Floyd Landis:Tour des Tingelns

Unterstützt von geheimen Gönnern reist Floyd Landis durch die USA - er will mehr als einen Freispruch.

Sebastian Moll

Nach einer guten Stunde hatte die versammelte New Yorker Radsportszene offenbar genug Dopinggeschichten gehört. Floyd Landis, so wurde aus dem rund 200 Personen starken Publikum in der Abfüllhalle einer Brooklyner Brauerei gefordert, solle doch lieber nochmal die Geschichte von der Etappe bei der letzten Tour de France erzählen, als er mit seinem heroischen Ritt das Gelbe Trikot eroberte. Landis ließ sich nicht zweimal bitten und führte die gebannt an seinen Lippen hängenden Radler in jedem Detail noch einmal durch jene Stunden, in denen er es diesen Deutschen und diesen Spaniern in den Alpen gezeigt hatte. Die Fans dankten dem in skeptischeren Teilen der Welt geächteten Champion mit ausgedehntem Applaus, und Landis gönnte sich mit einem tief zufriedenen Gesichtsausdruck einen großen Schluck der Hausmarke.

Will mehr als einen Freispruch: Floyd Landis.

Will mehr als einen Freispruch: Floyd Landis.

(Foto: Foto: dpa)

Das Ziel des Abends war erreicht. ,,Diese Veranstaltungen sind eigentlich in der Hauptsache dazu da, um mich ein wenig aufzumuntern'', gab Landis später zu. Offenbar braucht er derzeit reichlich Aufmunterung, denn er wird in den kommenden Wochen ähnliche Treffen in allen großen Städten der USA sowie in den einschlägigen amerikanischen Radsporthochburgen wie Colorado abhalten. Zusammen mit seinen Rechtsanwälten, seinen PR-Beratern und seinen Ärzten stellt er seiner verbliebenen Anhängerschaft seine Verteidigungsstrategie in den gegen ihn anhängigen sportrechtlichen Verfahren vor. Es ist eine Art Beschwörungsritual bei dem das Landis-Team sich versichert, dass es tatsächlich noch Leute gibt, die hinter dem noch immer amtierenden Tour-Sieger stehen und zugleich diesen Leuten Futter für ihre Treue liefert.

Das alles hat einen konspirativen Beigeschmack - die Zusammenkunft zwischen Braukesseln in einer Seitenstraße des Brooklyner Viertels Williamsburg wirkte wie die Sitzung eines Geheimbundes, der Strategien für einen Putsch plant. Und tatsächlich will die Landis-Clique nicht einfach nur einen Freispruch erzielen. Sie will das ganze System der Sportjurisdiktion reformieren.

,,Das System will schnelle Resultate und opfert dabei die Gerechtigkeit'', leitete der Manager des Floyd-Fairness-Funds, der ehemalige Rennfahrer Brian Rafferty, den Abend ein. Die Lösung, so der smarte PR-Stratege von der Wall Street, könne nur eine ,,Amerikanisierung dieses Systems'' sein. Amerikanische Standards von Fairness und Gerechtigkeit sollen her, wie etwa das viel bemühte Recht auf die Unschuldvermutung. Vor allem aber - und das ist wirklich originell - eine ,,unabhängige'' Kontrolle der Anti-Dopingbehörden. ,,Unabhängig'' heißt privatwirtschaftlich - ganz nach dem Credo der US-Konservativen, demgemäß alles Staatliche suspekt ist. In Europa sieht man das freilich meist noch immer anders herum - Unabhängigkeit garantieren hier staatlich finanzierte Instanzen wie die Verbände und die Anti-Doping-Agenturen.

Bevor das ganze System reformiert wird, muss Landis erst noch seine Fälle vor der US-Antidopingagentur und ihrem französischen Pendant AFLD vertreten. Die Usada will im Mai über eine Sperre entscheiden, die AFLD hat an diesem Donnerstag entschieden, dem Antrag von Landis' Anwälten stattzugeben, das Verfahren über die Sperre auf französischem Boden zu verschieben. Eine Entscheidung über eine Sperre von Landis soll nun spätestens Ende Juni fallen, teilte die AFLD am Donnerstag mit. Auf seinen Start bei der Tour de France 2007 hat Landis verzichtet.

Die Methoden, mit denen Suh und seine Kollegen von der kalifornischen Kanzlei Gibson, Dunn & Crutcher vorgehen, sind dabei im Vergleich zum revolutionären Anspruch konventionell. Dem Dopinglabor in Frankreich sollen Verfahrensfehler nachgewiesen werden und bei der Usada spielen die Anwälte auf Zeit, indem sie die Herausgabe aller belastenden Unterlagen fordern.

Der Feldzug kann also dauern. Anscheinend hat Floyd Landis einen langen Atem. Man fragt sich allerdings, wie er gedenkt, sich das als arbeitsloser Profi ohne Werbeverträge leisten zu können. Zumal er zugibt, die Kampagne aus eigenen Mitteln ,,höchstens noch zwei, drei Monate'' durchhalten zu können. Etwa zwei Millionen Dollar würde die Verteidigung kosten, schätzt Brian Rafferty vom Floyd Fairness Fund - zwei Millionen, die mit Radsportler-Treffen in Szene-Kneipen nicht einzuspielen sind. Auch, wenn der Eintritt für einen Abend mit Geschichten über Testosteron und mit zwei Stunden Freibier 35 Dollar beträgt.

Das Geld, das ist klar, kommt von irgendwo anders. Daraus macht Landis auch keinen Hehl und bedankt sich öffentlich bei mysteriösen Gönnern, die ihm das alles ermöglichen. Vermutlich sind das die gleichen Leute, die ihm den Kontakt zu der vornehmen, weltweit operierenden Großkanzlei in Los Angeles, bei der Maurice Suh arbeitet, verschafft haben. ,,Gemeinsame Bekannte'', so Suh diskret, hätten ihn und Landis zusammen gebracht. Weitere Hinweise verweigerte der junge Karriere-Advokat.

Welches Interesse auch immer diese anonymen Drahtzieher verfolgen - Landis fühlt sich ihnen verpflichtet und widmet, wie er sagt, derzeit seine ganze Kraft dem Kampf gegen die Entrechtung der Athleten durch übereifrige und korrupte Funktionäre. An Radfahren, so Landis sei da parallel nicht zu denken. Er kennt derzeit nur eine Rundfahrt - seine Tournee durch die Standorte der US-Radsport-Subkultur. Die erste Etappe in New York war dabei mangels Konkurrenz ein klarer Sieg. Sogar ein paar Dollar Preisgeld sprangen dabei heraus - ein New Yorker Fan ersteigerte zugunsten des Fairness Funds ein original Gelbes Tour-Trikot von Landis für 2000Dollar.

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