Dengue-Fieber:Kampf dem Knochenbrecher

Das Dengue-Fieber wurde oft als obskure, selten tödliche Tropenkrankheit gesehen. Doch inzwischen explodieren die Fallzahlen in Südostasien. Jährlich erkranken 50 Millionen Menschen.

Dennis Normile

Seit Jahrzehnten warnen Duane Gubler und etliche seiner Kollegen schon davor, dass Dengue-Fieber eine Krise in vielen Ländern auslösen könnte. Ohne großen Erfolg: Das Leiden, meist durch den Stich der Mücke Aedes aegypti ausgelöst, wurde oft als obskure, nur selten tödliche Tropenkrankheit gesehen. Die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen war zäh.

Dengue-Fieber: Kampf gegen das Dengue-Fieber. Ein Arbeiter versprüht ein Insektizid gegen Moskitos in Kuala Lumpur.

Kampf gegen das Dengue-Fieber. Ein Arbeiter versprüht ein Insektizid gegen Moskitos in Kuala Lumpur.

(Foto: Foto: dpa)

Doch inzwischen explodieren die Fallzahlen in Südostasien. Dengue wird offenbar virulenter und dehnt sich in neue Regionen aus. Die Impfstoff-Forschung wird daher drängender. "Seit 30 Jahren sagen wir, ein Dengue-Vakzin könnte in zehn Jahren bereitstehen", sagt Gubler, Leiter der Abteilung Tropenmedizin an der Universität in Honolulu. "Jetzt endlich scheint es, als ob wir recht bekommen."

Seit langem laufende Arbeiten tragen Früchte, und weil Dengue inzwischen globale Aufmerksamkeit hat, stockt die Pharma-Industrie ihre Investitionen in traditionelle und innovative Impfstoff-Verfahren auf. Die Gates-Stiftung in Seattle, die Gelder des Microsoft-Gründers Bill Gates verteilt, hat 55 Millionen Dollar über fünf Jahre zugesagt, damit ein möglicher Impfstoff schneller auf den Markt kommen kann.

Seit dem Jahr 2000 steigt die Zahl der registrierten Dengue-Fälle stark. Im Mittel wurden der Weltgesundheits-Organisation WHO in den 1980er-Jahren weniger als 300000 Fälle pro Jahr gemeldet; seit dem Jahr 2000 sind es 925000 pro Jahr. Die Dunkelziffer ist gewaltig, darum schätzt die WHO die Dengue-Ansteckungen auf jährlich über 50 Millionen. In Südostasien fordert die Krankheit inzwischen fast so viele Kinderleben wie Malaria, ihr wirtschaftlicher Schaden ist bereits höher. Konfrontiert mit Ausbrüchen nie erlebter Dimension sandte die WHO am 23. Juli dieses Jahres einen Warnruf aus und forderte betroffene Länder auf, den Kampf gegen Moskitos dramatisch zu verstärken. Aber bis heute können die Länder wenig Erfolge vorweisen. "Es wird also immer schlimmer, bis wir einen Impfstoff haben", sagt Gubler.

Dengue wird durch eines von vier eng verwandten Viren ausgelöst. Eine Woche nach der Infektion bekommt der Patient typischerweise plötzlich hohes Fieber und quälende Schmerzen in den Gelenken - darum wird Dengue auch Knochenbrecherfieber genannt. Etwa ein Prozent der Fälle wächst sich zum Hämorrhagischen Dengue-Fieber (DHF) aus, dann leidet der Patient unter inneren Blutungen, die tödlich verlaufen können, sich aber im Krankenhaus durch Infusionen gut behandeln lassen - wenn die Kranken es rechtzeitig erreichen.

Vier Viren-Typen zugleich

Wenn sie sich erholen, sind die Betroffenen ihr Leben lang immun - aber nur gegen den Subtyp, der sie befallen hatte. Stecken sie sich später mit einem anderen Viren-Typ an, ist das Risiko viel größer als zuvor, DHF zu bekommen. 90 Prozent der davon Befallenen hatten schon einmal Dengue. Früher war diese Komplikation selten, weil die vier Subtypen geographisch isoliert waren.

Aber wegen der größeren Mobilität der Menschen zirkulieren heute oft alle vier Viren gleichzeitig. Zudem, sagt WHO-Berater John Ehrenberg aus Manila, "haben sich aus dem Virus in den vergangenen Dekaden durch genetische Mutationen gefährlichere Stämme entwickelt". Sie machen schon die erste Infektion ernster und die zweite erst recht. "Viel mehr Menschen als früher müssen ins Krankenhaus."

Seit die Vakzin-Entwickler in den 1940er-Jahren mit ihrer Arbeit begonnen haben, mussten sie viele Stolpersteine überwinden. Schon am Anfang fürchteten sie, die Impfung gegen einen Dengue-Typ könne die Empfänger einer größeren Gefahr durch DHF von einem anderen Subtyp aussetzen. Daher musste das Mittel tetravalent sein, also gegen alle vier Varianten schützen - ein Problem, das die Forschung seit Jahrzehnten aufhält. Zudem ist es schwierig, das Virus in Kultur zu züchten, und den Entwicklern fehlt ein Tiermodell, an dem sie den Effekt ihrer Kreationen erproben könnten.

Die ersten wichtigen Fortschritte wurden in den frühen 1990er-Jahren gemeldet. Sowohl Wissenschaftler der Mahidol-Universität in Bangkok als auch Kollegen vom Walter-Reed-Institut der US-Armee in Silver Spring, Maryland, stellten einen Impfstoff vor, der vor den Dengue-Typen 1, 2 und 4 schützte - beide hatten Probleme, den Subtypen 3 zu integrieren. Sie hatten jeweils auf lebendige Viren gesetzt, die nach einer langen Vermehrung im Reagenzglas die Kraft verloren hatten, Menschen krank zu machen, aber das Immunsystem anregten.

Kampf dem Knochenbrecher

Als die Forscher in Bangkok einen tetravalenten Impfstoff an Freiwilligen testeten, erkrankten manche der Probanden an Dengue 3. Das störte die Produktion von Antikörpern, sodass die Versuchspersonen auch gegen die Varianten 1, 2 und 4 nicht geschützt waren.

Die französische Vorgängerfirma von Sanofi Pasteur übernahm das Vakzin später in Lizenz und versuchte die Komponente 3 genetisch abzuschwächen. Aber vergebens; Sanofi hat daher inzwischen aufgegeben. Nur die Entwickler in Bangkok versuchen noch, das Problem zu lösen.

Forschung an der Chimäre

Die Forscher im Reed-Institut hingegen bekamen die Komponente 3 schließlich in den Griff. Der Pharmakonzern Glaxo-Smith-Kline hat die klinische Entwicklung übernommen und plant eine Phase-II-Studie im kommenden Jahr: An einigen Tausend Probanden einer geimpften und einer Kontrollgruppe soll ein bis zwei Jahre überwacht werden, wie sich die Rate der Infektionen entwickelt.

"Wir wissen einfach nicht, wie viele Antikörper jemand braucht, um geschützt zu sein", sagt Bruce Innis, der vom Reed-Institut zum Pharmakonzern gegangen ist. Der geplante Versuch wird zum ersten Mal überhaupt die Reaktion des Immunsystems ins Verhältnis zum Schutz vor einer Erkrankung setzen.

Weil die Forschung an abgeschwächten Viren so lange dauert, haben Forscher auch Alternativen untersucht. Die größten Fortschritte haben sie mit einem Chimären-Virus gemacht: Das Gerüst stammt von Gelbfieber, aber einige wichtige Strukturgene von Dengue. Sanofi Pasteur hat diese Technik lizensiert und testet zurzeit ein tetravalentes Vakzin in der Phase II an Erwachsenen und Kindern. Forscher sehen bei beiden Ansätzen Vorteile. Gubler lobt, man könne den Chimären-Virus mit genetischer Manipulation besser anpassen. Innis hingegen bemängelt, dass das Immunsystem nur auf einige Dengue-Gene reagieren kann und nicht auf alle zehn wie beim abgeschwächten Lebend-Impfstoff.

Während die Entwickler ihre Kandidaten noch entwickeln, bereitet eine Organisation in Seoul schon die Testregionen für große Phase-III-Tests vor. Sie sind vor der Zulassung nötig. Dazu hat die Pediatric Dengue Vaccine Initiative (PDVI) Geld von der Gates-Stiftung bekommen. Sie sammelt zunächst Basisdaten und verfolgt, welche Dengue-Typen im Umlauf sind und wie hoch die Infektionsraten liegen. Dafür ist Personal und Laborkapazität nötig. "Das erspart den Herstellern viel Zeit und Geld, weil sie die Testzentren nicht selbst vorbereiten müssen", sagt Duane Gubler, der den Beirat der PDVI leitet.

Die Initiative werde die Zeit bis zur Markteinführung eines Impfstoffes um drei Jahre verkürzen, nimmt er an. Die logistische Hilfe habe auch kleine Firmen ermutigt, die Herausforderung durch Dengue anzunehmen. Nun brauchen die Forscher nur noch erfolgversprechende Kandidaten für die Phase-III-Studie. Und die sollte es innerhalb der kommenden zehn Jahre geben, sagt er voraus.

Dieser Text erscheint heute im Original im internationalen Wissenschaftsmagazin Science, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www. sciencemag.org, www.aaas.org. Deutsche Bearbeitung: Christopher Schrader

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