Kolumne: Mein Bauch gehört mir!:Ich bin ein fauler Sack!

Ohne Sport kann man nicht abnehmen. Deshalb fährt unser Autor im Kampf gegen die Kalorien in den Fitness-Urlaub. Und muss einsehen, dass er nicht für Anstrengung gemacht ist.

Jürgen Schmieder

Bei der Vorbereitung auf die Fußball-Saison gibt es den so genannten Cooper-Test: Zwölf Minuten muss man dabei laufen, so weit die Füße tragen. Ohne Pause. Es ist nicht nur ein Ausdauertest, sondern auch eine Prüfung für den Willen. Drei Kilometer sollte man schon schaffen, sagt der Co-Trainer vorher. Ich schaffe 2700 Meter, lande im hinteren Mittelfeld und erlange die bittere Erkenntnis: Ich bin ein fauler Sack.

Relaxen im Urlaub? Ach was!

Relaxen im Urlaub? Ach was!

(Foto: Foto: ddp)

Ich würde das vor den dürren Jünglingen, die weiter kamen als ich und danach immer noch fröhlich um den Platz liefen, niemals zugeben. Abends auf der Couch jedoch - auf der Suche nach einer Position, in der ich keinen Krampf in irgendeinem Muskel bekomme - muss ich mir eingestehen, dass der Ehrgeiz schon mal größer war. Sich quälen, schinden, abrackern? Ach was!

Und was machen faule Säcke in der Quarter-Life-Crisis? Sie fahren in Urlaub. Aber nicht ins Wellness-Spa auf die Malediven, sondern ins Fitness-Hotel im Bayerischen Wald. Da ist die Überwindung der Faulheit in der Vollpension inbegriffen.

Nun ist das mit dem Urlaub so eine Sache: Ich könnte endlich die Dinge tun, die ich tun sollte: viel bewegen, sich Zeit für gesundes Essen nehmen, Vitamin-Shakes mixen. Aber ich hätte es mir auch verdient, die Dinge zu tun, die ich tun möchte: stundenlang rumliegen, mich mit Fast-Food vollstopfen, billiges Bier trinken.

Ich bin alt genug, um zu wissen, was das Richtige für mich ist. Ich will mich für die zweite Variante entscheiden.

Das hätte prima geklappt, wäre mein Urlaub nicht ein Gruppen-Ferienlager mit alten Freunden gewesen. Wir haben uns ein Hotel ausgesucht, das wie ein Erlebnisparcours für Aktiv-Extremisten aussieht. Es gibt keinen Handy-Empfang und keinen Computer, dafür aber so ziemlich jeden Sport, der jemals erfunden wurde. Wie gemacht für einen, der 15 Kilo abnehmen muss.

Wo sind die Schmerzmittel?

Am ersten Tag mache ich den Vorschlag, es zu Beginn bei Minigolf, Kegeln und Eisstockschießen zu belassen. Das sind meine Traumsportarten, man sollte sie ins Olympische Programm aufnehmen. Selbst hüftsteife Grobmotoriker wie ich verzeichnen schnell erste Erfolge, ich muss mich wenig bewegen und darf nebenher auch noch Bier trinken. Toll, das.

Am Abend wartet jedoch die erste Herausforderung: Fußball in der Turnhalle. Mein Bruder, mein Schwager und mein Neffe spielen mit, dazu noch drei Freunde. Die Gelegenheit, bei einem einzigen Event die Familienhierarchie zurechtzurücken und den Kumpels eine deftige Niederlage beizubringen. Meine Mannschaft gewinnt knapp - und ich verbringe den Rest des Abends mit der Suche nach einem Schmerzmittel für meinen Rücken.

Mann, bin ich faul geworden!

Am nächsten Morgen steht mein Neffe vor der Tür: Zeit für das alljährliche Tischtennis-Duell, wie immer geht es um fünf Euro pro Satz. Mein Rücken ist wieder eingerenkt, seit meine Frau drübergelaufen ist. Ich fühle mich topfit, schwinge mich in den Trainingsanzug und schnappe mir den Schläger. Das Ergebnis? Sagen wir es so: Mein Neffe ist nun ein reicher Mann und ich brauche schon wieder jemanden, der mir auf den Rücken steigt. Ich wusste gar nicht, dass meine Lendenwirbel beim Knacken das gleiche Geräusch machen wie Corn Flakes beim Zerbeißen.

So geht es den gesamten Urlaub. Es bleibt keine Zeit zum Ausruhen, weil ständig jemand kommt und mich zur Aktivität zwingt. Sie meinen es ja nur gut und wollen mir helfen, meine Faulheit zu überwinden. Meine Frau will wandern, mein Trauzeuge braucht eine Lektion im Basketball, mein Bruder will sich im Badminton versuchen. Ich bin nicht im Urlaub, ich bin auf der Flucht!

Kein Schlaf, dafür Essen

Meistens flüchte ich in den Speisesaal, der einen rund um die Uhr mit Essen versorgt. Vollpension-Hotels sind die Syrenen für jeden Abnehm-Odysseus. Von allen Seiten wird man gelockt, man müsste sich am Eingang festketten, um nicht ständig ans Essen zu denken. Das einzig Positive daran ist, dass sich Hotels im neuen Jahrtausend dem Bio-Wellness-Wahn angeschlossen haben und nur noch auf den Tisch bringen, was mit allen Diäten dieser Welt vereinbar ist. Meine einzige Rettung.

Am Ende des Urlaubs bin ich total fertig. Zuviel Aktiv-Erholung, zuviel Freizeit-Stress, zuviel gesundes Essen. Geschlafen habe ich während der Ferien insgesamt keine 15 Stunden, dafür war ich ebenso lange beim Essen. Das konnte nicht gut gehen.

Ich muss auf die Waage. Sie zeigt an: 93 Kilo und 18,3 Prozent Körperfett. Also keine Veränderung zur Vorwoche. Und dafür war ich im Fitness-Urlaub? Naja.

Vollkommen ausgelaugt gehe ich wieder in Arbeit. Ein Mensch wie ich ist nicht gemacht für Ferien und Erholung. Ich bin geschaffen für einen Streichelzoo, den man Büro nennt, für einen bequemen Sessel und für einen Bildschirm vor meiner Nase. Und abends für eine Sportart mit dem Namen Extreme Couching.

Urlaub kann es nicht sein. Ich brauche strengere Maßnahmen. Heute ist Aschermittwoch, der Beginn der Fastenzeit. Höchste Eisenbahn für gute Vorsätze und eine Woche ohne Fleisch. Hiermit rufe ich sieben Tage vegetarische Ernährung für mich aus! Ob es hilft? Ich bleibe dran!

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