Misshandlungen in Ettal:Kinderpornos im Kloster

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Brutale Gewalt und sexuelle Übergriffe: Patres des Klosters Ettal haben Jugendliche über Jahrzehnte geschlagen. Sonderermittler Pfister spricht von einer "Kultur des Schweigens und Wegsehens". Doch nicht nur in Ettal wurden junge Leute gequält.

Heiner Effern

40 Schüler, nebeneinander aufgestellt und der Reihe nach geschlagen. Hiebe auf Rücken und Hintern, bis der Stock bricht und das Kind auf die Krankenstation muss. Sexueller Missbrauch durch mindestens einen Pater über alle Altersstufen hinweg. So beschreiben ehemalige Schüler des Klosterinternats von Ettal ihre Erlebnisse.

Der externe Ermittler des Klosters, Rechtsanwalt Thomas Pfister, nannte am Freitag in einem Zwischenfazit die Zustände bis in die 1990er Jahre "erschütternd". Etwa 100 Opfer hätten sich bis jetzt bei ihm gemeldet. Gut zehn Patres hätten die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen "systematisch und brutalst" geprügelt. "Ettal war für mich die Hölle", schrieb ein ehemaliger Schüler.

Kultur des Schweigens

Folgen hatte das für die Patres in der Vergangenheit nicht. Durch eine "Kultur des Schweigens und Wegsehens" sei hinter den Klostermauern ein "rechtsfreier Raum" entstanden, sagte Pfister. Wenn auch viele Straftaten schon verjährt sind, für die zuständige Staatsanwaltschaft München II gibt es in Ettal dennoch genügend zu tun.

Denn zu den schon bekannten Fällen von Missbrauch durch einen verstorbenen Pater und zu der Untersuchung eines strafrechtlich relevanten Falls aus dem Jahr 2005 kommen nun neue schwere Vorwürfe. Bei Sonderermittler Pfister meldete sich ein früherer Mönch, der angibt, als Erwachsener im Kloster sexuell missbraucht worden zu sein. Der Fall werde untersucht, sagte Pfister, Angaben zu einem möglichen Täter machte er nicht.

Fälle intern geregelt

Von einem weiteren Pater liegen ein aktuelles Geständnis und eine Selbstanzeige vor. Der Mönch lud aus dem Internet kinderpornographische Filme auf seinen Computer herunter. Doch nicht nur das: Er stellte auch Bilder von Ettaler Schülern auf Internetseiten mit homosexuellen Hintergrund. Diese Fotos zeigen Kinder und Jugendliche mit nacktem Oberkörper, die zum Beispiel bei einem Bergausflug aufgenommen worden waren. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte mehrere Rechner aus dem Kloster. Der Pater sei von seinen Pflichten entbunden und werde sich in Kürze einer Therapie unterziehen, kündigen die Benediktiner an.

Ein vor fünf Jahren in die Klosterfiliale Wechselburg in Sachsen versetzter Mitbruder ist ebenfalls im Visier der Staatsanwaltschaft. Er soll Kinder an Armen, Beinen und am Körper unter der Kleidung gestreichelt haben. Da dieser Vorfall intern geregelt worden war und damit wohl gegen Kirchenrecht verstoßen wurde, waren Abt Barnabas Bögle und Prior Maurus Kraß in den vergangenen Wochen zurückgetreten. Nun liegen aber Hinweise vor, dass der Pater den Schülern auch unter die Unterhose gefasst haben soll.

Und noch ein dritter Fall ist nach Auskunft von Pater Johannes, dem Verwaltungsleiter des Klosters, bei der Justiz anhängig. Ein Benediktiner, der bis vor wenigen Tagen als Lehrer am Gymnasium eingesetzt war, soll sich der Körperverletzung schuldig gemacht haben. Der Mann sei der letzte aus der alten Generation, sagte Sonderermittler Pfister, für die Schläge "zum pädagogischen Inventar" gehörte, sagte Pfister. Der Pater habe bis zum Schluss Kopfnüsse verteilt.

"Wir bitten um Verzeihung"

Die Reaktion des kommissarischen Schulleiters, Wolf Rall, ließ Zweifel aufkommen, ob alle Pädagogen in Ettal die alten Zeiten überwunden haben. Rall verharmloste die Schläge des Paters und sagte unter anderem, diese seien mehr Spaß gewesen. Rechtsanwalt Pfister wies Rall daraufhin scharf zurecht. Im persönlichen Gespräch habe der Schulleiter eingeräumt, dass er mehrmals mit dem Versuch gescheitert sei, den Pater wegen seiner Schläge von der Schule zu entfernen.

Trotz dieser Auseinandersetzung setzte laut Pfister im Jahr 1990 in Ettal ein Wandel in der Pädagogik ein - nicht etwa durch Einsicht der prügelnden Patres oder eine drohende Strafverfolgung, sondern durch einen Personalwechsel an der Spitze des Internats. Der bis dahin verantwortliche Pater wird von Schülern als "Sadist" beschrieben, andere Patres werden als Psychopathen bezeichnet. Es wurde den Schülern nicht nur für Nichtigkeiten brutale Gewalt angetan, es gab auch infame Erniedrigungen. Wenn zum Beispiel ein Schüler ein Paket von seinen Eltern bekam, nahm ein verantwortlicher Mönch die Leckerbissen heraus, aß sie vor den Augen des Kindes und ließ dem Schüler nur die Reste. Für solche Gemeinheiten und für die Gewalt entschuldigte sich Pater Johannes nochmals im Namen seiner Mitbrüder. "Wir bitten um Verzeihung", sagte er.

© SZ vom 6.3.2010/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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