Großes Tennis:Die ewige Martina

Eine große Tennisspielerin, eine Person mit Ecken und Kanten: Martina Navratilova feiert heute ihren 50. Geburtstag.

18. Oktober 1956. In Stockholm bekommt der deutsche Arzt Dr. Werner Forßmann gemeinsam mit zwei Kollegen für die Erfindung des Herzkatheters den Nobelpreis für Medizin. In Deutschland steht die Bonner Republik in der Ära von Bundeskanzler Konrad Adenauer in voller Blüte. In Budapest formieren sich die Massen für den ungarischen Volksaufstand, der fünf Tage später beginnt und von den Panzern der Roten Armee niedergewalzt wird.

In der tschechoslowakischen Hauptstadt Prag kommt an diesem 18. Oktober 1956 Martina Subertova zur Welt. Als sie drei Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden. 1962 heiratet ihre Mutter Jana den Tennistrainer Miroslav Navratil und zieht mit ihm nach Revnice. Die sechsjährige Martina wird adoptiert und heißt künftig Martina Navratilova. Am Mittwoch wird eine der größten Tennisspielerinnen aller Zeiten 50 Jahre alt.

Das kleine Mädchen in Revnice ist begeistert von der Arbeit des Stiefvaters. Jeden Tag läuft sie mit ihm auf den kleinen holprigen Aschenplatz in Revnice und schlägt stundenlang einen Ball mit einem Holzschläger gegen eine Wand. Miroslav Navratil erkennt schnell das Talent der kleinen Linkshänderin, deren Großmutter Agnes Semanska bereits vor 1945 eine der besten Tennisspielerinnen des Landes war.

Der Stiefvater legt 1962 den Grundstein für eine beispiellose Karriere. Er drängt Martina, nicht an der Grundlinie darauf zu warten, was die Gegnerin tut, sondern aggressiv zu spielen und bei jeder Gelegenheit ans Netz zu gehen. Wimbledon ist sein Lieblingsturnier, Rasentennis seine Leidenschaft. Für Martina wird es zur Passion, mit der sie 16 Jahre später nicht nur Wimbledon, sondern einen ganzen Sport aus den Angeln hebt.

Mit 15 wird Martina Navratilova erstmals tschechoslowakische Meisterin, ein Erfolg, den sie in den kommenden beiden Jahren wiederholt. 1973 erreicht sie als 16-Jährige das Finale des Juniorenturniers in Wimbledon. Als sportliches Aushängeschild gehört sie zu den wenigen Privilegierten, die die kommunistische Tschechoslowakei verlassen dürfen.

Während einer Tennis-Tour 1975 bleibt Martina Navratilova in den USA und stellt einen Antrag auf politisches Asyl. Die folgenden Jahre werden hart. Ganz auf sich allein gestellt, versucht sie, das erdrückende Heimweh mit Fressorgien zu bekämpfen. Fast Food und Burger hinterlassen Spuren. TV-Kommentator Bud Collins, in den USA fast berühmter als die Stars, über die er berichtet, nennt das Mädchen aus dem Osten despektierlich "The Great Wide Hope". Doch selbst mit deutlichem Übergewicht fegt Martina Navratilova die Gegnerinnen reihenweise vom Platz. Sie revolutioniert das bis dahin beschauliche Damentennis, aus dem netten "Ball über Schnur" wird Zug um Zug ein knallharter Leistungssport. Fast niemand kann sich mit Martina messen, nur zwei Spielerinnen stellen sich ihr in den Weg: Chris Evert und Billie Jean King.

Navratilovas Rivalität mit ihrer Freundin Chris Evert wird eines der größten Duelle der Tennisgeschichte. 80 Mal stehen sich die mittlerweile athletische Martina mit dem kraftvollen Serve and Volley und die blonde Chrissie mit ihrem gleichermaßen defensiven wie effektiven Grundlinienspiel gegenüber. Von 1982 bis 1987 machen sie zehn Grand-Slam-Finals unter sich aus, sieben Mal triumphiert Navratilova, die auch die Gesamtbilanz mit 43:37 Siegen anführt.

Martina Navratilova gewinnt in den 34 Jahren ihrer Karriere alles, was zu gewinnen ist. Sie holt die Rekordzahl von 167 Einzeltiteln, davon 18 bei Grand Slams, triumphiert 177 Mal im Doppel (31 Grand Slams) und zehn Mal im Mixed. 331 Wochen steht sie an der Spitze der Weltrangliste, nur Steffi Graf hält sich später länger oben (377).

Zwischen Dezember 1981 und Januar 1987 holt Navratilova mit einer Einzel-Bilanz von 432:14 Siegen 71 Titel, darunter zwölf von 17 möglichen Grand Slams. Ihre insgesamt 59 Grand-Slam-Erfolge werden nur von Margaret Court-Smith (62) übertroffen. 20 Jahre stand Navratilova seit 1975 unter den Top 10 und holt 21 Jahre lang mindestens einen Titel. Mit neun Wimbledon-Siegen ist sie Rekordhalterin beim berühmtesten Tennisturnier der Welt. Sie hievt ihren Sport in eine neue Dimension, sie beschäftigt sich mit Fitness- und Krafttraining ebenso intensiv wie mit ihrer Ernährung. Schon lange verzichtet die Tierrechts-Aktivistin auf Fleisch ("Meine Freunde esse ich nicht") und setzt stattdessen auf eine ausschließlich vegane Kost.

Eine Werbe-Ikone wird Martina Navratilova trotz aller Erfolge nie. Als sie sich 1981 erstmals öffentlich zu ihrer Homosexualität bekennt, löst das in der puristisch-konservativen US-Gesellschaft einen Sturm der Entrüstung aus. Liebschaften mit Basketball-Star Nancy Lieberman und Bestseller-Autorin Rita Mae Brown beschäftigen ebenso die Gazetten wie die öffentlich vollzogene gerichtliche Trennung von Judy Nelson.

Ihre große Karriere geht bei den US Open 2006 unwiderruflich zu Ende. Martina findet sich nicht mehr schnell, nicht mehr gut genug für Gegnerinnen, deren Großmutter sie sein könnte. Jetzt gilt ihre Zeit anderen. Ihrer Freundin, den unzähligen Tieren auf ihrer gigantischen Farm in Colorado, ihrer Familie und ihrem Eishockey-Team, den "Aspen Mother Puckers". Ob sie tatsächlich wie seit Jahren immer wieder angekündigt in die Politik geht, bleibt abzuwarten. Von ihr hören wird man ganz gewiss auch weiterhin.

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