Luxusgüter:Drei Krokodile für eine Handtasche

Kroko-Leder ist so begehrt wie nie - für Taschen, Schuhe und Geldbeutel werden die Reptilien wie Hühner in riesigen Zuchtfarmen gehalten.

Wolfgang Luef

Ivana Trump hat sie, Kate Moss hat sie, Victoria Beckham soll sogar mehrere besitzen: Wenn es um Handtaschen geht, ist das Modell "Birkin" von Hermès die Symbiose aus verschwenderischem Luxus und radikaler Knappheit. Wer das nach der Schauspielerin Jane Birkin benannte Modell aus Ziegenleder haben will, steht monatelang auf der Warteliste, um schließlich nicht unter 3600 Euro zu bezahlen. Der Rolls-Royce unter den "Birkins" kommt nochmal deutlich teurer: Die "Crocodile Birkin" ist mit Diamanten besetzt und aus Krokodilleder gearbeitet. Bei einer Auktion im Jahr 2005 ging ein Stück für 47.000 Euro weg.

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Objekt der Begierde: die "Crocodile Birkin" von Hermès.

(Foto: Foto: AFP)

"Die Nachfrage ist riesig", sagt Hermès-Chef Patrick Thomas. 3000 Kroko-Taschen produziert das Unternehmen im Jahr, das teure Leder kauft man nahe der australischen Stadt Darwin ein: In einer der größten Krokodilfarmen der Welt werden etwa 50.000 Leistenkrokodile gezüchtet und "geerntet", wie es in der Sprache der Farmer heißt. Sobald die Tiere zwei Jahre alt sind und knapp zwei Meter lang, werden sie durch Elektroschocks betäubt und mit Schüssen in den Hinterkopf getötet. Ihre Bauchhaut wird gewaschen, gesalzen und exportiert. 12.000 Häute verschickt die Farm jedes Jahr an europäische Luxus-Modehäuser.

Kraftnahrung für die Taschen von morgen

Etwa 1,5 Millionen Krokodilhäute werden in diesem Jahr am Weltmarkt gehandelt. 2005 waren es laut UNO noch 1,3 Millionen, 1997 knapp unter einer Million. "Von der Krise ist auf diesem Markt nichts zu spüren", sagt Dietrich Jelden, der beim Bundesamt für Naturschutz für Einfuhr und Ausfuhr der exotischen Häute zuständig ist. Die größten Produzenten sind die USA und Australien. In riesigen Betrieben werden unterschiedliche Krokodilarten gezüchtet und für die Leder- und Fleischproduktion verwendet. Die Branche ist hochprofessionalisiert: Statt Fisch- oder Schlachtabfällen bekommen die Tiere gefriergetrocknete Pellets zu fressen. Diese Kraftnahrung wird von der Lebensmittelindustrie exakt für die Energiebedürfnisse von Krokodilen designt, mit dem Ziel, rasches Wachstum zu erreichen. "Wenn sie so einem Zuchtkrokodil einen Haufen Pellets und ein Stück Geflügelfleisch vor die Nase legen, wird es die Pellets fressen", sagt Jelden.

Während Krokodilfleisch vor allem in Asien ein gängiges Nahrungsmittel ist, werden die Häute in alle Welt verschifft. Die größten Abnehmer sind die USA und die Länder der Europäischen Union - allen voran Italien und Frankreich. Aus den Bäuchen der kleineren Arten entstehen Uhrenarmbänder, Brieftaschen oder Schuhe; die größten Exemplare werden zu Handtaschen, Laptop-Hüllen und Lederjacken verarbeitet.

Für eine Tasche von Hermès oder Louis Vuitton müssen bis zu drei dieser Riesenkrokodile ihr Leben lassen, denn die Gerbereien verarbeiten nur die besten Stücke der Bauchhaut. Als besonders edel gilt die des australischen Leistenkrokodils: Die individuelle Musterung wird oft mit einem menschlichen Fingerabdruck verglichen. Schon ein einziger Biss eines Artgenossen kann die Haut wertlos machen. "Vor allem die Männchen dieser Art sind sehr territorial. Sie verteidigen erbittert ihre Reviere", erklärt Markus Baur, Leiter der Münchner Reptilien-Auffangstation. Die Massentierhaltung hat darauf eine Antwort gefunden: Crowding. Auf einer etwa fußballfeldgroßen Fläche werden Hunderte Krokodile gehalten - der höhere Stresslevel unterdrückt ihren Territorialinstinkt. "Das funktioniert bei Reptilien genauso wie bei Hühnern", sagt Baur.

Quälerei der Erbsenhirne

Die Hermès-Krokodile dagegen werden laut Geschäftsführer einzeln in Käfigen gehalten. Von einem "neuen Trend in der Industrie" spricht Dietrich Jelden vom Bundesamt für Naturschutz. Ob die Haltung in einem zwei Meter breiten Verschlag nicht Tierquälerei ist? "Man darf nicht vergessen: Das Gehirn eines Krokodils ist erbsengroß. In Freiheit bewegen sie sich oft tagelang nicht vom Fleck." Reptilienkenner Baur berichtet Ähnliches, schränkt jedoch ein: "Wenn es so weit geht, dass sich die Tiere nicht mehr drehen können, ist es Quälerei. Nur Wesen mit dem Potential einer Amöbe könnten sich da wohlfühlen." Hermès versichert auf Anfrage, dass bei der Haltung auf höchste Standards geachtet werde.

Die Tierrechtsorganisation Peta hat Hermès für sein Bekenntnis zur Kroko-Zucht jüngst scharf kritisiert. Andere Organisationen sind zurückhaltender, denn nicht zuletzt die Farmen haben die Reptilien vor dem Aussterben gerettet. Durch jahrzehntelange kommerzielle Jagd waren viele Bestände Anfang der siebziger Jahre fast ausgelöscht. Damals entstanden die ersten Farmen, die auch Tiere in die Wildnis aussetzten. "Das ist bis heute eines der besten Beispiele für eine Erfolgsstory im Artenschutz", sagt Volker Homes, Artenschutz-Leiter bei WWF Deutschland. Ob sich die Jägerinnen der "Birkin Bag" für diese Geschichte interessieren, steht auf einem anderen Blatt.

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