Kampf gegen den Terror:Schily will Länder in Sicherheitsfragen entmachten

Der Bundesinnenminister strebt eine Verfassungsänderung an, nach der er selbst für den Kampf gegen den Terrorismus verantwortlich sein würde - auch gegen den zu erwartenden heftigen Widerstand der Länder. Vor allem das Bundeskriminalamt soll gestärkt werden.

Von Annette Ramelsberger

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will die Zuständigkeit für den Kampf gegen den Terrorismus auch gegen den zu erwartenden heftigen Widerstand der Länder an sich ziehen.

Er plädiert deshalb dafür, das Grundgesetz zu ändern: Der Bund soll eine besondere Gesetzgebungskompetenz zur Bekämpfung des internationalen Terrors sowie der organisierten Kriminalität erhalten.

Zudem will Schily das Bundeskriminalamt (BKA) zur weisungsbefugten Leitungsbehörde der bisher unabhängigen Landeskriminalämter machen. Auch beim Katastrophenschutz strebt er die Führungsrolle des Bundes an.

Grundlegende Veränderung der Sicherheitsstrukturen

Die Pläne des Bundesinnenministers zielen auf eine grundlegende Veränderung der deutschen Sicherheitsstrukturen ab. Sie würden die Länder - die laut Verfassung für Polizeiangelegenheiten zuständig sind - im Kampf gegen den Terrorismus weitgehend entmachten.

Der neue Vorstoß geht damit weit über Schilys Vorschläge vom März hinaus, als er dafür plädiert hatte, die Verfassungsschutzämter der Länder dem Bundesamt für Verfassungsschutz zu unterstellen. Schily versucht seine Pläne über die Föderalismuskommission durchzusetzen, in der die Aufgaben von Bund und Ländern entflochten und effizienter aufgeteilt werden sollen.

In einem Brief an Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, regt der Minister an, die Bundesregierung solle sich "mit eigenen Vorschlägen für mögliche Grundgesetzänderungen zu Wort melden" und nicht der Union das Feld überlassen.

Diese will in der Verfassung den Einsatz der Bundeswehr im Innern festschreiben lassen.

Der Vorstoß Schilys ist auch deshalb brisant, weil bei der Innenministerkonferenz am 7. und 8. Juli eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Sicherheitsfragen vereinbart werden soll.

So ist geplant, eine gemeinsame Datei über islamistischen Terrorismus einzurichten, die sowohl dem Verfassungsschutz als auch der Polizei von Bund und Ländern zugänglich ist.

Schily will Länder in Sicherheitsfragen entmachten

Die Pläne des Bundesinnenministers könnten zu heftiger Verstimmung bei seinen Länder-Kollegen führen und eine Einigung beim Informationsaustausch erschweren.

In dem Brief an Zypries fordert Schily, dass das BKA und das Bundesamt für Verfassungsschutz ein klares Weisungsrecht gegenüber den bisher autonom arbeitenden Länderbehörden bekommen.

Am liebsten wäre Schily ohnehin eine Zentralisierung des Verfassungsschutzes, die 16 bisher selbständigen Landesämter wären dann nach seiner Vorstellung nur noch Außenstellen der Kölner Bundesbehörde.

Trotz aller Regelungen zur besseren Kooperation der Ämter ließen sich "Überschneidungen, Doppelarbeit, Reibungsverluste und Informationsdefizite nicht völlig vermeiden", heißt es in dem Brief.

Schily hat auch schon die Kosten für eine Übernahme der Landesverfassungsschutzämter mit ihren insgesamt 2800 Mitarbeitern durch den Bund überschlagen lassen: Sie würde "grob geschätzt" 200 Millionen Euro im Jahr kosten.

Keine Prävention von Straftaten durch BKA möglich

Der Bundesinnenminister verspricht sich davon eine bessere Auswahl der Beobachtungsobjekte, eine einheitliche Steuerung von V-Leuten und effektivere Informationsauswertung.

Auch die geplanten Eingriffe in die Befugnisse der Länder im Kampf gegen den internationalen Terrorismus begründet Schily mit den bisher zu Tage getretenen Mängeln.

"Bei der Rasterfahndung nach dem 11. September 2001 etwa haben die Unterschiede des Landespolizeirechts eine effektive Umsetzung dieser Maßnahme beeinträchtigt", schreibt er. Auch sei bisher das Einfrieren von Vermögen nicht zeitnah und einheitlich möglich.

Bei der Prävention von Straftaten seien dem BKA die Hände gebunden. Schily will dem BKA die Möglichkeit geben, bereits im Vorfeld terroristischer Straftaten oder strafbarer Handlungen der organisierten Kriminalität zu ermitteln. Dies wird vom BKA seit langem gefordert. Zwischen beiden Bereichen gebe es "vielfältige Überschneidungen".

Auch die Zweiteilung des vom Bund verantworteten Zivilschutzes im Fall eines Angriffs und des von den Ländern zu leistenden Katastrophenschutzes hält das Innenministerium nicht mehr für zeitgemäß.

"Angesichts der neuen Bedrohungslage und nach den Erfahrungen bei der Bewältigung der Flutkatastrophe im Sommer 2002" sei diese Aufteilung zwischen Bund und Ländern in Frage zu stellen, heißt es in Schilys Brief.

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