Orkan-Schäden:Kyrill legt sechs Millionen Bäume um

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Eineinhalb Wochen nach Kyrill zeigt sich, dass die Waldschäden in Bayern größer sind als gedacht. Und jetzt droht Gefahr durch Borkenkäfer.

Christian Sebald

Unten von der Bundesstraße 305 aus sieht man kaum etwas. Oben an der Weißwand, einem extrem steilen und unzugänglichen Hang in den Bergen bei Berchtesgaden, sieht es aus, als hätten Bomben eingeschlagen.

Der Wald an der B173 bei Wallenfels im Landkreis Kronch (Oberfranken). (Foto: Foto: dpa)

Auf 65 Hektar Fläche hat der Orkan Kyrill den kompletten Fichtenwald umgelegt. Tausende Stämme türmen sich chaotisch übereinander, ihre Wurzelballen ragen steil aus dem Boden empor.

"Da sind viele 200 Jahre alte Fichten darunter, die jedem Sturm getrotzt haben", sagt Daniel Müller, Chef des Forstbetriebs Berchtesgaden, "so eine Gewalt hatte Kyrill."

Auch im Bayerischen Wald tobte der Orkan. Am Dreisessel ziehen sich 50 bis 100 Meter breite Schneisen durch die Wälder in Richtung Gipfel, in denen kein Baum mehr steht. "Kyrill hat den Forst hier nachhaltig geschädigt", sagt Michael Held, Leiter des Forstbetriebs Neureichenau, "und zwar vom Aussehen her wie von seinem Zustand."

Eineinhalb Wochen ist es her, dass Kyrill über Bayern hinwegfegte. Entgegen erster Einschätzungen steht nun fest, dass die Wälder doch nicht so glimpflich davongekommen sind.

Fast alle Wälder in Bayern betroffen

Zwar hat der Orkan längst nicht die Ausmaße der Sturmkatastrophe Wiebke erreicht, die 1990 wütete und 23 Millionen Festmeter Bruchholz hinterließ. Aber die Dimensionen von Lothar wird er locker schaffen. Dieser Orkan produzierte im Dezember 1999 binnen Stunden 4,3 Millionen Festmeter Bruchholz und Windwurf.

Die Waldschäden durch Kyrill beziffert die Forstverwaltung derzeit auf 3,8 Millionen Festmeter - 1,8 Millionen in Privatwäldern, zwei Millionen im Staatsforst. Rechnerisch entspricht das einer Waldfläche von 8000 Hektar oder ungefähr sechs Millionen Bäumen und macht ein Viertel des normalen Jahreseinschlags aus. Fachleute sind sich aber sicher, dass es dabei nicht bleiben wird.

"Allein wir im Staatswald werden letztlich 2,5 Millionen Festmeter Schadholz haben", prognostiziert Rudolf Freidhager, Chef der Bayerischen Staatsforsten, "unsere Betriebe schlagen deshalb bis auf weiteres kein frisches Nadelholz mehr ein, sondern arbeiten nur noch Schadholz auf."

Neun von zehn Bäumen, die Kyrill abgedreht oder entwurzelt hat, sind Fichten. Getroffen hat es fast alle Wälder in Bayern. In den weitaus meisten sind jedoch nur einzelne Bäume geschädigt worden. Kahlflächen hat der Orkan nur in die Mittelgebirge ab einer Höhe von gut 1000 Metern und in die bayerischen Alpen östlich von Ruhpolding geschlagen.

"Sie ziehen sich wie an einem Band vom Frankenwald über das Fichtelgebirge und den Oberpfälzer Wald in den östlichen Bayerischen Wald hinein", sagt Freidhager. Vor allem Hanglagen, die nach Südwesten ausgerichtet sind, boten optimale Angriffsflächen für die Sturmböen, die im Bayerwald bis zu Tempo 170 erreichten und in den Alpen mehr als 200 Stundenkilometer.

Holzpreis bleibt hoch

Hier ist besonders bitter, dass es mit der Weißwand einen wichtigen Schutzwald getroffen hat. Seine Fichten haben bisher die B 305 an ihrem Fuße vor Lawinen und Steinschlägen bewahrt. "Davon kann nun keine Rede mehr sein", sagt Forstbetriebschef Müller, "im Gegenteil, wir haben eine riesige neue Sanierungsfläche bekommen."

Die Fachleute im Forstministerium haben bereits errechnet, dass allein die Wiederaufforstung der Weißwand den Freistaat um die 6,5 Millionen Euro kosten wird. Hier wie überall in Bayern kommt hinzu, dass das Bruchholz und der Windwurf die ohnehin schon sehr hohe Borkenkäfer-Gefahr weiter verschärfen. Und zwar egal ob es sich nur um einen einzelnen Baum handelt oder eine Kahlfläche.

Der lange warme Spätherbst und der bisher sehr milde und trockene Winter waren bereits sehr günstige Bedingungen für den Schädling.

Zuvor hatte die nur sechswöchige Hitzeperiode im Frühsommer 2006 ausgereicht, dass er sich explosionsartig vermehrte. Allein die Bayerischen Staatsforsten haben im vergangenen halben Jahr in den Staatswäldern mehr als eine Million Festmeter Fichten gefällt, die der Borkenkäfer befallen hatte.

Nun hat Kyrill die Wälder weiter geschwächt. "Wenn es im Frühjahr wieder recht warm und trocken wird, könnte eine sehr gefährliche Situation entstehen", sagt Forstminister Josef Miller. "Deshalb ist es extrem wichtig, dass die Waldbesitzer sämtliche gefallenen und geknickten Fichten rasch entfernen. Denn sie stellen optimale Brutbedingungen für die Borkenkäfer-Larven dar."

Im Vergleich zu Lothar ist deshalb das einzig Positive die aktuell immense Nachfrage nach Holz, gleich welcher Art. "Vor sieben Jahren war der Markt völlig am Boden, da hatte Schadholz überhaupt keine Chance", sagt Sepp Spann, stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Waldbesitzerverbandes.

"Das hat sich völlig gedreht, der Bedarf - egal ob an Brennholz oder Papierholz - ist so stark, dass wir sämtliche geworfenen Bäume am Markt unterbringen können."

Wie Forstminister Miller ist Spann auch zuversichtlich, dass die extrem guten Preise von bis zu 90 Euro für den Festmeter Fichte durch Kyrill nicht leiden werden. Staatsforsten-Chef Freidhager und andere sind auch in diesem Punkt weniger optimistisch. "Die nächsten Wochen werden da sehr spannend", sagt er. "Ich rechne fest, dass die Fichtenpreise um bis zu 20 Euro fallen."

© SZ vom 29.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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