Skilanglauf und Radsport:Domänen des Dopings?

Ein Zeuge vergleicht Doping-Exzesse im Wintersport mit denen beim Radrennen. Ein Ermittler bringt Deutsche mit der Wiener Affäre in Verbindung.

C. Catuogno

Vier Tage vor dem Start der Olympischen Spiele in Vancouver gibt es neue Anhaltspunkte für eine Verstrickung deutscher Wintersportler in die Affäre um das Wiener Blutdopinglabor Humanplasma. Zeugenaussagen hätten "Hinweise auf Sportler aus Deutschland" ergeben, und zwar "aus den Disziplinen Biathlon und Skilanglauf", sagte Arnold Riebenbauer in der ARD-Dokumentation Geheimsache Doping: Eiskalter Betrug, die in der Nacht zum Dienstag (0.15 Uhr) ausgestrahlt wird.

Skilanglauf und Radsport: Kurz vor den Olympischen Spielen.

Kurz vor den Olympischen Spielen.

(Foto: Foto: Getty)

Der Kärtner Richter Riebenbauer war bei der Aufarbeitung der bei Olympia 2006 in Turin aufgeflogenen Affäre Vorsitzender des Disziplinar-Ausschusses des österreichischen Skiverbandes. Damit stellt erstmals ein mit der Causa konkret betrauter Ermittler eine Verbindung von deutschen Athleten zur illegalen Bluttankstelle Humanplasma her, wo sich Athleten verschiedener Disziplinen illegale Bluttransfusionen zuführen ließen.

Nachdem 2006 in Turin österreichische Langläufer und Biathleten im großen Stil mit Blutdoping aufgeflogen waren, wurde Riebenbauers Kommission nur mit der Klärung der österreichischen Fälle beauftragt, allen anderen Hinweisen sei damals nicht nachgegangen worden, sagte er. Allerdings seien damals "insbesondere ausländische Sportler Kunden des Wiener Labors gewesen", so Riebenbauer.

Quelle seiner Behauptungen zu den mutmaßlichen deutschen Kunden seien "Personen aus dem österreichischen Wintersport, die es wissen müssen". Konkrete Namen seien ihm jedoch nicht bekannt.

Diese Aussage deckt sich auch mit den bisherigen Erkenntnissen: Ein Mitglied der damals dreiköpfigen Untersuchungs-Kommission hatte der SZ bereits im Winter 2008 gesagt, man habe umfängliche, belastbare Aussagen über eine Quelle erhalten, die sich aber lediglich dem Ausschusschef Riebenbauer gegenüber geäußert und über zahlreiche internationale Dopingbesucher in Wien berichtet habe.

Damit wird die deutsche Olympiamannschaft kurz vor dem Start der Spiele mit voller Wucht von einem seit Jahren schwelenden Thema eingeholt. Bereits am Sonntag hatte das ZDF ein Zitat des österreichischen NOK-Präsidenten Karl Stoss veröffentlicht, wonach bei Humanplasma "auch eine ganze Reihe deutscher Sportler auf der Liste stehen" sollen. Woher Stoss diese Information bezog, blieb jedoch unklar.

Ähnliche Andeutungen hatte 2008 auch schon der damalige Sportstaatssekretär in Wien, Reinhold Lopatka, in der SZ gemacht. Christian Klaue, Sprecher des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB), legt nun allerdings Wert auf die Feststellung, den deutschen Verbänden sei auf Nachfrage bei den zuständigen Stellen in Österreich stets versichert worden, "dass es keine Hinweise auf deutsche Athleten gebe".

Neben dem Ermittler Riebenbauer kommt in dem 30-minütigen ARD-Beitrag anonymisiert auch ein "nordischer Skisportler" zu Wort, der als "WM- und Olympia-Teilnehmer" vorgestellt wird und "aus Mitteleuropa" stammen soll.

Er setzt aus eigener Erfahrung die Doping-Verseuchung seiner Sparte mit den Auswüchsen im Radsport gleich: "Die Doping-Situation im nordischen Skisport ist nicht viel anders", sagt er: "Vor allem im Skilanglauf habe ich mitbekommen, dass in der Weltspitze massiv gedopt wird. Gerade auf längeren Distanzen ist es unmöglich, ohne, ich sag' jetzt mal EPO oder Blutdoping, dass man jetzt irgendwo vorne mitläuft. Ich war bei Olympia gedopt, und keiner hat es gemerkt."

Erwischt würden auch in Vancouver wieder nur jene, "die nicht wissen, wie Doping wirklich funktioniert". Der ehemalige österreichische Langlauftrainer Walter Mayer, der sich 2006 bei den Olympischen Spielen in Turin der Polizei-Verfolgung durch Flucht entzog, erklärte, Nach-Tests von Turin würden "sehr viele Medaillengewinner in schlechtes Licht" rücken.

Im Gegensatz zu denen aus Peking wurden Dopingproben aus Turin nicht nachträglich analysiert.

Das genommen, was Mühlegg auch nahm

Der von der ARD nicht näher identifizierte Wintersportler gibt noch weitere Einblicke in die kriminelle Parallelwelt des Profisports: Bei den Spielen in Salt Lake City 2002 sei zwar der für Spanien startende Langläufer Johan Mühlegg mit dem verbotenen Wirkstoff Aranesp im Körper "aus dem Verkehr gezogen" worden. Er selbst und auch andere hätten damals allerdings "das Gleiche genommen, und es wurde nicht gefunden".

Auch in den Räumen der Blutbank Humanplasma in Wien, wo er sich selbst regelmäßig habe Blut entnehmen und vor Wettkämpfen reinfundieren lassen, habe er "andere nordische Skisportler" getroffen. "Man war froh, dass man es gehabt hat, um Chancengleichheit herzustellen", sagte der Athlet. Nach Aussagen der Macher des ARD-Beitrages erwägt der Kronzeuge, in nächster Zeit seine Anonymität aufzugeben.

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