Bundesgerichtshof:Wildmoser-Urteil soll aufgehoben werden

Beide Parteien halten die Münchner Richterin Knöringer wegen eines Deals mit der AZ für befangen.

Helmut Kerscher

Der Bundesgerichtshof (BGH) wird voraussichtlich an diesem Mittwoch sein Revisionsurteil gegen Karl-Heinz Wildmoser junior verkünden. Ginge es nach den Anträgen des Verteidigers und des Bundesanwalts, käme es wegen Befangenheit der Richterin Huberta Knöringer zu einer Wiederholung des Prozesses. Unter ihrem Vorsitz hatte das Landgericht München I im Mai 2005 eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen Bestechlichkeit und Untreue verhängt.

In der zweistündigen Revisionshauptverhandlung, an der Wildmoser nicht teilnahm, ging es am Dienstag in Karlsruhe nur am Rande um die Umstände beim Bau der heutigen Allianz-Arena und um eine fragwürdige Zahlung von rund 2,8Millionen Euro durch den Baukonzern Alpine an Wildmoser junior, der damals Geschäftsführer der Arena GmbH war.

Im Mittelpunkt stand vielmehr eine mögliche Befangenheit der bekannten Münchner Strafrichterin Huberta Knöringer im Wildmoser-Prozess. Ihr Verhalten gegenüber der Münchner Abendzeitung und ihre späteren Erklärungen wurden von BGH-Richter Axel Boetticher detailliert dargestellt. Demnach war Ausgangspunkt der "Verstrickung" Knöringers, von der Verteidiger Gunter Widmaier sprach, ihre Bezeichnung als "Frau Gnadenlos" in der AZ-Schlagzeile vom 30. November 2004, also zum Auftakt des Wildmoser-Prozesses.

Das folgende Hin und Her zwischen der Betroffenen und der Zeitung ist amtlich so exakt dokumentiert wie wohl noch kein "Deal" dieser Art. Nach einem Schriftwechsel zwischen dem damaligen AZ-Chefredakteur Kurt Röttgen, der eine mögliche Assoziation mit dem ehemaligen Hamburger Richter Ronald Schill bedauerte, und Frau Knöringer sowie der Landgerichtspräsidentin Constanze Angerer schaltete die AZ Rechtsanwalt Andreas Böhle ein. Dieser legte der Richterin im Dezember 2004 einen "Wiedergutmachungsartikel" vor, in dem ihr ein "barockes Übermaß des Lobpreises" (Widmaier) zuteil wurde.

Sie billigte im Prinzip diesen Text, der allerdings wieder verschwand, ebenso wie einen weiteren, ihr wenige Tage später vorgelegten Artikel. Dieser erschien, mit zwei von Richterin Knöringer veranlassten Änderungen, am 21. Dezember in der AZ unter dem Titel "Gesteht Wildmoser alles?" und brachte den Stein bis nach Karlsruhe ins Rollen.

Die Verteidiger, von denen dem einen, Peter Gauweiler, in dem Artikel ein "juristisches Waterloo" bescheinigt wurde, bekamen Wind von der Sache. Das führte zu einem Schriftwechsel, zu einem Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit und schließlich zu einer Ablehnung dieses Antrags. Von prozessentscheidender Bedeutung könnte dabei die erste schriftliche Stellungnahme der Richterin Knöringer sein. Sowohl Revisionsverteidiger Gunter Widmaier als auch Bundesanwalt Wolfram Schädler kreideten ihr nämlich an, dass sie darin nur den ersten ihr vorgelegten Text erwähnt hatte.

Schädler, der alle vorausgegangenen Schritte der Richterin akzeptiert hatte, fand dafür "keine plausible Erklärung". Widmaier sprach gar von "Vertuschung" und "Schutzbehauptung", weil sie zunächst ihre Mitwirkung an dem AZ-Text nicht eingeräumt habe. Die "ansonsten absolut verdiente und souveräne Richterin", die sich durch einen "widerlichen Presseartikel" zu Recht gekränkt gefühlt habe, sei nun in eigener Sache "in des Teufels Küche geraten". Ein vernünftiger Angeklagter müsse den Glauben an ihre Unabhängigkeit verloren haben. Erst einige Tage später teilte sie den Verteidigern, so BGH-Richter Boetticher, "die Wahrheit" mit. Danach lehnten die Anwälte die Richterin wegen Befangenheit ab. Der Antrag wurde von einer anderen Kammer des Landgerichts verworfen.

Dies sei zu Unrecht geschehen, fanden nun bei der BGH-Verhandlung Verteidigung und Bundesanwaltschaft. Sie beantragten wegen des absoluten Revisionsgrunds der Befangenheit eine Aufhebung des Münchner Urteils. Im Übrigen gingen ihre Meinungen auseinander. Bundesanwalt Schädler verlangte in Übereinstimmung mit der Münchner Staatsanwaltschaft eine weitergehende Verurteilung Wildmosers, nämlich wegen Untreue in einem besonders schweren Fall. Verteidiger Widmaier forderte zwar keinen Freispruch, aber nur eine geringe Strafe wegen Bestechlichkeit.

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