Hypnose:Der gute Doktor Mabuse

Mit dem Rauchen aufhören, schwanger werden oder Heuschnupfen lindern: Hypnose ist längst kein Hokuspokus mehr.

Christina Berndt

Matt Damon konnte es kaum fassen: "Es ist unglaublich. Ich will nicht mal mehr eine Zigarette", sagte der Schauspieler begeistert. Nach 16 Jahren hatte er endlich mit dem Rauchen aufhören können. Das Erfolgsrezept: Hypnose, angeblich gerade mal drei Sitzungen.

Nun mag Matt Damons erstaunlicher Blitzerfolg darauf zurückzuführen sein, dass in Hollywood alles immer in längstens drei Stunden erzählt werden muss. Im wahren Leben geht es im Allgemeinen gemächlicher zu.

"Ein Nikotinentzug in drei Sitzungen geht mir ein bisschen schnell. Das halte ich für unglaubwürdig", sagt der Psychologe Stefan Junker aus Saarbrücken, der selbst als Hypnotherapeut arbeitet. Doch, davon ist Junker überzeugt: Auch fernab des Sunset Boulevards kann Hypnose bei allerlei Problemen zu einem Happy End führen.

Dass sie sich von einem gut ausgebildeten Hypnotiseur in Trance versetzen lassen, unterstützt Süchtige beim Nikotinentzug, verhilft Dicken zu einer neuen Einstellung zum Essen, macht künstliche Befruchtungen erfolgreicher und Heuschnupfen erträglicher, lässt Hautprobleme verschwinden und Schmerzen auch - selbst bei angsteinflößenden Operationen am Gebiss oder im Gesicht.

Hypnose ist längst kein Hokuspokus mehr, wie es jahrzehntelang auf Jahrmärkten den Anschein hatte; sie ist heute sogar zum Studienobjekt an Universitäten geworden.

Dort, genauer am Psychologischen Institut der Universität Tübingen, haben Wissenschaftler die Kraft der Hypnose gegen verschiedene Süchte nachgewiesen. Ihr Fazit: Zusammen mit einer Verhaltenstherapie kann die Reise ins Innere Menschen nicht nur dauerhaft von ihrem Verlangen nach Nikotin befreien, sondern auch von all zu viel Lust auf Kalorien - und zwar nachhaltiger als das eine Verhaltenstherapie allein vermag.

Das Besondere an dieser Form des Abnehmens: "Mit Klinischer Hypnose wird eine andauernde Veränderung des gestörten Essverhaltens erreicht, ohne dass dafür ,gehungert' werden muss", betont der Tübinger Psychologie-Professor Dirk Revenstorf, der inzwischen emeritiert ist und nun an einem privaten Institut Kurse fürs Abnehmen und zur Rauchentwöhnung anbietet.

Der große Vorteil, so verspricht Revenstorf: Es gibt keinen Jojo-Effekt. Selbst nach zwei Jahren halten die neuen Essgewohnheiten - und damit die schlankere Silhouette - noch an.

Dabei, betont Revenstorf, "hat die moderne Klinische Hypnose nichts mit ,Magie' oder ,Willensverlust' zu tun." Die Hypnotiseure helfen ihren Patienten nur dabei, sich selbst in Hypnose zu versetzen. Die Schlange Kaa, die in Walt Disneys Dschungelbuch Mogli auf eine seltsame Reise schickt, gibt es in Wirklichkeit nicht. Auch lassen sich hypnotisierte Menschen nicht zu etwas verleiten, was sie normalerweise nie tun würden.

Vielmehr gehe es darum, unbewusste Prozesse bewusst zu machen, die zum gestörten Essverhalten oder zur Nikotinsucht führen, und innere Ressourcen zu aktivieren, so Revenstorf. Denn die Trance ist ein Sonderzustand des Gehirns, bei dem die Aufmerksamkeit extrem fokussiert wird. "Man nimmt zwar alles um sich herum aufmerksam wahr, ist aber extrem indifferent gegenüber diesen Wahrnehmungen", sagt Stefan Junker.

Weil der Mensch der Wirklichkeit entrückt ist und nur einen kleinen Ausschnitt seiner Umwelt wahrnimmt, empfindet er auch keinen Schmerz. In Albrecht Schmierers Zahnarztpraxis in Stuttgart zum Beispiel hören die Patienten nur Meeresrauschen, wenn der Bohrer zu sirren beginnt. Die grelle Zahnarztlampe wird zum herrlichen Sonnenschein an einem Strand nach Phantasie.

Auf Betäubung kann jetzt verzichtet werden, selbst wenn der Bohrer in noch so tiefe Tiefen vordringen muss. Zirka 2000 Zahnärzte in Deutschland nutzen die Trance bereits ähnlich wie Schmierer, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose ist. Kein Wunder, denn die Angst vor Spritzen und Bohrern im Mund ist weit verbreitet.

Bohrer und Meeresrauschen

Aber auch andere medizinische Sparten befinden sich mittlerweile unter Hypnose. An der Universitätsklinik im belgischen Lüttich operieren die Chirurgen schwerste Fälle ohne ihre Patienten zu betäuben - selbst Gesichtstransplantationen, bei denen den Patienten die Haut aus dem Antlitz gezogen und durch neue ersetzt wird, oder Schönheitsoperationen an der Nase, für die das Nasenbein mit einem Hammer gebrochen werden muss.

Bei der Hypnotiseurin Marie Faymonville können sich die Patienten dann sogar aussuchen, ob sie derweil lieber ans Meer, in die Berge oder in einen schönen Garten reisen wollen. Faymonville findet, man solle Patienten eine Vollnarkose ersparen, wann immer das möglich ist: Die Langzeitwirkungen seien schließlich nicht besonders gut erforscht.

Bei manchen Eingriffen sei die Hypnose sogar erheblich wirksamer als die konventionelle Behandlung, betont der Saarbrücker Psychologe Junker. Er hat im Rahmen von Studien Patienten in Trance versetzt, die eine Magenspiegelung benötigten: Zum Vergleich wurden auch Patienten auf hergebrachte Weise behandelt: Sie bekamen ein Beruhigungsmittel, während die Ärzte ihren Magen mit Hilfe eines langen Schlauchs durchleuchteten. "Puls und Atmung waren unter der Hypnose ruhiger", betont Junker. Auch hätten weniger Patienten versucht, sich in ihrer Panik den Schlauch aus der Speiseröhre zu ziehen.

Der Kritik an der Hypnose ist mittlerweile weithin der Boden entzogen. So konnten Wissenschaftler inzwischen nachweisen, dass sich in Trance tatsächlich das Gehirn verändert - sie beruht also keineswegs auf Einbildung, wie Kritiker früher glaubten. Zwar ist bis heute unbekannt, wie es denn nun zu der extrem veränderten Wahrnehmung unter Hypnose kommt.

Doch das lässt Verfechter der Methode kalt: Schließlich, sagen sie, wisse man auch von vielen Schmerz und Beruhigungsmitteln nicht genau, wie sie funktionieren.

Ein Manko gibt es dennoch: Nicht alle Menschen lassen sich ohne Weiteres hypnotisieren. Etwa jeder Zehnte ist aus unbekannten Gründen resistent gegen die Methode, selbst wenn er gerne eine Hypno-Behandlung hätte. So mag das auch beim Schauspieler-Kollegen Brad Pitt gewesen sein, bei dem Matt Damon Reklame für den Rauchstopp per Hypnose gemacht hatte. Hollywood hin oder her - Pitt hatte keinen Erfolg.

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