Fusion der Stahlgiganten:Ein moderner Maharadscha

Lakshmi Mittal hat es aus kleinen Anfängen zum größten Stahlhersteller der Welt gebracht - die Öffentlichkeit liebt er aber nicht.

Gerd Zitzelsberger

Selten hört man Manager auf dem Podium so deutlich ausschnaufen wie Lakshmi Mittal an diesem Freitag.

55 ist er nun, viert- oder fünftreichster Mann der Welt und als Unternehmer beinahe so erfolgreich wie Microsoft-Gründer Bill Gates oder das Anlage-Genie Warren Buffet.

Trotzdem ist er erleichtert wie ein Schulbub nach dem Gedicht-Aufsagen: Gerade hat der Industrielle seine Präsentation abgespult - hastig nuschelnd und mit unüberhörbar indischem Akzent. Lakshmi Mittal ist es nicht gewohnt, vor Fernsehkameras und großem Publikum aufzutreten, und er macht es nicht gerne.

"An dem Tag, an dem du eine öffentliche Person wirst, beginnt dein Niedergang", hatte sein Vater ihm auf den Lebensweg mitgegeben. Mittal hatte sich an dieses Motto gehalten, soweit es ging. Aber damit ist es nun vorbei.

Sein neuester Coup rückt ihn weltweit in das Rampenlicht: Für knapp 19 Milliarden Euro will er Europas größten Stahlhersteller, die Arcelor SA, übernehmen.

Es gab in den vergangenen Jahren weit teurere Firmen-Übernahmen; und dass das Management des "Ziel-Unternehmens", wie im Unternehmer-Jargon das Opfer heißt, sich dem Verlust der Selbstständigkeit widersetzt, ist auch nicht ungewöhnlich.

Aber Mittals Angriff wird, wenn er Erfolg hat, die Branche der Stahlkocher kräftig umkrempeln. Der Mann expandiert ausgerechnet in einem Wirtschaftsbereich, der bislang für Verlierer und Hiobsbotschaften bekannt ist: Noch bis vor kurzem galt die Stahlindustrie als sterbende Branche, mit der man besser nichts zu tun hat.

Märchenhafter Aufstieg

Gerade dieser Umstand aber - und viel glückliche Fügung - öffnete Mittal das Tor zu geradezu märchenhaftem Erfolg: Fügung war es, dass bereits Mittals Vater Stahlindustrieller war, wenn auch viele Nummern kleiner: Vor 50 Jahren betrieb er ein kleines Werk in der indischen Provinz Rajastan, in einer Gegend, wo Strom und Wasserleitungen noch selten waren.

Später zog die Familie nach Kalkutta, wo Mittals Vater ein größeres Werk übernommen hatte und seinen Sohn schon mit 19 Jahren in das Geschäft miteinbezog. "Ich habe das Geschäft von der Pike auf gelernt", erzählt er Lakshmi Mittal. Das Stahlkochen in Kalkutta warf immerhin so viel Geld ab, dass Mittal senior seinem Sohn den ersten Coup ermöglichen konnte: Gleich nach dem Betriebswirtschaftsstudium übernahm dieser in Indonesien ein rostiges Stahlwerk und sanierte es.

Dieser Erfolg prägte Mittals Karriere: Nach und nach übernahm er heruntergekommene Fabriken und brachte sie in die schwarzen Zahlen. Die Objekte wurden immer größer, und ein unverhofftes Betätigungsfeld lieferte die Umwälzung in der ehemaligen Sowjetunion und ihren Satelliten-Staaten. So stand beispielsweise in Kasachstan eines Tages das riesige Karmet-Werk zur Privatisierung an.

30000 Arbeiter hatten dort schon über Monate hinweg keinen Lohn mehr bekommen, und die Regierung verlangte Beschäftigungsgarantien. Keiner der renommierten Konzerne wollte etwas mit diesem rostigen Albtraum aus kommunistischer Zeit zu tun haben. Schließlich hatte die Fabrik mit dem Niedergang der russischen Rüstungsindustrie ihren wichtigsten Kunden verloren.

Doch Mittal ließ sich weder vom Rost noch von der Misswirtschaft und der Korruption abschrecken. Er zahlte 400 Millionen Dollar (und bekam dafür auch Kohlbergwerke), krempelte das Management um, schaltete die Zwischenhändler aus und schnitt die Produktion auf die Wünsche der Exportmärkte zu: China, wo damals gerade das Industriezeitalter begann, liegt nur einige hundert Kilometer entfernt. Heute gehört Karmet zu den Perlen des Mittal-Imperiums.

"Ich sehe Dinge, die andere nicht sehen", begründete Mittal später sein Engagement in Kasachstan. Der Erfolg verschaffte ihm in der Branche weltweit Respekt und öffnete Türen .

In der breiten Öffentlichkeit aber ließ Mittal sich nicht sehen, zumal er mit Publizität schlechte Erfahrungen gemacht hatte: So kam eines Tages heraus, dass Großbritanniens Premier Tony Blair ihm mit einem Brief an den rumänischen Regierungschef geholfen hatte - und dass Mittal vorher 300 000 Euro an Blairs Partei gespendet hatte. Auch die achttägige Traumhochzeit, die er für seine Tochter in Versailles ausrichtete, bescherte ihm nicht die Schlagzeilen, die er wollte.

Doch jetzt muss Lakshmi Mittal sich der Öffentlichkeit stellen, und der Stil dabei verrät manches über ihn: Ganz allein sitzt er zusammen mit seinem Sohn Aditya, der als Finanzchef amtiert, auf dem Podium; keine Hilfstruppen klicken die nächste Präsentations-Folie auf dem Laptop an.

Als der Vater später ein zweites Mal zurück vom Stehpult zu seinem Stuhl geht, wirft er seinem Sohn einen fragenden Blick zu: Na, wie war's? Und als später Aditya am Rednerpult steht, hat sein Vater Augen nur für ihn: Die modernen Maharadschas präsentieren sich.

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