Irak:Letzter Auftritt einer mutigen Reporterin

Mit dem Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra hat der Krieg um die Vorherrschaft im Irak einen neuen Höhepunkt erreicht. Eine bekannte irakische Journalistin wollte von den Reaktionen in ihrer Heimatstadt berichten - und bezahlte mit ihrem Leben.

Christiane Schlötzer

In ihrem letzten Auftritt trägt die Fernsehreporterin Atwar Bahjat ein Kopftuch, ihre Augen sind geschminkt und blicken direkt in die Kamera. Der arabische Sender al-Arabija zeigte den Bericht seiner prominenten Irak-Korrespondentin am Donnerstagmorgen. Da war die junge Frau schon tot.

Samarra, Reuters

Das zerstörte schiitische Heiligtum: Die Goldene Moschee in Samarra. Tausende Iraker demonstrieren gegen den Anschlag - es kommt zu immer mehr Gewalttaten. Atwar Bahjat wurde entführt und ermordet.

(Foto: Foto: Reuters)

Ihre Leiche wurde am Vormittag am Ortsrand von Samarra gefunden - jenem Ort, in dem am Tag zuvor Attentäter eine der heiligsten Stätten der schiitischen Moslems in die Luft gesprengt hatten. Atwar Bahjat war dort, um über Reaktionen auf das Ereignis zu berichten.

Sie war eine der wenigen Frauen, die sich als Reporterinnen im Irak an die Frontlinie wagten, wobei diese Front überall sein konnte, im Zentrum von Bagdad oder eben 125 Kilometer nördlich davon, in Samarra.

Man kann annehmen, dass der Auftrag, nach Samarra zu fahren, für die 26-Jährige besonders heikel war, denn Samarra war ihre Heimatstadt. "Wir wollen die Reporterin", rief ein bewaffneter Mann und feuerte plötzlich aus einer Menschenmenge heraus in die Luft, während Atwar Bahjat in ihrem Übertragungswagen saß.

Sie rief um Hilfe. Da packten Bewaffnete die Journalistin, ihren Kameramann Adnan Khairallah und dessen Ton-Kollegen Khaled Mohsen. Sie zerrten sie aus dem Wagen, stießen sie in ein anderes Auto und brausten davon.

60 tote Journalisten seit Kriegsbeginn

So schildert es ein weiterer Mitarbeiter von al-Arabija, der entkam. Sehr weit brachte man die Entführten nicht, wie der Fundort der drei Leichen später zeigte.

Atwar Bahjat war Sunnitin; schon das machte sie für ihre Angreifer offenbar zur Feindin. Aber das ist nicht alles: Die Journalistin wollte sich in dem Konflikt nicht auf eine Seite schlagen. "Sie liebte ihr Land, und sie starb wegen ihrer Unabhängigkeit", sagte Ahmed al-Saleh, ein Kollege von al-Arabija.

Erst jüngst war die Reporterin zu diesem Satellitensender gewechselt. Er gilt als weniger reißerisch als der Konkurrent al-Dschasira, für den Atwar Bahjat zuvor gearbeitet hat. Acht Mitarbeiter hat al-Arabija seit Beginn der US-geführten Invasion im Jahr 2003 im Irak verloren - getötet von amerikanischen Truppen oder Aufständischen. 60 tote Journalisten wurden seit Kriegsbeginn insgesamt im Irak gezählt.

Gleich im ersten Kriegsjahr war Bahjats Name in den Medien aufgetaucht. Die mutige Frau war kurzzeitig von US-Truppen festgesetzt worden, nachdem sie aus nächster Nähe über Bombenangriffe auf Bagdad berichtet hatte.

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