Wahl zum Bundespräsidenten:Die FDP als Königsmacher

Noch ist nicht sicher, wer genau über die Wahl des nächsten Bundespräsidenten entscheidet. Die exakte Zusammensetzung der Bundesversammlung, die mit ihren 1206 Delegierten im Mai 2004 über den Nachfolger von Johannes Rau entscheidet, steht erst nach der bayerischen Landtagswahl in zwei Wochen fest.

Von Jonas Viering

(SZ vom 6.9. 2003) - Sicher aber ist, dass weder Rot-Grün noch die Union allein in dem Gremium eine Mehrheit haben werden, sondern dass es auf die FDP ankommt. Denn um die Mehrheitsverhältnisse zu verändern, müssten SPD und Grüne im tiefschwarzen Bayern die Wahl gewinnen; eher aber würde Rau noch Papst.

Umgekehrt könnte sogar ein Hundert-Prozent-Wahlerfolg der CSU nicht genügend zusätzliche Stimmen in der Bundesversammlung bringen, und mehr als hundert Prozent schafft sogar die CSU in Bayern nicht.

Die alle fünf Jahre ausschließlich zum Zwecke der Präsidentenkür zusammentretende Bundesversammlung besteht aus den Bundestagsabgeordneten und einer gleichen Anzahl von Delegierten, die von den Landtagen gewählt werden; die zu vergebenden Sitze werden dabei auf die Länder gemäß ihrer Bevölkerungsstärke aufgeteilt.

Die Ländervertreter müssen keine Politiker sein: 1999 durften unter anderem Lindenstraßen-Fernseh-Fiesling Olaf Kling alias Franz Rampelmann und die Biathletin Uschi Disl mit abstimmen.

Die Parteien suchen sich die Prominenten zwecks PR. Zu Wort kommen sie nicht: Die Wahl des Präsidenten findet in geheimer Abstimmung "ohne Aussprache" statt, wie das Grundgesetz streng formuliert.

Die absolute Mehrheit liegt bei 604

Würde schon heute der Präsident gewählt, so hätte die Union 530 Stimmen, die SPD 471, die Grünen 88, die FDP 80, die PDS 33 und die übrigen Parteien 4. Damit verfügen Union und FDP derzeit über 610 Mandate.

Die zur Wahl erforderliche absolute Mehrheit liegt bei 604. Rau konnte sich 1999 erst im zweiten Wahlgang durchsetzen, Roman Herzog gelang dies fünf Jahre zuvor sogar erst im dritten Wahlgang; hier genügt dann die einfache Mehrheit.

Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee hatte sich 1948 für die indirekte Wahl des Präsidenten eben durch die Bundesversammlung entschieden, um einige Fehler der Weimarer Republik nicht zu wiederholen. Die Weimarer Verfassung sah die Direktwahl des außerdem mit mehr Kompetenzen ausgestatteten Staatsoberhauptes vor.

So war der populäre Feldmarschall Paul von Hindenburg an die Macht gekommen, der später Adolf Hitler als Reichskanzler einsetzte.

Heute allerdings wird erneut diskutiert, ob in der gefestigten Demokratie das Volk den Bundespräsidenten direkt wählen sollte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: