Rundfunkgebühren:Wo ich sein kann, will ich auch herrschen

Soso, Rundfunkfreiheit: Die einzige Dienstleistung in Deutschland, die man bezahlen muss, auch wenn man sie nicht haben will, ist der Rundfunk.

Kurt Kister

Das Bundesverfassungsgericht hat ein Urteil zu den Rundfunkgebühren gefällt. Die Intendanten freuen sich ebenso wie ihre zumeist verwaltungstechnisch und/oder politisch verdienten Hintersassen aus den byzantinistisch verschlungenen Hierarchien der ARD-Anstalten sowie des ZDF.

Die Ministerpräsidenten, so befanden die Karlsruher Richter, dürften eine von den Intendanten verlangte und von der "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten" (KEF) für gut befundene Gebührenerhöhung nicht aus politischen Gründen einfach kürzen. (Die Lebenserfahrung übrigens lehrt, dass mit einer Institution, die eine Kommission dieses monströsen Namens benötigt, vieles nicht in Ordnung sein kann.)

Die hierzulande zahlreichen Freunde jenes Medienkonglomerats, das Ulrich Wickert, Franz Schönhuber, Eva Herman und Florian Silbereisen berühmt gemacht hat, feiern nun neuerlich einen Sieg der Rundfunkfreiheit.

Privat-Stasi der Intendanten

So, so, Rundfunkfreiheit. Das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen - in Anlehnung an die KEF im Folgenden Örrf genannt - ist die einzige Dienstleistung in Deutschland, die man bezahlen muss, auch wenn man sie nicht haben will. Der Rundfunk also lässt den Deutschen keine Freiheit. Wer immer ein Gerät besitzt, mit dem man praktisch oder theoretisch auch Örrf empfangen kann, muss Örrf bezahlen. Tut er das nicht, wird er von der GEZ, einer Unterabteilung des Örrf, einer Art Privat-Stasi der Intendanten, verfolgt.

Die "Gebühreneinzugszentrale" - man erkennt böse Absicht tatsächlich an Begriffen - belästigt einen bei jedem Umzug, verschickt Bescheide und Mahnungen, lässt Spitzel an Türen horchen. Abmeldungen vom Zwangssystem werden ungern, verspätet und oft auch gar nicht von der GEZ zur Kenntnis genommen. Die Methoden der GEZ sind bürger- und freiheitsfeindlich. Sie sind für das Örrf außerdem sehr kontraproduktiv, weil kaum jemand glaubt, dass ein Herr, der solche Sbirren ausschickt, gut und seriös sein kann.

Gewiss, das Örrf wurde einstmals mit guten Absichten und als Organisation gewordene Gegenthese zum staatlichen Nazi-Rundfunk gegründet. Wollte man es empfangen, kaufte man sich ein Radiogerät, später einen Fernseher. Andere Möglichkeiten gab es nicht. Als Adenauers Leute das ZDF als eine Art Regierungsfernsehen gründen wollten, gab es in Westdeutschland nicht ganz 20 Jahre nach Goebbels einen kleinen Aufstand.

Imperialistisches Gedankengut

Das alles ist lange her, und vieles ist heute ganz anders. Die Demokratie ist stabil, auch mit RTL, Sat 1 und sogar mit 9Live. Die meisten ARD-Anstalten und auch das ZDF sind im weiteren Sinne Regierungsfernsehen geworden. In ihren Gremien spielen politische Parteien und politisch verortete "gesellschaftliche Gruppierungen" entscheidende Rollen. Unter den Senderhierarchen finden sich etliche, die antizipieren, was unter Umständen in der jeweiligen Staatskanzlei als Problem gesehen werden könnte.

Das hat nun kaum zu einem parteiischen Fernsehen geführt. Herausgekommen ist vielmehr eine spezifisch (west)deutsche Medienbehörde, die mit einem Höchstmaß an politischer Korrektheit und einem oft absurden Maximum an "Ausgewogenheit" den Massengeschmack an Rumtata, Pängpäng und Toooor befriedigt, dies aber mit Arte und 3sat kaschiert. Herausgekommen ist das Örrf.

Das Örrf 2007 ist etwas ganz anderes als das, was in den Aufbruchszeiten der Bundesrepublik eigentlich aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hätte werden sollen. Am alten Idealbild aber hält das Verfassungsgericht ebenso fest wie, wider besseres Wissen, die Örrf-Intendanten und die Föderal-Politiker, die "Rundfunkfreiheit" gerne sagen, während sie Gremienmacht ausüben.

Der Örrf-Gefangene

Aber nicht nur das Wesen des Örrf ist mutiert, sondern auch die Technik. Radio und Fernsehen sind heute von jedem Computer, jedem Mobiltelefon und einer Fülle anderer Geräte zu empfangen, die zum Alltag gehören. Diese Geräte werden, anders als Radio und Fernseher früher, nicht gebaut, um Örrf zu empfangen. Sie können es aber, so wie sie auch die viel größere Zahl anderer Nicht-Örrf-Sender empfangen können. Die Örrf-Politiker und Örrf-Intendanten ziehen daraus einen Schluss, der von imperialistischem Gedankengut getragen wird: Wo ich sein kann, will ich auch herrschen.

Auf deutsch: Die von der GEZ einzutreibende Zwangsabgabe Örrf, also die Gebühren, sind für alles zu erheben, was empfangen kann.

Wenn ein Programmdirektor diese Zeilen liest und sich ärgert, kann er von sofort an die Zeitung nicht mehr kaufen. Das kann der Örrf-Gefangene, will er sich gesetzeskonform verhalten, nur dann tun, wenn er sich von allen seinen Radios, Fernsehern, Computern etc. trennt und die GEZ außerdem seine Abmeldung akzeptiert. Ist man als Katholik getauft, gerät aber in einen Konflikt mit diesem Glauben, kann man aus der katholischen Kirche austreten. Man muss dann die Kirchensteuer, die in Deutschland der Staat einzieht, nicht mehr bezahlen. Auch das ist Religionsfreiheit. Will man aber ARD und ZDF nicht sehen, obwohl man sein Laptop behalten möchte, muss man trotzdem die Zwangsabgabe bezahlen.

In Wirklichkeit also bezahlt man Gebühren nicht dafür, dass man das Örrf nutzt, sondern dafür, dass man es nutzen könnte. Das also ist Freiheit, Rundfunkfreiheit?

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