UN-Mission im Kongo:Die Geschäfte der Schlächter

Im Ostkongo herrschen noch immer Mord, Folter und Vergewaltigung - trotz einer jahrelangen UN-Friedensmission. Ein neuer Bericht zeigt: Die Täter profitieren von illegalen Geschäften - auch in Deutschland.

Michael König

Am Donnerstag feiert Amerika Thanksgiving, und die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in New York haben die fetten Truthähne wahrscheinlich schon eingekauft. Vor dem Festmahl müssen sie jedoch erschütternde Nachrichten aus Afrika verdauen: An diesem Mittwoch stellt eine UN-Expertengruppe einen Bericht zur Situation in der Demokratischen Republik Kongo vor. Das Ergebnis ist ein Desaster für die Vereinten Nationen.

Wie amerikanische Medien übereinstimmend berichten, zeichnet der bislang unveröffentlichte Bericht ein düsteres Bild der Lage im Osten des Landes. Obwohl die Vereinten Nationen mit mehr als 20.000 Blauhelm-Soldaten, Polizisten und Beobachtern im Land sind, geht das Morden in der von Bürgerkrieg gepeinigten Region weiter.

Gold, Zinn und Coltan

Das Ziel des UN-Mandats, die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu entwaffnen und aufzulösen, wurde demnach nicht nur verfehlt - dank internationaler Unterstützung konnte die Terrormiliz ihren Einfluss im Ostkongo sogar ausbauen. Zur Finanzierung ihres Krieges handelt die Miliz, deren Führer teils am Völkermord an den Tutsi Mitte der neunziger Jahre beteiligt gewesen sein sollen, dem Bericht zufolge mit Mineralien und Edelmetallen, die in Minen abgebaut werden.

Gold, Zinn und das in Mobiltelefonen und Laptops verbaute Coltan werden nach Europa und in den Fernen Osten geschmuggelt, im Gegenzug erhält die FDLR Geld und Waffen für ihren Krieg gegen die kongolesische Armee. Das verstößt gegen Sanktionen und das Waffenembargo der UN.

Verstöße gab es offenbar auch auf deutschem Boden: Am 17. November wurden der FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Stellvertreter Straton Musoni in Karlsruhe und Nürtingen verhaftet. Sie sollen die Miliz jahrelang von Deutschland aus geführt haben. Murwanashyaka sei "an der Koordination von Waffen- und Munitionstransfers an FDLR-Einheiten" beteiligt sowie "an der Verwaltung großer Geldsummen, die aus dem illegalen Verkauf von natürlichen Ressourcen aus Gebieten unter Kontrolle der FDLR stammen", zitiert die taz aus dem Bericht.

Befehl aus Mannheim

Auch die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates seien von den krummen Geschäften betroffen: Frankreich beherberge weitere FDLR-Führer, Großbritannien sei der Sitz beteiligter Firmen, in den USA seien FDLR-Bankkonten beheimatet, Russland und China seien als Käufer von Mineralien aus zweifelhafter Quelle bekannt. Außerdem lieferten China, die Ukraine, Belgien, Spanien und der Sudan Waffen in den Kongo.

Das weltweite Netzwerk unterstützt eine Organisation, die für Massaker mit Hunderten Toten verantwortlich ist: Allein am 10. Mai sollen FDLR-Truppen 60 bis 96 Zivilisten im ostkongolesischen Busurungi getötet haben. Der Befehl kam angeblich aus Mannheim, wo Murwanashyaka am 9. Mai per SMS Kontakt zu seinem Militärchef im Kongo aufnahm.

Auf der nächsten Seite: Die Blauhelme unterstützen die kongolesische Armee - die wiederum mit Kriegsverbrechern zusammenarbeitet.

Kooperation mit dem Terminator

Die FDLR entstand 2000 als Bündnis bewaffneter Hutu-Milizen, die 1994 am Völkermord an den Tutsi in Ruanda beteiligt waren. Die nachfolgenden Wirren und Bürgerkriege zwischen Milizen in Ruanda und dem benachbarten Kongo kosteten nach Schätzungen des International Rescue Committee 5,4 Millionen Menschen das Leben.

Die Blauhelm-Truppen der Vereinten Nationen sind seit 2000 im Ostkongo stationiert. Das Mandat wurde seitdem immer wieder verstärkt, die Personalstärke erhöht - zuletzt im Dezember 2008. Eine der Aufgaben der Blauhelme ist es, die kongolesische Armee zu unterstützen - durch Ausbildung und Schützenhilfe im Gefecht.

Schützenhilfe für Kriegsverbrecher

Zu dieser Armee gehören allerdings auch Tutsi-Rebellen der Bewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes), die hastig integriert werden sollten, um im Kampf gegen die FDLR zu helfen. Den CNDP-Truppen wird Mord, Vergewaltigung und Folter in Tausenden Fällen vorgeworfen. Ihr Kommandeur ist Bosco Ntaganda, genannt "Terminator", gegen den ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt.

Mit ihm dürfen die UN offiziell nicht kooperieren - sollten sie es doch tun, wie es der Bericht behauptet, leisten die Blauhelme einem Kriegsverbrecher Schützenhilfe.

Angesichts solch brisanter Details erscheint es fraglich, ob der UN-Bericht je veröffentlicht wird. "Da steht eine Menge drin, das uns mitschuldig aussehen lässt", zitiert die New York Times einen anonymen UN-Mitarbeiter. Mehrere Länder hätten sich deshalb darum bemüht, die Veröffentlichung möglichst lange hinauszuzögern.

China hat angeblich bereits verlangt, den Bericht in die Sprachen aller fünf ständigen Ratsmitglieder zu übersetzen. Das kann dauern - bis Thanksgiving und weit darüber hinaus.

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