und Schulen fehlt überall Geld. Berlin ist arm und muss sparen. Sie geben es in Washington aus.

Zimmermann: Wir geben das aus, was uns das Kuratorium, in dem auch der Senat vertreten ist, bewilligt. Im Übrigen müssten Sie dann Berlin auch vorwerfen, Millionen für seine Hochschulexzellenz-Initiative auszugeben. Das DIW braucht diese globale Aufstellung. Wir wollen für Berlin ein Leuchtturm sein und internationale Wissenschaftler anziehen. Dafür brauchen wir diese Präsenz. In Washington sitzen Weltbank, Internationaler Währungsfonds und die besten Denkfabriken der Welt. Nicht vor Ort zu sein und Raum für wissenschaftlichen Austausch zu schaffen, wäre im Zeitalter globaler Ökonomie ein Fehler.

SZ: Kein anderes deutsches Wirtschaftsforschungsinstitut ist vor Ort.

Zimmermann: Wir sind hier, wie häufig, Vorreiter. Die anderen werden folgen. Das ist im Interesse des ganzen Landes.

SZ: Warum?

Zimmermann: Weil die Welt zusammenwächst. Das erfordert Forschung und Beratung in globalen Zusammenhängen. Bei Gipfeln trifft die Bundesregierung auf Präsidenten und Premiers, die von den international besten Forschern mit exzellenten Netzwerken beraten werden. Da gibt es in Deutschland großen Nachholbedarf. Das DIW hat sich - gerade auch durch Washington - einen tollen Ruf erarbeitet und kann Fachkräfte wie den Klimaexperten Karsten Neuhoff oder den Verhaltensökonomen Georg Weizsäcker ins Institut ziehen, die auch von Harvard und anderen Eliteunis umworben werden.

SZ: Sie sind sauer auf Ihre Kritiker?

Zimmermann: Die Art der Diskussion enttäuscht und deprimiert mich. Uns soll öffentlich der Stempel der Verschwendung aufgedrückt werden. Das wird uns bei der Akquirierung von Mitarbeitern Schwierigkeiten machen. Die harte Aufbauarbeit vieler Jahre ist bedroht. Die Sanierung des Instituts, seine wissenschaftliche Neuausrichtung, das Gewinnen neuer spannender Köpfe, die Internationalisierung. Alles das wird nun als Fehlverwendung von Geldern kritisiert. Aber mit einem solchen Reformkurs schafft man sich eben auch Gegner.

Absehbare Reibungen

SZ: In einem offenen Brief werfen Ex-Mitarbeiter Ihnen zerstreuten Führungsstil und Forschungsabteilungen Gesichtslosigkeit vor. Wie erklären Sie sich das?

Zimmermann: Manch einer fühlt sich von den Veränderungen überfordert. Wir haben einen stärker akademischen Weg eingeschlagen. Heute bekommt im DIW keiner eine Stelle auf Dauer, der nicht nachgewiesen hat, dass er ein exzellenter Berater und Forscher ist. Das ist eine Herausforderung, die nicht jeder packt. Reibungen sind da programmiert.

SZ: Haben Sie mal an Rücktritt gedacht- aus Verärgerung oder um Schaden vom Institut abzuwenden?

Zimmermann: Die Vorwürfe haben mich nicht kalt gelassen. Nach diesem Job habe ich mich nie gedrängt. Ich hätte vor meinem Antritt 2000 das Ifo-Institut übernehmen können und habe abgelehnt. Auch beim DIW habe ich gezögert und mich schließlich von Bund und Land überreden lassen. Ich habe die Chance gesehen, im Traditionsinstitut für Deutschland neue Akzente zu setzen. Wir wollten Tabus brechen, Neues aufbauen und wenn nötig durch die Wand gehen. Wir haben in den letzten zehn Jahren alle zusammen im DIW unglaublich viel gemeinsam erreicht. Den Weg will ich weitergehen. Ich bin keiner, der schnell hinwirft.

SZ: Der Strategiestreit könnte sich zuspitzen. Sie wollen das Institut noch internationaler machen. Was werden Sie dem Kuratorium vorschlagen?

Zimmermann: Die Krise hat uns gezeigt: Eine globale Finanz- und Wirtschaftswelt braucht global vernetzte Forschung. Wirtschaftspolitische Strategien werden immer häufiger auch in Brüssel, Peking und Washington entschieden. Wir wollen deshalb die Aktivitäten dort ausbauen, vor allem durch Kooperationen mit Partnern. Gerade auch in China. Das Land wird in wenigen Jahren auch in der akademischen Forschung zu einem der wichtigsten Akteure werden. Wir prüfen deshalb die Anbindung an eine chinesische Forschungseinrichtung. Und wir wollen unsere Forschungsschwerpunkte noch deutlicher profilieren: Etwa in der Umwelt-, Klima- und Energiepolitik. Das DIW soll zu einer der innovativsten Forschungsadressen in Europa werden. Dafür möchte ich in den kommenden fünf Jahren im Institut arbeiten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: