Die Affären des Strauß-Clans:Von Gier und Größenwahn

Macht und Geld trieben Franz Josef Strauß ein Leben lang um und bescherten ihm zahlreiche Affären. Verurteilt wurde er nie - im Gegensatz zu Sohn Max. Dem geht es vor allem ums Geld, der Tochter Monika mehr um die Macht - mit welchen Skandalen die Strauß-Familie in die Schlagzeilen geriet.

Von Bernd Oswald und Daniela Dau

1961: Fibag-Affäre

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(Foto: Collage: Vera Thiessat)

Als Verteidigungsminister (1956-62) empfahl Strauß seinem damaligen US-Kollegen Thomas Gates 1961 die Finanzbau Aktiengesellschaft (Fibag) des Passauer Verlegers Hans Kapfinger als geeignete Firma, um in 47 Orten der Bundesrepublik 5334 Wohnungen für die 7. amerikanische Armee bauen zu lassen.

Der Spiegel machte die Angelegenheit 1961 publik. Obwohl das Fibag-Geschäft nicht zustande kam, setzte der Bundestag einen Untersuchungssausschuss ein. Der Vorwurf gegen Strauß: Vorteilsnahme im Amt zugunsten der Fibag.

Der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, demzufolge Verteidigungsminister Strauß keine Verfehlungen nachgewiesen werden konnten, wurde vor allem von der FDP-Fraktion heftig kritisiert und führt zu einer ernsten Regierungskrise.

Doch Strauß stolperte bald in weitere Affären, die meist der Spiegel als erster aufdeckte:

- Der HS 30-Skandal - 50 Millionen Mark an Provisionen und Schmiergeldern sollen geflossen sein für den Bau dieses Schützenpanzers. Dabei gab es noch nicht einmal einen Prototypen, sondern nur ein Holzmodell, mit dem sich Strauß und Kanzler Adenauer fotografieren ließen.

- das Starfighter-Desaster - Strauß ließ 750 dieser Kampfflugzeuge anschaffen (Hersteller Lockheed hatte weltweit 24 Millionen Dollar Bestechungsgelder investiert)

Auch nach mehreren deswegen geführten Prozessen durfte Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein ungestraft behaupten, es hafte ein "Ruch von Korruption" an dem bayerischen Politiker.

Es war nur eine Frage der Zeit, wie lange sich Strauß diese Attacken gefallen lassen würde. Im Oktober 1962 hatte er genug. Die Staatsmacht schlug in der Spiegel-Affäre zurück, um sich das lästige Hamburger Magazin vom Hals zu schaffen.

1962: Spiegel-Affäre

Die Affären des Strauß-Clans: Der junge Franz Josef Strauß als Verteidigungsminister

Der junge Franz Josef Strauß als Verteidigungsminister

(Foto: Foto: dpa)

Am 10. Oktober 1962 veröffentlichte der Spiegel den Artikel "Bedingt abwehrbereit", in dem er über das Nato-Manöver "Fallex 62" und atomare Planungen der Bundeswehr berichtet. Die Bundesregierung ist empört, unterstellt dem Magazin Landesverrat und schaltet die Bundesanwaltschaft ein, auf deren Anordnung die Polizei am 26. Oktober 1962 in einer nächtlichen Aktion die Redaktionsräume des Spiegel in Hamburg und Bonn durchsucht.

Dabei werden mehrere leitende Redakteure wegen Verdachts auf Landesverrat festgenommen. Herausgeber Augstein stellt sich zwei Tage später selbst der Polizei. In Spanien wird der stellvertretende Chefredakteur und Militärexperte des Blattes, Conrad Ahlers, an seinem Urlaubsort verhaftet.

Bald konzentriert sich das Interesse vor allem auf die Begleitumstände der Aktion. Der Bundestag besteht auf restloser Aufklärung. Entgegen einer früheren Behauptung, mit der Sache "nichts, im buchstäblichen Sinne nichts" zu tun zu haben, muss Verteidigungsminister Strauß schließlich zugeben, persönlich für die Festnahme von Ahlers in Spanien gesorgt zu haben.

Sogar Kabinettskollege Bundesinnenminister Hermann Höcherl spricht von einem Vorgehen "etwas außerhalb der Legalität". In der Öffentlichkeit ist die Entrüstung über den massiven Eingriff in die Pressefreiheit groß. Auf Massenkundgebungen wird vehement der Rücktritt von Strauß gefordert.

Als sich Bundeskanzler Konrad Adenauer jedoch vor seinen Verteidigungsminister stellt, treten die fünf FDP-Minister seines Kabinetts am 19. November 1962 zurück.

Damit ist Strauß nicht mehr zu halten, nun verzichtet er auf sein Ministeramt, Adenauer bildet sein Kabinett um. Die Spiegel-Affäre bringt Strauß um seine Kanzler-Ambitionen, die ihm nachgesagt wurden.

Dennoch schafft der CSU-Vorsitzende bald ein Comeback auf Bundesebene: Im Dezember 1966 wird er Finanzminister in der Großen Koalition unter Kanzler Kurt-Georg Kiesinger.

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1976: Heubl-Affäre

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Die zahlreichen Verstrickungen Strauß' in seiner Amtszeit als Bundesminister konnten seiner dominanten Stellung in Bayern nie etwas anhaben. 1961 wurde Strauß erstmals zum CSU-Chef gewählt, er blieb es trotz aller Vorwürfe und Verdächtigungen bis zu seinem Tod 1988.

Allerdings gab es natürlich auch in der CSU Rivalitäten. Der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte Bayerns in Bonn, Franz Heubl, versuchte Ende der 60er, Anfang der 70er sich als liberaler Gegenspieler Strauß' zu profilieren. Strauß verdächtigte Heubl, seit 1970 stellvertretender CSU-Chef, schließlich, er wolle ihn vom Parteivorsitz verdrängen.

Vor dem CSU-Parteitag im Juni 1976 gab Strauß ein Dossier in Auftrag, mit dem er Heubl diskreditieren wollte. Strauß schloss für diesen Parteitag nicht aus, dass Heubl bei der Wahl zum Parteivorsitzenden gegen ihn kandidieren würde.

In dem 41 Seiten starken, mit Briefen und Zeitungsausschnitten angereicherten Dossier wurden Heubl unter anderem "bodenlose Faulheit", politischer Opportunismus, "krankhaftes Misstrauen" und Kontakte zu einem Geheimdienstmitarbeiter der CSSR unterstellt.

Das Dossier, das Strauß an 30 ausgewählte Parteifreunde und ein paar Journalisten verteilen ließ, wurde zum Bumerang. Zwar kandidierte Heubl nicht gegen ihn - was er wohl nie vorhatte -, in einem Untersuchungsausschuss des Landtags sahen aber Strauß und sein Büroleiter Friedrich Voss, der Verfasser des Schmuddelstücks, ganz schön alt aus.

Seine weitere Karriere behinderte aber auch diese Affäre nicht, im Gegenteil. 1978 wurde Strauß bayerischer Ministerpräsident. Der geschmähte Heubl wurde im gleichen Jahr zum Landtagspräsidenten gewählt und war fortan vor Strauß in Sicherheit.

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Die Affären des Strauß-Clans: Obwohl Rudolf Augstein mit seinem Spiegel Strauß viel Ungemach bereitete, konnten sich die beiden in den 70er Jahren wieder die Hand geben

Obwohl Rudolf Augstein mit seinem Spiegel Strauß viel Ungemach bereitete, konnten sich die beiden in den 70er Jahren wieder die Hand geben

(Foto: Foto: AP)

1985 - 1988: Franz Josef Strauß und die Airbus-Affäre

In seiner Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident war Strauß, ein begeisterer Pilot, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Deutschen Airbus GmbH. Mitte der achtziger Jahre kam der europäische Flugzeugbauer aber in arge Absatzprobleme, es gelang dem Konsortium nicht, das in vielen Ländern bestehende Monopol des US-Konkurrenten Boeing zu brechen.

Deswegen lanciert Strauß den Lobbyisten Karlheinz Schreiber, der Airbus Zugang zum nordamerikanischen Markt verschaffen soll. Der gebürtige Bayer Schreiber verfügt nicht nur über einen kanadischen Pass, sondern auch über beste Beziehungen bis hinauf zum damaligen kanadischen Premier Brian Mulroney.

In der Tat gelingt es Airbus 1985, 34 Flugzeuge an die kanadischen Gesellschaften Air Canada, Wardair und Canadian Airlines zu verkaufen, womit das Überleben gesichert ist.

Der Geschäftsabschluss ist aber nicht nur Schreiber zu verdanken. Der Augsburger Steuerfahnder Winfried Kindler fertigt 1999 eine Aktennotiz an, in der er Franz Josef Strauß eine maßgebliche Beteiligung an dem Geschäft zuspricht.

Anrüchig wird der Deal dadurch, dass Airbus für dieses Geschäft millionenschwere Provisionen an Schreibers Liechtenstein Briefkastenfirma IAL überweist.

Anfang Oktober 1988, wenige Tage nach Strauß' Tod, überweist wiederum die IAL die erste Provisionsrate auf das Konto PO-18.679.7 mit dem Decknamen "Master" beim Schweizer Bankverein.

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ist davon überzeugt, dass "Master" für Franz Josef Strauß stand. Schreiber unterstützt das, indem er 2002 aussagt: "Franz Josef Strauß war 'Master'. Ich hatte diesen Namen mit unseren Leuten abgestimmt, weil es sich ja um die CSU, wenn Sie so wollen, deren Vorsitzenden Franz Josef Strauß handelte, der der Meister war."

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1988-1990: Max Strauß und die Airbus-Affäre

Der Sohn des bayerischen Ministerpräsidenten wurde von seinem Vater schon mit 17 Jahren in dessen Geschäftskreise eingeführt und lernte so auch bald Karlheinz Schreiber kennen. Strauß senior beauftragte Schreiber, Max in die Geschäfte seines Vaters einzuführen.

Schon beim ersten Airbus-Geschäft mit Kanada soll Max Strauß beteiligt gewesen sein, wenn auch nur als Randfigur. Mit dem Tode von Franz Josef Strauß ändert sich das schlagartig. Max Strauß wird 1988 Sprecher der Erbengemeinschaft und verwaltet auch die Geschäfte, die der Vater hinterlassen hat.

1989 ist es Max Strauß, der den geplanten Verkauf von Airbus-Maschinen an die Thai Ariways und die Royal Thai Airforce vorantreibt. Er trifft sich mehrmals mit Pitak Intrawityanunt, dem Sonderberater des thailändischen Kabinetts. 1990 ordert Thailand tatsächlich 17 Airbusse.

Wieder zahlt Airbus Provisionen an Schreibers IAL, dieses Mal 10,44 Millionen US-Dollar. Das Geld fließt wieder auf das Konto beim Schweizer Bankverein, das seit 1990 aber nicht mehr "Master", sondern "Maxwell" heißt.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft verteilte Schreiber dieses Geld unter anderem an einen Mitarbeiter von Airbus, den thailändischen Regierungsberater - und eben Max Strauß.

Die Ermittler vermuten, dass sich Schreiber auf diese Weise dafür bedanken wollte, dass er die "vielfältigen weltumspannenden Kontakte" von Max Strauß, die sich dieser in der Amtszeit seines Vaters aufgebaut habe, für eigene Geschäfte nutzen konnte.

Zusammen mit den Zahlungen für das ebenfalls von Schreiber eingefädelte Panzergeschäft mit Saudi-Arabien 1991 soll Max Strauß insgesamt 5,2 Millionen Mark erhalten aber nicht versteuert haben.

Deswegen ermittelte die Augsburger Staatsanwaltschaft seit 1995 gegen Max Strauß. Im 2003 wird der Prozess wegen Steuerhinterziehung eröffnet.

Das Augsburger Landgericht folgt in weiten Teilen der Argumentation der Staatsanwälte und verurteilt Max Strauß am 15. Juli 2004 zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnisstrafe. Außerdem muss er die Steuer nachentrichten. Strauß' Anwalt hat Revision gegen das Urteil eingelegt.

Trotz des Urteils ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt, ob mit "Master" Franz Josef Strauß und mit "Maxwell" Max Strauß gemeint waren oder nicht.

Auch konnten bisher keine direkten Zahlungseingänge bei Max Strauß nachgewiesen werden, die von diesem Konto stammen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Schreiber das "Maxwell"-Konto treuhänderisch für Strauß junior geführt hat.

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Die Affären des Strauß-Clans: Ziel einer Straußschen Intrige: Der langjährige CSU-Vize Franz Heubl

Ziel einer Straußschen Intrige: Der langjährige CSU-Vize Franz Heubl

(Foto: Foto: AP)

1999 - 2004: Wabag-Affäre

Im November 2003 erhebt die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen Max Strauß wegen Beihilfe zum Betrug in neun Fällen. Er soll als Justiziar der Anlagefirma Wabag wissentlich an Betrugsfällen beteiligt gewesen sein.

Insgesamt sollen durch die Wabag-Affäre mehrere tausend Anleger um rund 105 Millionen Euro geschädigt worden sein. Weitere 20 Millionen flossen der Wabag-Gruppe als Subventionen und Kredite zu. Doch nur ein Fünftel der Gelder wurde tatsächlich investiert.

Die Anklage warf Max Strauß vor, für Projekte der Firma Wabag Geldgeber belogen und angeworben und sich bei Politikern für Fördergelder eingesetzt zu haben - obwohl er wusste, dass das Geld nicht in den angeblichen Bau von Recyclinganlagen und Biokraftwerke in Ostdeutschland fließen sollte, sondern in die Taschen der Wabag-Inhaber, die sich damit einen luxuriösen Lebensstil gönnten. Die Wabag-Inhaber wurden zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Vor Gericht räumte Max Strauß in einem schriftlichen Geständnis alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe um den Millionenbetrug bei der Wirtschaftsanalyse und Beratungs AG Wabag ein.

Am 16. April 2004 wird Max Strauß vom Münchner Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Geldstrafe in Höhe von 300.000 Euro verurteilt.

Die Affären haben an Strauß junior genagt: Er gilt als psychisch schwer krank. Seine Zulassung als Rechtsanwalt hat der Angeklagte zurückgegeben, auch sein Parteiamt als stellvertretender Vorsitzender im Münchner CSU-Kreisverband 4 - lässt er ruhen.

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2004: Monika Hohlmeier und die Dossier-Affäre

Es schien die perfekte nächste Stufe auf der Karrierleiter zu sein: Als Monika Hohlmeier vor gut einem Jahr auf Geheiß von Edmund Stoiber den Vorsitz der Münchner CSU errang, versprach sie, den Bezirksverband auf Vordermann und eine schmierige Affäre zu Ende zu bringen.

Mehrere Parteifreunde aus der als "Schlangengrube" verschrieenen Ortsgruppe wurden damals verdächtigt, Mitgliedsanträge gekauft und gefälscht zu haben - zu Recht, wie sich inzwischen vor Gericht herausgestellt hat.

Statt der erhofften Meriten als konsequente Aufklärerin erhielt die Tochter von Franz Josef Strauß Kreuzfeuer aus der eigenen Partei: Viele zweifelten an ihren Motiven und ihrer Durchsetzungsfähigkeit. Und schlimmer noch: Einer der Beschuldigten hatte sie und den Landtagsabgeordneten Joachim Haedke als Drahtzieher der ganzen Affäre belastet.

Der Kampf um die eigene Glaubwürdigkeit kostete die Bezirksvorsitzende Kraft und Nerven. In einer Vorstandssitzung der Münchner CSU drohte sie kritischen Mitglieder mit geheimen Dossiers, die belastendes Material enthalten sollten. Hohlmeier wird zitiert: "Gegen jeden von Euch gibt's was."

Das entfachte einen Skandal, Erinnerungen an die Heubl-Affäre wurden wach, als ihr Vater ebenfalls ein Dossier über einen missliebigen Konkurrenten anfertigen ließ.

Schließlich sah sich Ministerpräsident Edmund Stoiber zum Eingreifen genötigt. Er übte massiven Druck auf Hohlmeier aus und drängte sie, sich für ihr Diskreditierungs-Dossier zu entschuldigen.

Nun steht die einst hochgelobte Hoffnungsträgerin vor einem Scherbenhaufen: Den Vorsitz der CSU München hat sie mit sofortiger Wirkung aufgegeben. Als bayerische Kultusministerin im Kabinett Stoiber steht sie ebenfalls unter Druck. SPD und Grüne fordern ihren Rücktritt.

Nach der Anzeige eines Grünen-Politikers prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie gegen die Kultusministerin ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Nötigung einleiten wird.

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