Skandal in bayerischer Polizeihundeschule:"Sexistische Erniedrigungen"

Ein anonymer Brief beschäftigt Kripo und Staatsanwaltschaft Regensburg: In der Polizeihundeschule Herzogau soll es zu Alkoholexzessen und sexuellen Demütigungen gekommen sein.

Rolf Thym

Cham - In der zentralen Diensthundeschule der bayerischen Bereitschaftspolizei in Herzogau im Landkreis Cham sollen Lehrgangsteilnehmer systematisch erniedrigt und Beamtinnen sexuell gedemütigt worden sein. Darüber hinaus wurden für Partys angeblich immer wieder Prostituierte aus der nahen Tschechischen Republik bestellt.

Diese und weitere erhebliche Vorwürfe gegen die Polizeidienststelle im Bayerischen Wald werden in einem achtseitigen anonymen Schreiben erhoben, das offenbar von mehreren Verfassern stammt. Das Innenministerium spricht von "gravierenden Anschuldigungen", denen "intensiv und mit Nachdruck nachgegangen" werde. Inzwischen hat die Regensburger Staatsanwaltschaft mit Unterstützung der Kriminalpolizei Vorermittlungen aufgenommen.

Ein Sprecher des für die Diensthundeschule zuständigen Bereitschaftspolizei-Präsidiums in Bamberg erklärte, bislang seien keine gravierenden Vorwürfe über die Ausbildungseinrichtung bekannt geworden. Der Inhalt des anonymen Schreibens, das "vermutlich von Insidern kommt", habe das Präsidium "total überrascht". Der Brief war beim SPD-Landesverband in München eingegangen und vom sicherheitspolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Schuster, an Innenminister Joachim Herrmann weitergeleitet worden.

Exzesse in der Pandurenklause

Schuster hält die geschilderten Vorwürfe für "so unglaublich", dass sie "nicht ignoriert werden" könnten. Die Absender erklärten, sie sähen sich infolge von "Bedrohungen und angekündigten beziehungsweise bereits erfolgten Repressalien" dazu genötigt, ungenannt zu bleiben. Wegen der isolierten Lage weit außerhalb der Stadt Waldmünchen sei es im "einzigen Freizeitvergnügen" der Diensthundeschule, der "Pandurenklause", häufig zu Alkoholexzessen, körperlichen Auseinandersetzungen und schweren Demütigungen gekommen.

Polizeibeamtinnen seien dabei immer wieder "sexistischen Erniedrigungen" ausgesetzt gewesen: "Polizistinnen mussten niederknien und Bier aus einer Schüssel aus dem Schoß eines Ausbilders trinken", heißt es in dem anonymen Brief. Junge Polizisten "wurden gezwungen, Urin zu trinken oder aus Essensresten und Abfällen gemixte Speisen zu verzehren". Hundeführerinnen seien außerdem von einem Ausbilder als "Polizeischlampen" beschimpft worden.

Wiederholt seien "Prostituierte aus dem grenznahen Tschechien geholt" worden. Vor einigen Jahren sei beim Abschluss eines Rauschgiftseminars eine Stripteasetänzerin nach ihrem Auftritt "mit einigen Beamten auf die Zimmer" gegangen. Anderntags habe die Leitung der Dienststelle eine scharfe Missbilligung ausgesprochen - allerdings nicht wegen der engagierten Dame, sondern wegen kursierender T-Shirts mit dem Aufdruck "Herzogau - das ist die Hölle".

Des Weiteren wird in dem Brief massive Kritik an angeblich tierquälerischen Ausbildungsmethoden geübt: Polizeihunde würden "geschlagen, getreten, mit geschliffenen Stachelhalsbändern oder Würgeschlangen drangsaliert" sowie "mit Wurfgeschossen beschossen".

Forderungen nach umfassender Aufklärung

Der Leiter der Diensthundeschule in Herzogau, Johann Feichtner, lehnte angesichts der eingeleiteten Ermittlungen eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab. Der mittlerweile pensionierte Polizeibeamte Peter Schwarzfischer, der bis 2003 die Einrichtung leitete, sprach von "wahrscheinlich haltlosen Vorwürfen von irgendwelchen Seminarteilnehmern". Während seiner Dienstzeit in Herzogau sei es zu keinerlei bedenklichen Vorfällen gekommen.

Die Landesvorsitzenden der beiden großen Polizeigewerkschaften fordern - ebenso wie die Landtags-SPD - eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe. "Falls die Anschuldigungen zutreffen, würde ich niemandem empfehlen, aus falsch verstandenem Corpsgeist jemanden zu schützen", sagte Hermann Benker, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Stelle sich jedoch die Unwahrheit der Behauptungen heraus, "müssen die Betroffenen die volle Rehabilitation bekommen". Harald Schneider, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, forderte ein Einschreiten "mit aller Härte, wenn das so zutrifft. So etwas kann sich die bayerische Polizei nicht leisten".

In dem 1927 als Gaststätte erbauten Komplex in Herzogau verbrachten während der Nazizeit Angehörige der SS und der NSDAP ihren Urlaub. 1974 übernahm die Polizei die Gebäude.

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