Genusscheine am Grauen Kapitalmarkt:Mit 8,25 Prozent in der Falle

Viele Unternehmen werben mit hohen Renditen für Genussscheine. Doch Anlegerschützer warnen vor erheblichen Risiken.

Thomas Öchsner

Das Lehrer-Ehepaar Hans und Eva Müller (Namen von der Redaktion geändert) hoffte auf ein glänzendes Geschäft. 8,25 Prozent Zinsen versprach die Madrixx AG aus Berlin immer wieder in Werbespots auf einem Nachrichten-Fernsehkanal.

Grauer Kapitalmarkt: Genussrechte: Mit 8,25 Prozent in der Falle
(Foto: Foto: dpa)

Und die wollten sich die Eheleute nicht entgehen lassen. "Mir war schon klar, dass das ziemlich viel ist, aber die 8,25 Prozent haben mich gereizt", sagt Müller. Außerdem habe er gedacht, dass die Werbung auf einem Nachrichtenkanal doch seriös sein müsse.

Inzwischen bangt das Ehepaar aus Sachsen-Anhalt um sein Geld: Die 8.000 Euro, die sie in Genussscheine des Berliner Unternehmens gesteckt haben, sind womöglich verloren.

Madrixx ist pleite, eine Krankenkasse und das Finanzamt hatten einen Insolvenzantrag gestellt. Ob das Unternehmen überhaupt - wie versprochen - Geld in Immobilien gesteckt hat, ist derzeit fraglich.

Die Berliner Firma ist kein Einzelfall. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Anlegerschutz (Dias) in Berlin versuchen derzeit zahlreiche Unternehmen auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt Geld über den Verkauf von Genussrechten oder Genussscheinen einzusammeln.

"Die Anbieter locken dabei im Verkaufsgespräch stets mit hohen Zinsen, über das Risiko informieren sie dagegen meist nur im Emissionsprospekt", sagt Volker Pietsch, Chef des Dias.

Bekannte Firmen aussuchen

Das Risiko bei solchen Wertpapieren ist grundsätzlich höher als etwa bei Bundesanleihen: Wer Genussrechte oder Genussscheine kauft, überlässt einem Unternehmen Kapital, das das Geld für bestimmte Investitionen verwenden kann.

Der Anleger wird im Gegenzug am Gewinn der Firma beteiligt. Erwirtschaftet diese aber Verluste, kann die Zahlung der Zinsen ausfallen. Wer es trotzdem mit "Genüssen" einmal probieren will, sollte lieber auf "große bekannte und solide Unternehmen setzen", rät die Direktbank ING-Diba in ihren Infos für kritische Bankkunden. Dazu zählen etwa die Genussscheine der Allianz, von Bertelsmann oder einiger Großbanken. Bei solchen Firmen ist das Risiko eher gering.

Anders bei kleineren, wenig bekannten Unternehmen: Hier ist sogar ein Totalverlust möglich. Muss das Unternehmen - so wie Madrixx - Insolvenz anmelden, verlieren Anleger wie die Müllers nicht nur Zinsen, sondern womöglich sogar ihren kompletten Einsatz.

Anlegerschützer Pietsch warnt deshalb sicherheitsorientierte Investoren davor, sich allein von der Werbung blenden zu lassen. Prokon zum Beispiel, einer der größten Anbieter von Windenergie-Parks, bezeichnet seine Genussrechte als "eine Kapitalanlage, die ein hohes Maß an Sicherheit und Rentabilität mit ökologischer Verantwortung verbindet" und prognostiziert eine Verzinsung von bis zu zehn Prozent pro Jahr.

Aber nur wer sich näher mit der Anlage beschäftigt, erfährt, dass die hohe Verzinsung vom Betriebsergebnis und der Liquidität der Gesellschaft abhängt. "Für Privatanleger, die auf Nummer sicher gehen und ruhig schlafen wollen, sollten solche Anlagen deshalb nicht in Frage kommen", sagt Pietsch.

Grauer Kapitalmarkt floriert

Trotzdem scheint die Nachfrage bei Prokon bisher nicht gering zu sein. Das Itzehoer Unternehmen hat bereits mehr als 38 Millionen eingesammelt, 200 Millionen Euro sind geplant.

Auch andere Firmen am grauen Kapitalmarkt gewinnen derzeit Käufer für ihre "Genüsse". Denn viele Anleger wollen sich mit den drei bis 4,5 Prozent Zinsen, die die Banken zahlen, nicht zufriedengeben.

Übersehen werden dabei mögliche Gebühren: Madrixx behielt zum Beispiel 17 Prozent des eingesetzten Kapitals als Kosten ein. "Eine Rendite von 8,25 Prozent ist deshalb von vorneherein unrealistisch gewesen", sagt Pietsch.

Das Dias und die Stiftung Warentest hatten Madrixx schon länger auf ihren Warnlisten. "Wer derartig hohe Zinsen verspricht, die er auf dem Berliner Immobilienmarkt verdienen will, setzt sich dem dringenden Verdacht eines Schneeballsystems aus'', sagt Jochen Resch, der Berliner Rechtsanwalt des Geschädigten Hans Müller. Bei einem solchen System werden mit neuem Anlegergeld Zinsen der Altkunden ausbezahlt.

Das Dias hat inzwischen Strafanzeige gegen Verantwortliche der Madrixx AG wegen Verdachts auf Kapitalanlagebetrug gestellt. Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass das Geld der Anleger nicht in Immobilien, sondern in andere Kanäle gewandert sein soll.

Ein Unternehmenssprecher bestreitet dies. Lehrer Müller ist jedenfalls um eine Erfahrung reicher. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich auf so eine Schweinerei hereinfallen kann."

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