Versicherungsdatenbank:Auf der schwarzen Liste

Datenschützer kritisieren die Versicherungen: Eine verpflichtende Unterschrift ermöglicht das zentrale Speichern von Kundendaten.

Elke Dolle-Helms

Persönliche Daten von Versicherungskunden sollen besser geschützt werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) will gegen eine Klausel in Versicherungsanträgen vorgehen, mit der Kunden automatisch der Weitergabe ihrer Daten an eine Datei zustimmen, aus der schwarze Listen erstellt werden.

Versicherungsdatenbank: Im Rechenzentrum laufen alle Kundendaten zusammen und werden zwei Mal verschlüsselt.

Im Rechenzentrum laufen alle Kundendaten zusammen und werden zwei Mal verschlüsselt.

(Foto: Foto: dpa)

Kern der Auseinandersetzungen ist ein branchenweit üblicher Passus in Versicherungsanträgen, mit dem der Antragsteller automatisch seine Einwilligung zur Datenweitergabe gibt.

Big Brother Award

Dieser harmlose Satz zeigt seine Brisanz erst, wenn der Kunde das oftmals nicht gleichzeitig ausgehändigte "Merkblatt zur Datenweitergabe" sorgfältig studiert. Erst dann erfährt er, dass seine im Versicherungsantrag gemachten persönlichen Angaben in einer zentralen Datei der Versicherungswirtschaft landen und später gegen ihn verwendet werden können.

Weil die Daten ohne Wissen der Betroffenen gesammelt und verarbeitet werden, hat sich die Versicherungswirtschaft kürzlich den "Big Brother Award" für unsensiblen Umgang mit persönlichen Daten eingehandelt.

Dieser Negativ-Preis wird von einer Jury vergeben, der Datenschützer und Menschenrechtler angehören.

Verbraucherschützer lassen das Argument der Versicherer, die Unterzeichnung der Datenweitergabe-Klausel sei freiwillig, nicht gelten. Ohne Unterschrift gebe es keinen Vertrag, erklärt der VZBV.

Keine andere Wahl

Damit entfalle die vom Datenschutz geforderte Wahlfreiheit des Kunden. Der Verband verweist auf ein Gutachten des Berliner Rechtsprofessors Hans-Peter Schwintowski, wonach diese Klausel den Kunden unangemessen benachteilige und deshalb unwirksam sei.

Die Datenbank heißt Hinweis- und Informationssystem (HIS) und wurde vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in den neunziger Jahren unter der Bezeichnung "Uniwagnis" in Hamburg aufgebaut. Ziel war, Versicherungsbetrügern auf die Spur zu kommen.

Anders als Auskunfteien - beispielsweise die Schufa, bei der Verschuldungsdaten gesammelt werden - arbeitet HIS nicht mit konkreten Angaben zu einzelnen Personen, sondern ausschließlich mit zweifach verschlüsselten Daten.

Auf der schwarzen Liste

So können Sachbearbeiter eines Versicherungsunternehmens, die einen auffälligen Schaden entdecken, die Daten an HIS melden. Dort werden die Angaben phonetisch verschlüsselt - so wird beispielsweise der Name nicht nach exakter Schreibweise, sondern nur nach Klang gespeichert -, mit einem Zahlencode versehen und an alle angeschlossenen Versicherer weitergegeben.

Unangenehm kann es für den betreffenden Kunden werden, wenn er auch bei anderen Versicherern auffällt. Dann können sich die Sachbearbeiter untereinander kurzschließen und den Kunden über echte persönliche Daten identifizieren.

Auch Gesundheitsdaten werden gespeichert

Laut Wolfgang Scholl, Versicherungsexperte des VZBV, wäre dieses Vorgehen nicht zu beanstanden, wenn es sich ausschließlich um eine Wagnisdatei zur Kriminalitätsbekämpfung handeln würde.

Doch die Versicherer speichern dort nicht nur auffällige Schadensfälle, sondern beispielsweise auch Angaben zum persönlichen Gesundheitszustand, wenn es um Lebens-, Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherungen geht.

Dies kann dazu führen, kritisieren Verbraucherschützer, dass beispielsweise ein Antragsteller mit Vorerkrankungen, der eine Berufsunfähigkeitspolice beantragt und abgelehnt wird, auch woanders keinen Vertrag mehr bekommt oder eine erhöhte Prämie bezahlen muss.

Unangenehm für Kunden ist auch, dass die Daten erst nach fünf Jahren wieder aus dem Zentralrechner gelöscht werden, Angaben im Zusammenhang mit Berufsunfähigkeitsversicherungen sogar erst nach zehn Jahren. Zudem kann der Kunde erst dann erfahren, welche Daten über ihn hinterlegt sind, wenn er eine Vertragsablehnung oder gar eine Kündigung erhält.

Und: Weil der Computer nicht mit konkreten Angaben arbeitet, sondern ausschließlich verschlüsselte Daten weitergibt, sind Eigenauskünfte wie bei der Schufa bei HIS nicht möglich.

Abmahnungen drohen

Wie ein GDV-Sprecher erklärt, ist der Verband verhandlungsbereit. "Das gesamte System sollte auch aus unserer Sicht überarbeitet werden." Der VZBV indes rechnet im Detail nicht mit allzu großem Entgegenkommen.

"Wenn Briefe und Gespräche nicht fruchten, müssen wir handeln", warnt Manfred Westphal, Leiter des Fachbereichs Finanzdienstleistungen im VZBV. Dies könnte schon in den kommenden Wochen zu Abmahnungen einzelner Versicherer führen.

Die Stiftung Warentest empfiehlt Betroffenen, die sich von einem Versicherungsunternehmen schlecht behandelt fühlen, unbedingt eine schriftliche Auskunft der über sie hinterlegten Daten einzufordern. Versicherer seien laut Bundesdatenschutzgesetz zur Auskunft verpflichtet, so die Stiftung.

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